Lukas Resetarits aka Kottan im Gespräch über das Wienerische, den Faschismus und »Kottan ermittelt«

»Vom linken deutschen Humor wird man nicht mal depressiv«

Als Major Adolf Kottan aus der österreichischen Krimisatire »Kottan ermittelt« dürfte Lukas Resetarits vielen deutschen Fans bekannt sein. Er ist aber auch einer der bekanntesten politischen Kabarettisten Österreichs und Sänger der Band Kottans Kapelle. Gegen Lukas und seinen Bruder Willi Resetarits, bekannt als »Ostbahn-Kurti«, war 1995 auch eine der Briefbomben der rechtsextremen »Bajuwarischen Befreiungs­armee« gerichtet.

Sie sind Linker und Kabarettist. Haben Linke Humor?

In Österreich schon. Das Schrecklichste, was es im Kabarett wohl je gab, ist das 68er-Kabarett aus Deutschland. Da ist ein Begräbnis während eines Wolkenbruches im tiefen Schlamm rasend lustig dagegen. Von diesem linken deutschen Humor wird man nicht mal depressiv, weil man ja sowieso schon im Wachkoma liegt. Das hat wohl auch irgendwie mit dem Protestantismus zu tun. Die Deutschen haben ja das Problem, dass sie alles ernst nehmen, was man ihnen sagt. Jeden dummen Spruch muss man ihnen erst mal erklären, bis man irgendwann überhaupt nichts mehr sagt, weil ja jeder Spaß dabei verloren geht.
Andererseits gibt es in Deutschland den Helge Schneider. Ein Gott auf der Bühne. Aber auch der wird oft falsch verstanden und als Klamauk betrachtet, dabei ist das, was er macht, äußerst intelligent.

Von Hans Krankl stammt der Spruch: »Wenn ich einen Deutschen sehe, werde ich zum Rasenmäher.« An was denken Sie, wenn Sie an Deutschland denken?

An die Grenzstation Salzburg-Walserberg. Das hängt mit meinem grundsätzlichen Grenztrauma zusammen. Der Grenzübertritt nach Deutschland war für mich immer etwas Bedrohliches. Ich war früher ein Gammler und in diesem Land nicht willkommen und wurde wegen Bargeldlosigkeit und Nichtübereinstimmung mit dem Passbild oft nicht reingelassen. Das Problem ist, dass es die Dinge, die wir Österreicher an den Deutschen unsympathisch finden, auch in Österreich gibt; wie beispielsweise der Umgang mit den Minderheiten. Die Mischung aus Slawen, Juden, Ungarn und Deutschen, die Wien und das Wienerische ausmacht, auch wenn die Nazis viel davon vernich­tet haben, wird in Österreich ja oft verleugnet.

Sie bezeichnen das Wienerische als Ihr Überlebensmittel gegen Rassismus. Was bedeutet das?

Ich stamme aus einer kroatischen Gemeinde im Burgenland, und als ich mit vier Jahren nach Wien zog, hatte ich plötzlich meine Sprache verloren. Ich wollte aber nicht akzeptieren, dass ich der Idiot bin, der die Sprache nicht versteht. Die anderen waren die Idioten, weil sie nicht verstanden, was ich sagen wollte. Ich hatte mit Kroatien nichts zu tun, allein weil es dort immer schon einen latenten Faschismus gegeben hat. Für meinen Bewusstwerdungs- und Politisierungsprozess spielte es aber durchaus eine Rolle, dass ich aus einer kroatischen Familie kam. Mein Bruder und ich haben oft zu hören bekommen: »Krowoten raus«. Wir haben uns dann selber als »Krowoten« be­zeich­net. Ich habe immer versucht, Sprache provozierend und verunsichernd einzusetzen, bevor es zum körperlichen Kampf kam. Manchmal war aber auch die Sprache schuld daran, dass es zum körperlichen Kampf kam. Mit dem Erlernen des Wienerischen habe ich mir also subversive Mittel angeeignet.

Was ist das Subversive am Wienerischen?

Das ist das, was die Deutschen oft nicht verstehen oder was sie als Wiener Falschheit bezeichnen. Das Subversive am Wienerischen besteht darin, dass man am anderen Ende anfängt zu argumentieren. Es ist das dialektische Denken, das darin besteht, das Gegenteil mitzudenken, zunächst das auszudrücken, was es nicht ist, bevor man sagt, was es ist.

Sie haben schon Anfang der achtziger Jahre Stücke wie »Tschusch-Tschusch« geschrieben, das sich mit dem Problem des Nationalismus unter Österreichern und Migranten beschäftigt. Sie haben es lange nicht mehr aufgeführt. Warum?

Zum einen war es der Untertanengeist, der mich rasend gemacht hat. Das Publikum hat mir alles geglaubt, was ich da oben auf der Bühne gesagt habe. Ich musste denen erst mal beibringen, was Brecht’sches Theater ist. Und zum anderen war es der latente Rassismus. Dem Publikum gefiel es, dass ich die Tschuschen beschimpfte. Sie haben eben nicht richtig zugehört. Ich hab’ selten Sketche unterbrechen müssen, »Tschusch-Tschusch« aber sehr oft, um das Publikum zu fragen, ob ich Applaus von der falschen Seite bekomme. Manche Leute haben sich dann vor mir gefürchtet und überhaupt nicht mehr gelacht. Das war aber o.k., denn ich war bekannt dafür, ein aggressiver Bühnenakteur zu sein. Ich bin oft von der Bühne gesprungen und hab’ eigenhändig Leute rausgeworfen, die mich offensichtlich falsch verstanden haben. Ich versuche mich eben über meine Sprache unverdächtig in die Ohren und Herzen des Publikums einzuschleichen und erst dann zuzuschlagen.

Kanaken-Kabarett ist derzeit sehr populär. Versteht das Publikum heute die Satire, oder lacht es einfach nur über Ausländerwitze?

Sicherlich ist dieses letztere Element auch vorhanden. Aber der satirische Blick auf sich selbst ist sehr wichtig, denn auch die Migranten sind nicht einfach nur Opfer.

In Österreich wird bis heute gerne behauptet, dass man Opfer des deutschen Nationalsozialismus war.

Diese Einstellung hat in diesem Land großes Unheil angerichtet. Bei aller Kritik an den Deutschen, aber ihr Umgang mit der Geschichte war ein anderer, und sei er noch so formal gewesen. Viele alte Kommunisten waren mehr Österreicher als Kommunisten oder Internationalisten, aber das Vorhandensein dieses Widerstandes hat dazu geführt, dass Österreich den Staatsvertrag überhaupt bekommen hat. Der Opfermythos, den man in diesem Jubiläumsjahr wieder zele­briert, ist komplett verlogen. Wenn man sich, um mit der Euro zu sprechen, die Mannschaftsaufstellungen unter Hitler anschaut, dann waren die Österreicher dort sehr gut vertreten.

Sie waren selber lange aktiver Fußballer. Was halten Sie von der Mannschaftsaufstellung der Österreicher für die Europameisterschaft?

Ich habe mich vom Profi-Fußball schon lange entfernt. Einer der Gründe dafür zeigt sich beispielsweise jetzt wieder. Die österreichische Straßenverkehrsordnung wurde geändert, man darf jetzt einen Wimpel am Auto führen. Einerseits stehen mir da die Haare zu Berge. Andererseits finde ich es gut, denn früher musste man in das Auto rein schauen und sehen, ob einer mit verkehrter Baseballkappe und zitronengroßem Kopf drin sitzt, sprich ein Idiot. Heute erkennt man ihn bereits an der Fahne am Auto. Wenn ich nicht tief im Herzen einen Fußball hätte, wäre ich ein militanter Saboteur dieser EM.

Die aktuelle Image-Kampagne Österreichs trägt den Slogan: »Das muss Österreich sein.«

Ja, die ist echt gut. Das Image Österreichs hat sich dadurch sicherlich nicht verbessert. Nur der Scham-Faktor im Ausland ist enorm gestiegen. Meine rechte Schuhsohle hat mehr Charisma als die Politiker, die durch die Welt fahren und für Österreich werben. Dabei täte ihnen eine Image-Kampagne im eigenen Land besser, die beispielsweise in die Bildung investieren würde. Stattdessen hält der Finanzminister Wilhelm Molterer eine Rede zur Lage der Nation, in der er den Sozialstaat als Vollkaskostaat diffamiert. Nicht einmal Schmeißfliegen würden dem zuhören, wenn sie nicht dazu gezwungen würden. Aber ich bin ja ein missliebiger Mensch in Österreich, weil ich Skifahren ablehne. Also bin ich sowieso falsch in dem Land.

Nach Wolfgang Priklopil und Josef Fritzl wirkt die österreichische Image-Kampagne wie eine Satire. Welche Ermittlungen würde Adolf Kottan anstellen, um der Wahrheit hinter diesen österreichischen Verliesen auf die Spur zu kommen?

Adolf Kottan würde sich Dinge einfallen lassen, die dem dreckigen Boulevard das Handwerk legen. Er würde ihm die Arbeit dadurch erschweren, dass er alle möglichen Gesetze ausgräbt, die noch nie zur Anwendung gekommen sind. Der österreichische Boulevard hat einen Einfluss, der selbst von der Bild-Zeitung in Deutschland nicht erreicht wird.

Mit dem Song »Boom-Boom-Boomerang«, einer Satire über die Plattenindustrie, haben Sie 1977 mit der Band Schmetterlinge an der Eurovision teilgenommen. Zur gleichen Zeit lief die Serie »Kottan ermittelt« im österreichischen Fern­sehen. War das die österreichische Antwort auf die ausbleibende Achtundsechziger-Bewegung?

68 hat in Österreich tatsächlich keine große Rolle gespielt. Es gab aber Künstler, Musiker und Filmemacher, die dadurch aufgeweckt wurden, ohne vorher blutige Straßenschlachten durchgeführt zu haben. Das ist irgendwie wieder sehr österreichisch. Es waren eher zufällige und günstige Konstellationen, eine Kreativlücke. Es hat auch irgendwie mit dem Katholizismus zu tun, gegen den man sich wehrte, und mit dem amerikanischen Rock’n’Roll.

Wenn man Ihnen eine Rolle in einem deutschen Krimi anböte, würden Sie die annehmen?

Höchstens als Leiche. Die meisten Angebote würde ich aber ablehnen. Außerdem wäre ich bestimmt ein schwieriger Darsteller, denn einen Klischee-Österreicher würde ich sicher nicht spielen, und die werden sehr oft gewünscht.