Proteste gegen Erika Steinbach an der Universität Potsdam

Vertrieben!

Nach Protesten und dem ersten Polizeieinsatz auf dem Potsdamer Campus wurde eine Vorlesungsreihe mit Erika Steinbach »vorläufig ausgesetzt«.

Um eine bestimmte Interpretation der Geschichte des Zweiten Weltkriegs durchzusetzen, bedarf es nicht nur der Errichtung eines sichtbaren Zeichens – etwa eines »Zentrums gegen Vertreibungen«. Auch in Forschung und Lehre muss sich noch einiges tun. Daran arbeitet offenbar Eckard Klein, Völkerrechtler und Direktor des »Menschen­rechtszentrums« an der Universität Potsdam. Für ein vom Menschenrechtszentrum, dem Histo­rischen Institut der Universität und dem Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte ver­anstaltetes Kolloquium lud er Erika Steinbach, die Vorsitzende des Bundes der Vertriebenen (BdV), nach Potsdam ein.
In vier Veranstaltungen sollte sie über die deut­schen Minderheiten in Ost- und Mitteleuropa vom Mittelalter bis 1945 referieren. Steinbach ist zwar keine Historikerin, aber der BdV plant, im »Zentrum gegen Vertreibungen« ein »Museum der deutschen Minderheiten« zu errichten. Es spricht vieles dafür, dass sie in dem Kolloquium vor allem die Konzeption dieses Museums einem befreundeten akademischen Umfeld vorstellen wollte.
Klein ist nämlich Mitglied im wissenschaftlichen Beirat der Stiftung »Zentrum gegen Vertreibung«. Für den Bundestag fertigte er 2005 ein Gutachten, das »Entschädigungsansprüche« der Vertriebenen belegen sollte. Da solche Ansprüche in Polen und Tschechien nicht durchsetzbar seien, müsse die Bundesregierung dafür aufkommen. Die Umsiedlung der Deutschen bezeich­net er gerne als »Verbrechen gegen die Menschlichkeit«. Diese juristische Kategorie (crime against humanity) wurde für das Nürnberger Tribunal entwickelt, um die Verbrechen des deutschen Ver­nichtungskriegs, deren Dimension vom Völkerrecht bis dahin nicht erfasst wurde, charakterisieren zu können.

Gegen die geplante Vorlesungsreihe mit Erika Steinbach protestierten der Asta, die VVN-BdA und linke Gruppen. Zur Auftaktvorlesung am Dienstag voriger Woche fanden sich etwa 100 Studierende und andere Linke ein. Eine knappe halbe Stunde vor Beginn der Veranstaltung blockierten sie sämtliche Zugänge zum Audimax. Die Veranstalter versuchten, in andere Räume auf dem Campus auszuweichen. Doch die Protestierenden folgten und stellten sich wieder vor die Ein­gänge. Einige Mitglieder des BdV versuchten, unterstützt von Mitgliedern des RCDS, sich mit Gewalt ihren Weg zu bahnen. Als auch das nicht gelang, rief ein Mitglied des RCDS die Polizei. Eckard Kleins Zustimmung zu deren Eingreifen ermöglichte den ersten Einsatz gegen Studierende auf dem Potsdamer Campus.
In voller Kampfmontur gingen daraufhin Beam­te der Landeseinsatzeinheit gegen die Protestierenden vor. Der Asta-Vorsitzenden wurde dabei der Arm derart verdreht, dass sie ärztlich behandelt werden musste. Steinbach war bereits kurz vor dem Eingreifen der Polizei abgereist, und die Veranstaltung wurde abgesagt.
Die Bilder von dem Polizeieinsatz sorgten nicht nur in den deutschen Medien für Aufmerksamkeit. Auch polnische Zeitungen berichteten über die Proteste. Die um ihren Ruf besorgte Universität erklärte am Mittwochabend, die geplanten Veranstaltungen mit Steinbach »vorläufig auszusetzen«.