Eine kritische TV-Reportage über Islamismus sorgte in Großbritannien für Aufsehen

Ein Sorry von der Polizei

Britische Polizisten gingen wegen einer kritischen Reportage über islamische Prediger gegen Journalisten vor. Nun wurden die Vorwürfe zurückgezogen.

In Großbritannien wird erneut über die Channel-4-Reportage »Undercover Mosque« diskutiert. Mitte Mai gingen den Verantwortlichen der Nachrichtensendung »Dispatches«, die die kritische Reportage über die Vorgänge in britischen Moscheen produziert hatten, 100 000 Pfund Entschädigung und eine offizielle Entschuldigung von der Staatsanwaltschaft und der Polizeibehörde der West Midlands zu. Die Staatsanwaltschaft wendete damit eine Verleumdungsklage der Journalisten ab. Die Polizei der Region hatte ihnen vorgeworfen, islamische Institutionen und Prediger unfair darzustellen.
Zwei Jahre lang hatte ein Journalist verdeckt in verschiedenen Moscheen recherchiert und dabei heimlich Predigten und seine Unterhaltungen mit offiziellen Vertretern der Moscheen gefilmt. Das Ergebnis schockierte im Januar 2007 die britische Öffentlichkeit. Zu sehen war, wie Aufrufe zur Gewalt und die Ideologie des globalen Islamismus in Großbritanniens größten Moscheen verbreitet wurden, von Imamen und Organisa­tio­nen, die der britischen Regierung als Partner im Bemühen um das friedliche Zusammenleben und im Kampf gegen den Terrorismus galten. Die Polizei der West Midlands erklärte nun in einer Pressemitteilung, sie sehe ein, dass sie den Journalisten zu Unrecht unfaire Berichterstattung vorgeworfen habe. Kevin Sutcliffe von Channel 4 erwiderte, er erwarte, dass britische Behörden unabhängigen Journalismus schützten und nach Kräften unterstützten und nicht durch unbegründete Angriffe in Verruf brächten.
In der Reportage wurde beispielsweise über die Green-Lane-Moschee in Birmingham berichtet, eine der größten Moscheen des Landes. Der prominente muslimische Politiker Lord Nazir Ahmed, Großbritanniens erster pakistanisch-britischer Oberhausabgeordneter, hatte bis dahin verbreitet, die Moschee sei der beste spirituelle Ort des Landes, ein Palast. Doch die Reportage zeigte, dass in der Moschee Imame wie Abu Usamah die Unterdrückung von Frauen predigten und gegen Homosexuelle hetzten. Abu Usamah, ein Amerikaner, der zum Islam konvertierte und an der Universität von Medina in Saudi-Arabien ausgebildet wurde, sprach auch über Terrorismus. Der sei abzulehnen, doch »Ussama bin Laden ist besser als eine Million George Bushs, besser als 1 000 Tony Blairs, weil er ein Muslim ist«.

Die Reportage machte auch auf die Verbindungen aufmerksam, die zwischen der Green-Lane-Moschee und einflussreichen muslimischen Organisationen in Großbritannien bestehen, zum Beispiel zu dem als moderat geltenden Muslim Council of Britain. Weiterhin wurde in der Reportage vor allem der Versuch Saudi-Arabiens hervorgehoben, Einfluss auf die britischen Muslime zu nehmen.
Auch über die UK Islamic Mission (UKIM), die rund 45 Moscheen betreibt und 6 000 britische Schüler in Abendschulen unterrichtet, wurden durch die Recherchen der Journalisten neue Fakten bekannt. Der ehemalige Premierminister Tony Blair hatte die UKIM zuvor im Namen der britischen Regierung als »extrem wertvoll« bezeichnet, insbesondere weil man sich dort für den Dialog der Religionen einsetze. »Undercover Mosque« konnte enthüllen, dass dieser Austausch meist eher dazu diente, Menschen zum Übertritt zum Islam zu bewegen. Trotz aller Rhetorik vom »Dialog der Religionen« konnte man in den Moscheen der UKIM Bücher der pakistanischen Jamaa Islamiya finden, die eng mit dem Terrornetzwerk al-Qaida verbunden sein soll und den Islam als inter­na­tionale revolutionäre Ideologie darstellt, die zur Aufgabe habe, eine islamische Weltgesellschaft zu begründen.
Auch hier zeigten heimliche Aufnahmen von Predigten in den Moscheen verbale Angriffe auf Demokratie, Homosexualität und die »Ungläubigen«. »Undercover Mosque« konnte auch Verbindungen zu saudischen Geldgebern und dem religiösen Establishment in dem arabischen Staat herstellen.
Während die gefilmten Moscheen und Organisationen und auch der saudische Staat alle Vorwürfe zurückwiesen, begann die Polizei in den West Midlands, der Region, in der sich die Stadt Birming­ham befindet und zwei der im Film behandelten Moscheen liegen, mit Ermittlungen. Sie sollten klären, ob das Filmmaterial Straftaten zeige. Im August traten Polizei und Staatsanwaltschaft dann vor die Presse. Sie erklärten, die Auswertung der Filmdokumente habe kein ausreichendes Beweismaterial für eine Anklage ergeben.
Doch die Polizei ging noch einen Schritt weiter. Man habe, erklärte Polizeisprecher Anil Patani damals, die Ermittlungen um Fragen der Darstellung und Bearbeitung des Materials in der Reportage erweitert. Priorität bei den polizeilichen Ermittlungen habe sowohl die Herstellungsweise der Reportage als auch der Extremismus, den die Reportage darzustellen versucht habe. Die Polizei teilte auch mit, dass die Staatsanwaltschaft eine Anklage wegen Aufwiegelung zu religiösem Hass erwäge, und zwar gegen die Filmemacher.

Die Polizei reichte zudem eine Beschwerde bei der Medienaufsicht (Ofcom) ein. Diese, die auch Beschwerden des saudischen Staats und der verschiedenen muslimischen Institutionen gegen »Undercover Mosque« zu untersuchen hatte, wies im November alle Vorwürfe zurück. Sie lobte die Filmemacher für ihre saubere journalistische Arbeit und betonte die Wichtigkeit der Untersuchung. Die Filmemacher entschlossen sich daraufhin, die Polizei wegen Verleumdung zu verklagen. Diese Klage hat nun zu der Entschuldigung und der Kompensationszahlung geführt.
Damit ist der Fall jedoch nicht abgeschlossen. Keith Porteus Wood von der National Secular Society forderte eine weitere Untersuchung, die klären soll, warum die Polizei überhaupt gegen die Filmemacher ermittelte. Migrantische Frauengruppen haben bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass in einigen Polizeistationen Polizisten mit asiatischem Hintergrund sich weigerten, Misshandlungen von ­Frauen als Straftaten zu verfolgen. Immer wieder wurde dabei auch die West-Midlands-Polizei erwähnt.
Dazu kommt, dass »Undercover Mosque« insbesondere über solche Islamisten berichtet hat, die die Unterstützung Saudi-Arabiens genießen. Saudi-Arabien aber ist Großabnehmer britischer Rüstungsprodukte und einer der wichtigsten Öllieferanten. Die britische Polizei ist eigentlich nicht bekannt dafür, besonders schonend mit angeblichen Islamisten umzugehen. Vor zwei Wochen wurden etwa zwei Studenten der Universität Nottingham für sechs Tage inhaftiert, weil sie für eine Forschungsarbeit ein al-Qaida-Handbuch von einer Webseite der US-Regierung heruntergeladen hatten.