Antisemitismus im österreichischen Fußball

Hitlers Erben

Antisemitische Ausfälle haben in österreichischen Fußballclubs eine lange Tradition. Im Vorfeld der EM wurde der Ausschluss Israels gefordert.

Wenige Tage vor Beginn der Europameisterschaft 2008 hat sich trotz versuchter Stimmungsmache wenig am Bild des österreichischen Fußballs geändert. Seit Jahren sorgen im Gastland Österreich diverse Fußballklubs vor allem durch Finanzpleiten und Bestechung für Aufsehen, das Nationalteam zeichnet sich durch miserable Spieler aus, und auch die Fans machen außer durch Nationalismus, Sexismus, Rassismus und Homophobie immer wieder durch antisemitisch motivierte Äußerungen auf sich aufmerksam.
Im Vorfeld der EM 2008 kam vor allem im Zusammenhang mit den Fifa-Sanktionen gegen Israel wegen des Libanon-Kriegs zum wiederholten Mal die Frage auf, warum Israel überhaupt teilnehmen dürfe. Dies führte sogar dazu, dass die israelische Nationalmannschaft ihr Qualifikations­spiel gegen Andorra aus Sicherheitsgründen unter Ausschluss der Öffentlichkeit austragen musste. Dass die Aufnahme in die Uefa gerade aus der Weigerung arabischer Länder, gegen Israel zu spielen, resultiert, ist nur wenigen bekannt und spielt in der Berichterstattung auch keine Rolle. Vielmehr lassen sich weiterhin zahlreiche Auf­rufe, wie beispielsweise jener der electronicintifada finden, die Israels gänzlichen Ausschluss aus allen Verbänden sowie von der EM fordern. Dass Israel die Qualifikation für die EM ohnehin nicht geschafft hat, ändert jedoch auch künftig nichts daran, dass antisemitische Verhaltensweisen in (österreichischen) Stadien nicht an Popularität verlieren.
Dass Antisemitismus nicht auf real existierende Juden und Jüdinnen angewiesen ist, zeigt die Auseinandersetzung zwischen den beiden österreichischen Fußballclubs Austria und Rapid. Da die Austria früher viele jüdische Fans hatte, sehen sich Rapid-Anhänger trotz der Tatsache, dass sich die beiden Clubs heute in Hinblick auf Spielerreservoir, Publikum und politisches Umfeld kaum voneinander unterscheiden, veranlasst, immer noch mit Parolen wie »Haut’s die Juden eini’!« gegen Austria anzutreten.
Auch andere österreichische Fußballclubs stehen dem nicht nach, und so machten im März 2006 Fußballfans des Clubs Bad Boys bei einem Spiel zwischen SKN St. Pölten gegen den Wiener Sportklub mit einer Reichkriegsfahne auf sich aufmerksam. Kurz zuvor hatten die »Braunauer Bulldogs«, die bei Auswärtsspielen gerne den Schlacht­gesang »Wir sind die Jungs aus der Hitlerstadt!« anstimmen, auf die vereinseigene Homepage ein Foto gestellt, auf dem die Bulldogs mit ihrem Transparent und dem Hitlergruß vor dem Eingang des KZ Mauthausen posierten.

Antisemitismus als integraler Bestandteil von Fuß­ball wurde bereits Anfang des 20. Jahrhunderts deutlich, insbesondere im Zusammenhang mit den Teams des Hakoah-Clubs, einem zionistischen Sportverein, der 1909 gegründet worden war. Der Verein konnte sich wegen der anfänglichen Ablehnung der neuen Sportarten von deutsch­natio­naler Seite insbesondere im Bereich Fuß- und Wasserball gut entwickeln. Die Spieler waren jedoch ständig mit Antisemitismus konfrontiert, so waren etwa Angriffe und Beschimpfungen an der Tagesordnung, genauso wie die Ablehnung jüdischer Schiedsrichter oder die Weigerung einiger Vereine, gegen jüdische Mannschaften zu spielen. Bis Ende des 19. Jahrhunderts war in Deutschland und Österreich das als »deutsch« geltende Turnen die vorherrschende Art der »Leibesertüchtigung«, während Ballspiele als »Engländerei« diffamiert wurden.
Nach dem so genannten Anschluss Österreichs wurden »nicht-arische und undeutsche Elemente« aus dem Sportwesen durch Verbot ausgeschlossen, sämtliche Verträge von jüdischen Berufssportlern gekündigt, jüdische Spieler von der laufenden Meisterschaft ausgeschlossen und der österreichische Fußballverband als Gau XVII Ostmark in den Nationalsozialistischen Deutschen Reichsbund für Leibesübungen (NSRL) integriert. In Österreich war auch der als jüdisch geltende Fußballklub Austria unmittelbar von den »Umstrukturierungen« betroffen: Sein Name wurde aufgrund der großdeutschen Sprachregelung, nach der Österreich namentlich nicht mehr vorkommen sollte, in »SC Ostmark« geändert, der jüdische Klubpräsident Emmanuel Schwarz durch einen Nazi ersetzt. Während Austria fortbestand, wurde der Sportklub Hakoah gänzlich aufgelöst, sein Vereinsvermögen beschlagnahmt, der Hakoah-Sportplatz in der Krieau der SA-Standarte 90 zugeordnet, und die Ergebnisse der laufenden Meisterschaften wurden annulliert. Damit fand nicht der jüdische Fußball in Österreich zunächst ein Ende. Den meisten der ehemaligen Aktiven gelang die Flucht ins Ausland, doch viele kamen auch in den nationalsozialistischen Vernichtungslagern ums Leben.
Nach dem Zweiten Weltkrieg kam eine neue Etappe. Insbesondere die Abgrenzung von Deutsch­land in der zweiten Republik forcierte in den ersten Jahren nach dem Krieg ein Aufleben des österreichischen Patriotismus, in dem sich ein »Antigermanismus« breit machte, der sich über Jahrzehnte hinweg durch die unzähligen Niederlagen verstärkte. Dies ging sogar so weit, dass rechtsextreme Österreicher in einem Länderspiel gegen Deutschland im Jahr 1986 in einem Flugblatt den deutschen rechtsextremen Fans den Tod wünschten. Die Verstrickungen der Vereine und Verbände, die während des Zweiten Weltkriegs nationalsozialistisch organisiert worden waren, sind aber nicht nur weitgehend unaufgearbeitet, sondern werden auch gerne verschwiegen.

Zu antisemitisch motivierten Ausschreitungen war es bereits kurz nach Kriegsende gekommen bei einem Spiel der getrennt vom Stammverein geführten Fußballmannschaft der Hakoah, die aus Halbprofessionellen bestand und in der 2. und 3. Liga spielte, gegen Polizei Wien. Ein verordneter Strafschuss gegen die Hakoah-Mannschaft führte zu einer Schlägerei, die von Ausrufen wie »Saujuden« und »Ins Gas mit ihnen« begleitet wurde. Weitere Ausschreitungen folgten bei einem Spiel zwischen dem Brigittenauer Verein AC Sparta und Hakoah im Jahr 1948. Die physischen Übergriffe auf jüdische Spieler und ein parteiischer Schiedsrichter waren der Grund dafür, dass Hakoah nach dem Spiel darauf hinwies, dass es unter derartigen Umständen unmöglich sei, von einem geregelten Sportbetrieb zu sprechen.
Dennoch wurde und wird Antisemitismus kaum als Problem der Mehrheitsgesellschaft wahrgenommen, und so verwundert es nicht, dass auch die Medienberichterstattung oftmals antisemitische Züge aufweist. Ein Beispiel dafür ist das Länderspiel zwischen Österreich und Is­rael am 7. Oktober 2001, das in Israel stattfinden sollte. Die Frage, warum das Spiel angesichts der Gefahr eines möglichen Terroranschlags nicht an einem anderen Ort ausgetragen würde, beantwortete der Fußballkolumnist der Tageszeitung Kurier, Wolfgang Winheim, mit der »Geldgier« der Israelis.