Reaktionäre Religionskritik

Aufstand der Tiere

Der Streit um das »Ferkelbuch«. Über eine Religionskritik mit reaktionärem Vorzeichen.

Die so genannten neuen Atheisten in den USA wurden im deutschen Feuilleton überwiegend positiv rezipiert, mit einer guten Portion Antiamerikanismus, der zum Main­stream gehört. In God’s own country rege sich endlich Widerspruch, hieß es. In einem Themenschwerpunkt der Jungle World (Nr. 30, 26. Juli 2007) wies Richard Gebhardt kritisch darauf hin, dass Richard Dawkins »rohen Rationalismus« und Wissenschaftsgläubigkeit vertritt.
Amerikanische Linke haben den biologischen Determinismus, der Dawkins’ Religionskritik fundiert, bereits vor Jahrzehnten kritisiert. Dessen Erfolg sollte die Linke auch hierzulande veranlassen, sich kritisch mit Atheismus und der organisierten deutschen Szene auseinanderzusetzen. Denn unter den Stichworten »Religionskritik« oder »Kritik des Christentums« werden allerlei rechte und antisemitische Ansichten zum Besten gegeben.
Religionskritik gehört zur Aufklärung, aber nicht jede Religionskritik ist aufklärerisch. »Gott ist tot«, erklärte Friedrich Nietzsche (1844 bis 1900) und schimpfte auf das Christentum als Vorläufer des Sozialismus, da es die Gleichheit aller Menschen vor Gott predigte. Er wollte die »blonde Bestie« von Hemmungen befreien, damit sie ohne religiös induzierte Schuld­gefühle auf Schwächeren herumtrampeln könnte. Die Völkischen bekämpften die katholische Kirche als Feindin »organisch-verwurzelten« und vermeintlich geistig tiefschürfenden »Deutschtums« und schmähten die jüdische Religion als rationalistisch, formalistisch und verkümmert. Jakob Wilhelm Hauer (1881 bis 1962), Religionswissenschaftler und Anführer der NS-deutschen Glaubensbewegung, propagierte einen heroischen Christus, der das Juden­tum mit seiner Gesetzesstrenge überwunden habe.
Anstelle des Christentums wollte der Zoologe Ernst Haeckel (1834 bis 1919), der Darwins Lehre in Deutschland verbreitete und den Begriff »Ökologie« einführte, eine neue »Religion auf wissenschaftlicher Grundlage« setzen. Auch Haeckel stand weit rechts. Er war Mitglied des Alldeutschen Verbands, der Kolonialgesellschaft und des Flottenvereins. Er teilte die Menschen in »wollhaarige« und »schlichthaarige« »Rassen« ein und wähnte, eine »indogermanische Rasse« habe alle anderen »in geistiger Hinsicht mehrfach überflügelt«.
Anhänger Haeckels gründeten einen Giordano-Bruno-Bund. Der Mönch Bruno (1548 bis 1600), von der Kirche in Rom verbrannt, wurde von den völkischen Vordenkern Paul de Lagarde (1827 bis 1891) und Houston Stewart Chamberlain (1855 bis 1927) gefeiert, später von Hauer und Sigrid Hunke (1913 bis 1999). Die langjährige Ehrenvorsitzende der Deutschen Unitarier-Religionsgemeinschaft (DUR) propagierte ein »Neuheidentum« als »artgemäße« Religion. Dabei wurde und wird Bruno nicht bloß wegen seines Märtyrertums von völkischen Spinnern, Nazis und Esoterikern missbraucht. Sein Pantheismus und der Vorwurf, Judentum und Christentum hätten Magie und Mystik zerstört, bieten inhaltliche Anknüpfungspunkte.

Religionskritik und Dialektik der Aufklärung
Religionskritik ist notwendig, angesichts der Macht, die die christlichen Kirchen immer noch haben, zumal in Deutschland, wo die Trennung von Staat und Kirche auf halbem Wege stecken geblieben ist, angesichts des Islamismus mit seinem antisemitischen Gehalt, aber auch angesichts von Erscheinungen wie dem Hindu-Nationalismus oder der Attraktivität der Esoterik und des Buddhismus, der als vermeintlich »sanfte« Religion verklärt wird, aber in vielen Ländern über Jahrhunderte Ausbeutung und Unterdrückung rechtfertigte oder gar wie der Lamaismus in Tibet selbst praktizierte. Ernst zu nehmende Religionskritik muss jedoch auch die braune Pseudokritik an Christentum, Judentum oder Islam bekämpfen, anstatt Elemente dieser Ideologie zu übernehmen, ihre Vertreter zu rehabilitieren und mit ihnen zu paktieren.
Eine emanzipatorische Religionskritik darf auch nicht positivistisch sein. Für Fortschrittsoptimismus und Wissenschaftsgläubigkeit, die der traditionelle Marxismus teilt, gibt es keinen Anlass – spätestens seit sich die Wissenschaft in den Dienst des Faschismus stellte und die Vorstellung einer immerwährenden Fortentwicklung der Menschheit von der NS-Barbarei widerlegt worden ist. 1947 hatten Adorno und Horkheimer darum analysiert, dass der Fortschritt in Wissenschaft, Technik und Güterproduktion zu einer neuen Metaphysik geronnen sei, dass große Erfindungen einhergingen mit einem Zerfall theoretischer Bildung und so zu einer neuen Barbarei beigetragen hätten. Die »Selbstzerstörung der Aufklärung« sei in ihrem Begriff schon enthalten, sofern die Aufklärung nicht kritisch das »Destruktive des Fortschritts« reflektiere.
Die Kritische Theorie könnte die Grundlage sein sowohl für eine Umweltbewegung als auch für eine Religionskritik auf der Höhe der Zeit. Stattdessen beruht die moderne Ökologiebewegung auf Versatzstücken der völkisch-esoterischen Lebensreformbewegung, während organisierte Religionskritiker braune Traditionen wiederbeleben und jenes »blindlings pragmatisierte Denken« vertreten, vor dem Adorno und Horkheimer gewarnt haben, weil es sich in den Dienst des Bestehenden stellt.

Ein Kinderbuch
Das Bundesfamilienministerium beantragte im Dezember 2007, das Kinderbuch mit dem Titel »Wo bitte geht’s zu Gott – ein Buch für alle, die sich nichts vormachen lassen«, das von Michael Schmidt-Salomon verfasst und von Helge Nyncke illustriert wurde, auf den Index setzen zu lassen. In dem Werk würden Christentum, Islam und Judentum veralbert, hieß es, »insbesondere« werde »der jüdische Glaube durch die bildliche Darstellung und die Charakterisierung der Person des Rabbi verächtlich gemacht«.
Nyncke versicherte, er habe keine antisemitischen Klischees verwendet. Solche seien »in den Köpfen heutiger Kinder im Bilderbuchalter mit allergrößter Wahrscheinlichkeit überhaupt nicht vorhanden«, daher könnten Kinder solche auch nicht assoziieren. Auch Schmidt-Salomon tat solche Vorwürfe als »reines Erwachsenenproblem« ab. Antisemitismus könne in dem Buch nur der entdecken, »der solche Stereo­type bereits im Kopf hat«. Die beiden hätten »nicht ›den‹ Juden dargestellt, sondern bloß einen ultra­orthodoxen Rabbi, der in Bezug auf Kleidung und Haartracht natürlich genauso aussehen muss, wie ultraorthodoxe Rabbis nun mal aussehen«. Warum ein ultra­orthodoxer Rabbi als typischer Vertreter des Judentums karikiert werden musste, obwohl dieser für das moderne Judentum untypisch ist, erklärten Schmidt-Salomon und Nyncke hingegen nicht.
Auch die Kritik, dass Nicht-Juden, anders als in dem Buch behauptet, sehr wohl in Synagogen gehen dürfen, bügelte Schmidt-Salomon ab: »Solche Expertenkommentare liebe ich ganz besonders.« Er habe keine normale Synagoge, sondern »den Tempel schlechthin, das Allerheiligste des religiösen Judentums«, darstellen wollen. Das Allerheiligste des Judentums, sofern es sich in einem Gebäude darstellt, war der zweite jüdische Tempel in Jerusalem, der im Jahr 70 nach Christus von römischen Soldaten zerstört wurde.
Schmidt-Salomon und Nyncke erklären nicht, was Religion ist und was die drei von ihnen attackierten Religionen ausmacht. Der Plot ist äußerst simpel: Ein Igel und ein Ferkel leben glücklich und zufrieden in einem Häuschen im Grünen, bis jemand ein Plakat an der Hauswand anbringt, auf dem zu lesen steht: »Wer Gott nicht kennt, dem fehlt etwas!« Daraufhin machen sie sich auf die Suche nach Gott und gelangen zu einen »Tempelberg«. Dort begegnen sie zuerst einem Rabbi, der sie nicht in die Synagoge lässt, weil dort angeblich nur Juden hineindürften. Er erklärt ihnen, dass Gott, der Allmächtige, nicht nett sei, sondern allwissend und allgütig, und sehr zornig werden könne, wenn man seine Gebote nicht einhält. Zum Beweis erzählt er die Geschichte von der Sintflut. Der Leser sieht einen zornigen Rabbi, die Arche Noahs in der Hand, und in der Wasserflut treiben Babyschnuller und Kinderschuhe sowie eine Schürze und ein Kochlöffel, wie sie auch das kleine Ferkel trägt. Durch diese Darstellung wird die jüdische Religion nicht bloß als »besonders menschenverachtend, grausam und mitleidlos« karikiert, wie das Familienministerium argumentierte, sondern man wird auch an das Stereotyp der jüdischen Kinder­mörder erinnert.
Während der Rabbi ihnen den Zutritt verwehrt, laden der Bischof und der Mufti die Tiere freundlich ein, die Kirche und die Moschee zu besuchen. In der Kirche sind das Ferkel und der Igel irritiert über den gekreuzigten, blutenden Jesus, und der Bischof wird erst zornig, als das Ferkel die Hostien auffrisst. Der Mufti ärgert sich, nachdem das Ferkel und der Igel erklärt haben, nicht fünfmal am Tag beten und sich waschen zu wollen, was Kinder sehr gut nachvollziehen können. In der Begegnung der beiden Tiere mit dem Judentum konfrontiert der Rabbi sie sogleich mit einem strafenden Gott als dem zentralen Glaubensinhalt seiner Religion. Der Bischof und der Mufti reagieren hingegen auf Ferkel und Igel, die durch ihr Handeln, das Petitessen betrifft, den Ärger erst auslösen.
In diesem Kontext wird das Judentum als starre Gesetzesreligion, als besonders brutale, patriarchale Religion mit einem bösartigen, gewalttätigen, eifersüchtigen Gott präsentiert. Dieses Klischee haben einst völkische Propagandisten entwickelt, und feministische Theologinnen und Matriarchatsforscherinnen sowie Franz Alt haben es seit den siebziger Jahren reaktiviert.
Indem das Christentum, der Islam und das Judentum gleichberechtigt nebeneinander dargestellt werden, wird sowohl in der Struktur des Buchs als auch in einzelnen Bildern verdrängt, dass die jüdische Geschichte eine der Diskriminierung, Verfolgung und der Pogrome war. Die Kirche hat die Juden Jahrhunderte lang verfolgt, hat zu Vertreibung, Folter und Massenmord angestiftet, im Islam galten Juden als minderwertige Dhimmis, als Schutzbefohlene, die diskriminierenden Regeln unterworfen waren. Den Koran durchziehen judenfeindliche Äußerungen. Im so genannten Ferkelbuch stehen dagegen die Moschee, die Kirche und die Synagoge auf einem »Tempelberg« einträchtig beieinander. Schon der Name verweist auf den Tempelberg in Jerusalem, und abermals wird Geschichte insofern verdrängt, als die Zerstörung des zweiten jüdischen Tempels ein zentrales Datum der jüdischen Geschichte ist, der Auftakt für Jahrhunderte der Verfolgung. Auch das im Buch zu findende Bild, auf dem der Rabbi, der Bischof und der Mufti gegeneinander handgreiflich werden, suggeriert, das Christentum, der Islam und das Judentum seien gleichermaßen gewalttätig, blendet damit die Geschichte aus und entlastet christliche und muslimische Täter.
Der Verbotsantrag des Familienministeriums bescherte dem Ferkelbuch reichlich Publicity und schließlich Entlastung. Der Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, Stephan J. Kramer, und die meisten Journalisten fan­den das Buch nicht antisemitisch. Der Illustrator nutze zwar »zweifelsohne antijudaistische Stereo­type«, aber »Antijudaismus ist nicht Antisemitismus«, war auf Zeit online zu lesen. Der Antisemitismus muss hierzulande in Springerstiefeln und mit einem Braunhemd daherkommen, um als solcher erkannt zu werden, das zeigte bereits die Affäre um Martin Walsers Paulskirchenrede vor zehn Jahren. Die Bundesprüfstelle lehnte den Antrag auf Indizierung am 6. März ab.

Linke, Rechte und Euthanasiebefürworter
Eine Reihe »säkularer Verbände«, so die Eigenbezeichnung, hatte sich in einer gemeinsamen Erklärung gegen die Indizierung ausgesprochen. Dazu gehörten der Internationale Bund der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA), der mit dem Alibri-Verlag, in dem das Buch erschien, verbunden ist, die Jungdemokraten/Junge Linke Nordrhein-Westfalen, der Zentralrat der Ex-Muslime, einige Gliederungen des Freidenker-Verbandes, dazu der Bund für Geistesfreiheit, eine Gesellschaft für kritische Philosophie, die Deutsche Unitarier-Religionsgemeinschaft (DUR) aus Hamburg sowie Unitates, die DUR-Stiftung.
Ein illustrer Kreis. Ehemalige Nazifunktionäre, insbesondere Mitglieder der Deutschen Glaubensbewegung Hauers, hatten die DUR nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet und bis zu ihrem biologisch bedingten Ausscheiden geprägt. Zumindest was die DUR angeht, ist das Prädikat »säkular« zweifelhaft, allein an ihren programmatischen »Grundgedanken« von 1995 zeigt sich ein naturreligiöser Pantheismus. Der Bund für Geistesfreiheit propagiert Sterbehilfe und sieht die natürlichen Lebensgrundlagen durch »die Bevölkerungsexplosion« bedroht, womit die Gruppe eine zentrale Annahme ökofaschistischer Ideologie aufgreift. Die Zeitschrift der Gesellschaft für kritische Philosophie, Aufklärung und Kritik, hat in einem Sonderheft den australischen Euthanasiepropagandisten Peter Singer gewürdigt.
Als Mitherausgeber der Zeitschrift werden neben Singer und seinem deutschen Anhänger Norbert Hoerster der Kirchenkritiker Karlheinz Deschner, Hubertus Mynarek, früher Referent der DUR und im kürzlich verbotenen rechts­extremen Collegium Humanum in Vlotho, sowie Karl A. Schachtschneider und Ernst Topitsch genannt, beide Autoren der extrem rechten Wochenzeitschrift Junge Freiheit. Der bereits verstorbene Topitsch schrieb auch für die der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) nahe stehende Zeitschrift Aula und beteiligte sich an einer Festschrift für den später als Holocaustleugner verurteilten David Irving, die im extrem rechten Arndt-Verlag erschien. Topitsch behauptete, der deutsche Überfall auf die Sowjetunion sei ein Präventivkrieg gewesen. 2004 ehrte die Kellmann-Stiftung für Humanismus und Aufklärung in München den Ferkelbuchautoren Schmidt-Salomon mit einem »Ernst-Topitsch-Preis«.
Der IBKA, dem Schmidt-Salomon angehört, wurde ursprünglich dem anarchistischen Spektrum zugeordnet. Die Materialien und Informationen zur Zeit (MIZ), eine Zeitschrift des IBKA, bietet den Ideen Singers und Hoersters eine Plattform. Als behinderte und nicht-behinderte Menschen im Februar 1997 einen Auftritt Hoersters an der Katholischen Akademie in Trier verhinderten, weil sie ihn zu den »Bahnbrechern der modernen Euthanasiedebatte« zählten und kritisierten, attackierte die Zeitschrift MIZ die protestierenden Antifaschisten. Die »Behindertenlobbies« schlügen Hoerster »mit der Nazikeule mundtot«, hieß es in einem Leserbrief. Hoerster selbst schrieb in den MIZ von einem »randalierenden Pöbel«, und Hermann Kraus vom Bund für Geistesfreiheit rühmte sich, die »erste Euthanasie-Initiative« in der BRD bereits 1976 gegründet zu haben.

Die Kirchenkritiker
In der Tradition völkischer Kirchenkritiker skizziert der ehemalige Theologie-Professor Mynarek in einem Buch, das 1979 im Verlag der DUR erschien, Jesus als einen Mann, der die »Gesetzesstrenge« überwand, die dem Judentum gern unterstellt wird. Jesus sei keineswegs eine Leidensgestalt gewesen, sondern ein Tatmensch, der »von der jüdischen Buchstabengerechtigkeit« und römischer Macht zerrieben worden sei. Mynarek präsentiert einen heroischen Jesus und zitiert den Nazi Hauer, den er eine »der bedeutendsten Größen der Religionswissenschaft des 20. Jahrhunderts« nennt, über Seiten hinweg zustimmend. Dieses Lob gelte trotz Hauers »theo­retischen Verirrungen während des Dritten Reiches«, betont Mynarek, der selbst die »Massenvertreibungen am Ende des letzten Weltkrieges« beklagt, ohne auf die vorangegangenen Verbrechen der Nazis hinzuweisen. Er definiert das »Volk« im völkischen Sinn als organische Schicksals- und Abstammungsgemeinschaft und predigt ein »Recht auf Heimat«.
Im Jahr 2000 bekam er in den MIZ ein Forum, was Schmidt-Salomon, damals Redakteur, mit einem rechten Kampfbegriff verteidigte: Die MIZ pflegten kein »engstirniges Beharren auf Political correctness«. Mynarek erzählte, er kämpfe für die »Rechte der Tiere und Pflanzen«, und zitierte Deschner, der behauptete, das Leiden der Tiere sei »die größte Tragödie auf Erden«, sodass man annehmen muss, er betrachte dieses Leiden als schlimmer als die Shoah. Diese »Tragödie« habe mit dem Alten Testament begonnen. Ursache sei »der nackte Egoismus einer Viehzüchterreligion«. Man kann das Töten von Tieren ablehnen, und ebenso Tierquälerei als Konsequenz industrieller Produktion von Lebensmitteln unter kapi­talistischen Verwertungsbedingungen. Wer aber die jüdische Religion als Produkt egoistischer Viehzüchter schmäht und für Tierquälerei verantwortlich macht, betreibt antisemitische Agitation.
Mynarek berief sich in den MIZ auf Deschner, weil der in dieser Szene als Referenz genügt und Mitglied im Beirat der IBKA ist. Bekannt wurde Deschner durch seine »Kriminalgeschichte des Christentums«. Er hat auch ein Buch verfasst unter dem Titel »Der Moloch – Eine kritische Geschichte der USA« (1992), in dem er die Gewalt, die US-Regierungen und das US-Kapital im Laufe der Geschichte angewendet haben, gegen die Verbrechen des Nationalsozialismus aufrechnet und zu dem Ergebnis gelangt, die Nordamerikaner seien schlimmer: »Selbst auf dem Gipfel seiner Macht hatte Hitler nicht annähernd so viel Land geraubt wie die Angloamerikaner in der Neuen Welt.« Desch­ner hält den US-Amerikanern vor, dass sie »uns« über Hitler aufklärten, aber verschwiegen, »dass sie ihn selbst finanzierten«.
Seiner Weltsicht zufolge hat der Westen den Aufstieg der Nazis durch die Vereinbarung des Versailler Friedensvertrags selbst veranlasst. Die »Schmach von Versailles« ist ein alter Topos der deutschen Rechten. Auch der Schriftsteller Martin Walser behauptete, der Vertrag, mit dem der erste von Deutschland verursachte Weltkrieg formell endete, sei die Ursache allen Übels. Deschner behauptet, die USA hätten von Großbritannien »die Errichtung eines jüdischen Staates in Palästina« als Preis für den Eintritt in den Ersten Weltkrieg gefordert und eine amerikanisch-jüdische »Hochfinanz« hätte die russischen Revolutionäre gesponsert. Bezeichnend ist, dass Auszüge aus Deschners Werk »Der Moloch« auf der Homepage der extrem rechten Staatsbriefe veröffentlicht wurden.
Der Interviewer der MIZ, Schmidt-Salomon, behelligte Mynarek nicht mit Fragen nach Kontakten zu Rechten, Anthroposophen und Anhängern der Zinsknechtslehre Silvio Gesells. Stattdessen durfte der Theologe rechtfertigen, warum er sein Buch »Die neue Inquisition. Sektenjagd in Deutschland« (1999) im Verlag Das Weiße Pferd veröffentlicht hat, dem Hausverlag der Sekte Universelles Leben (UL). Zur Entschuldigung verwies Mynarek wieder auf seinen »Duz-Freund« Deschner, der auch an Veranstaltungen dieser Sekte teilgenommen habe, um »dieser von den Kirchen verfolgten Minderheit« beizustehen. Mynarek, der IBKA und der Bund für Geistesfreiheit gingen sogar so weit, die Shoah und die Unterstützung der Kirchen für das NS-Regime mit einer angeblichen kirchlichen und staatlichen Sektenjagd in der Bundesrepublik gleichzusetzen. Im Januar 2007 war Mynarek einer von vier Ehrengästen der Sekte Scientology bei der Eröffnung von derem neuen Haus in Berlin.
Neben Mynarek wurde auch Reinhard Wiecho­czek, früher Mitarbeiter der MIZ und Mitglied der Initiative zur Anthroposophie-Kritik, von der MIZ-Redaktion als unbedenklich angesehen. Auf seiner Homepage warb Wiechoczek für so genannte Sterbehilfe, denn die Natur sei »gnaden- und kompromisslos«. Er bezeichnete die USA als dekadent, empörte sich über die Kritik der israelischen Regierung an der Regierungsbeteiligung der rechtspopulistischen FPÖ in Österreich, diffamierte »amerikanisierte Berufsmahner« und forderte eine Entschädigung für »deutsche Zwangsarbeiter in Diensten der Siegermächte«. Bevorzugtes Objekt seiner Vorwürfe war Ignatz Bubis, der damalige Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland. Wiecho­czek rügte dessen »weit überzogenen, eben nicht demokratischen Einfluss« und schimpfte, Bubis habe »immer und überall den Zeigefinger (erhoben) … ohne je auf die Schandtaten Israels einzugehen«. Die Aussagen Wiechozceks wurden in den MIZ als »eine Reihe von äußerst missverständlichen Formulierungen« verharmlost. »Wer den Autor kennt, wird diesem eine solche Einstellung (gemeint ist Antisemitismus, P.B.) nicht unterstellen.« Statt sich mit Inhalten auseinanderzusetzen, schmähte Schmidt-Salomon solche, die Kritik an Mynarek und Singer übten, in den MIZ als »selbst ernannte Faschismusfahnder« oder »antifaschistische Sittlichkeitswächter«.

Nach rechts
In der Folgezeit deklarierte Schmidt-Salomon, man wolle dem »gesinnungsethischen Rigorismus« entsagen, raus aus dem »keimfreien Ghetto linker Gesinnung« und künftig mit der SPD und der FDP kooperieren. Unter der Frage­stel­lung »Sind AtheistInnen die besseren Menschen?« setzte er Nationalsozialismus und Kom­munismus gleich und qualifiziert sie als »politische Religionen«. Man fragt sich, wer Atheis­ten für die besseren Menschen hält, und ob Schmidt-Salomon meint, es gäbe unpolitische Religionen. Den sowjetischen »Staatsatheisten« hält er zu Recht vor, sie hätten Priester verfolgt und ermordet und Kirchen und Moscheen zerstört. Bloß handelten die dezidiert antistaatlichen spanischen Anarchosyndikalisten während des Bürgerkriegs 1936 bis 1939 nicht anders und attackierten die Kirche als Stütze von Feudalismus, Kapitalismus und der Faschisten.
Auch von einer emanzipatorischen Kritik des Islam oder einer Kritik des Islamismus ist Schmidt-Salomon, Mitveranstalter einer »Kritischen Islamkonferenz 2008«, die Ende Mai in der Kölner Universität stattfand, weit entfernt. Wenn er auf »Multi-Kulti-Illusionen« schimpft, kritisiert er den Multikulturalismus nicht, weil dieser unveränderliche homogene Kulturen unterstellt, denen die Individuen zugeordnet wer­den, und insofern dem rechten Begriff des Ethno­pluralismus nahe kommt. Schmidt-Salomon betreibt vielmehr eine rassistisch konnotierte Kritik, wenn er schreibt, Deutschland habe »mit der türkischen Community nicht nur Kebab, Bauchtanz, orientalische Musik, Kunst und Lyrik importiert, sondern auch die ideologischen Keim­­­linge einer Religion, die weit weniger als das europäische Christentum gezwungen war, durch die Dompteurschule der Aufklärung zu gehen«.
Schmidt-Salomon reduziert diese Einwanderer auf Kebab und Bauchtanz, suggeriert eine »ungehemmte Islamisierung« der Migranten und unterstellt damit genau wie der Multikulturalismus bzw. der Ethnopluralismus, türkische Einwanderer seien eine homogene Masse, als gäbe es keine Widersprüche zwischen Klassen, Milieus, Geschlechtern und Generationen, Widersprüche, wie sie sich etwa in einem Zentralrat der Ex-Muslime ausdrücken, der leider die Erklärung zugunsten des unsäglichen »Ferkelbuchs« unterschrieben hat.
Dazu passt, dass Schmidt-Salomon in seinem Werk mit dem pompösen Titel »Manifest des evolutionären Humanismus« (2005), aus dem die zitierten Sätze stammen, die Werte des christ­lichen Abendlandes gegen den Islam in Anschlag bringt. »Das Gemeinwesen der Bürger beruht auf klar benennbaren Verfassungswerten, die als Minimalkonsens das Zusammenleben der Menschen regeln«, doziert er und bezieht sich auf ein »pluralistisch-offenes Menschenbild des Grundgesetzes«, mit dem er einen Säkularismus begründen will. Die Präambel des Grundgesetzes beginnt jedoch mit den Worten: »Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen … «, der Artikel 6 bezieht sich auf Ehe und Familie im christlichen Sinn, und Artikel 7, Absatz 3, schreibt den Religionsunterricht an allen öffentlichen Schulen verbindlich vor. Von Säkularismus keine Spur.

Tierbefreiung und der Mord an Menschen
Was sich seit der Jahrtausendwende im Spektrum des IBKA abzeichnete, war eine Wende nach rechts. Schmidt-Salomon denunzierte Linke pauschal als stalinistische Verbrecher, unterstellte der bürgerlichen Gesellschaft einen zivilisierenden Charakter und legte ein Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung ab. Der Titel des zweiten MIZ-Heftes des Jahrgangs 2001 lautete »Von der Fundamentalkritik zur Realpolitik«, und das schließt unter dem Propagandabegriff Sterbehilfe Plädoyers für den Mord an alten, kranken und behinderten Menschen ein.
Daraus hat sich in diesem Spektrum eine Affinität zur Tierrechtsszene ergeben, die auf Singers Konzepten und der esoterischen »Tiefen­ökolo­gie« beruht. Singer hatte in seinem Buch »Animal Liberation« (1975) den Tierschutz in Richtung Tierrechte radikalisiert, eine vegane Lebens­weise propagiert und Euthanasie und Menschenversuche befürwortet. Zu diesem Zweck suggeriert er grausame Experimente an Tieren und zeichnet geistig Behinderte, vor allem Säuglinge, als Negativfiguren. Die Weigerung, diese Säuglinge anstelle von Tieren zu töten, gilt ihm als Beleg für »Speziesismus«, den er mit Rassismus gleichsetzt. Seine zentrale These lautet: Die Zugehörigkeit zur menschlichen Art sei »kein moralisch relevantes Kriterium« für ein Recht zu leben.
Singer findet keine »bedeutsamen Unterschiede zwischen normalen erwachsenen Menschen und anderen Tieren«. Er verwirft die egalitäre Idee der Würde aller menschlichen Wesen und behauptet, die Idee der menschlichen Gleich­heit breche zusammen, wenn sie mit dem Gedanken konfrontiert werde, dass alle Menschen, »einschließlich Säuglinge, Schwachsinnige, kriminelle Psychopathen, Hitler, Stalin und alle anderen – eine Art von Würde oder Wert haben sollten, den kein Elefant, Schwein oder Schimpanse je erreichen kann«. Im Gegenteil bestimmt Singer, »dass es einige Menschen gibt, die ganz eindeutig unterhalb des Niveaus von Bewusstsein, Selbstbewusstheit, Intelligenz und Empfindungs­fähigkeit vieler nichtmenschlicher Lebewesen stehen. Ich denke hier an Menschen mit schweren und irreparablen Hirnschäden und auch menschliche Säuglinge.«
Neugeborene sind Singer zufolge keine vollwertigen Menschen und haben ausdrücklich »nicht denselben Anspruch auf Leben wie Personen«, nicht einmal wie Tiere. Denn ein Recht zu leben habe ein Individuum nur, wenn es eine Vorstellung von einer fortdauernden Existenz habe, was Säuglingen fehle. Kindsmord ist ihm darum eine Frage des Kalküls: »Sofern der Tod eines behinderten Säuglings zur Geburt eines anderen Säuglings mit besseren Aussichten auf ein glückliches Leben führt, dann ist die Gesamtsumme des Glücks größer, wenn der behinderte Säugling getötet wird.« Singer empfiehlt, sich nicht vom Anblick von Babys beeindrucken lassen, dann »vermögen wir zu erkennen, dass sich die Gründe gegen das Töten von Personen nicht auf neugeborene Säuglinge anwenden lassen«.
Die von ihm popularisierten Begriffe »Speziesismus« und »Tierrechte« – letztgenannter wurde bereits in der NS-Zeit verwendet – sind Grundlage für eine Tierbefreierszene, die sich weltanschaulich überwiegend auf die esoterische »Tiefenökologie« bezieht, die Singer selbst ablehnt. Zu den Essentials der Tierbefreierszene zählt neben Veganismus die Auffassung, die Erde sei überbevölkert mit Menschen. In Gruppen wie Earth First wurden Aids oder Naturkatastrophen gefeiert, die Menschen, die als Parasiten gelten, vernichten. Der norwegische Vordenker der »Tiefenökologie«, Arne ­Naess, sowie Dave Foreman, der Gründer von Earth First, forderten einen Zuwanderungsstopp. Damit vertritt die militant und als links auftretende Szene Ansichten, die dem deutschen Ökofaschismus im Geiste Herbert Gruhls nahekommen.
Im Alibri-Verlag erschien 2007 ein Buch mit dem Titel »Das steinerne Herz der Unendlichkeit erweichen«, nach einem Satz Horkheimers, herausgegeben von Susann Witt-Stahl, die als Mitglied der Gruppe Tierrechts-Aktion-Nord vorgestellt wird, und mit einem Vorwort von Moshe Zuckermann versehen. Die Autoren versuchen, sich von Rechten und von der Esoterik­szene abzugrenzen, was zu begrüßen ist, und bedienen sich der Kritischen Theorie. Ein Unterfangen, das nicht von Erfolg gekrönt sein kann. Witt-Stahl gibt zu, dass Adorno und Hork­heimer nicht die Grundlage für Tierrechte und Veganismus legten. Stattdessen berichtet sie, dass »Adorno sich regelmäßig in ein couch potato verwandelte, wenn eine Folge der amerikanischen Fernsehserie Daktari ausgestrahlt wurde«, wegen der tierliebenden Menschen und weil darin »ebenso süße wie gescheite Tiere namens Judy, Clarence und Toto« auftraten. Dass Witt-Stahl diese Anekdote anführt, ist ein Witz, weil unter Tierrechtlern üblicherweise die Zurichtung von Tieren für den Zirkus und den Film als Quälerei und »Speziesismus« kritisiert wird.
Von Tierrechten analog zu Menschenrechten kann nicht die Rede sein, weil Tiere solche nicht formulieren und für sie kämpfen können. Diese Schwierigkeit umgehen Tierrechtler, indem sie die Unterschiede zwischen Mensch und Tier leugnen und einen so genannten Anthropozentrismus als jüdisch-christliches Erbe attackieren, der den Menschen als Krone der Schöpfung begreift. Indem Menschen mit Behinderungen als weniger wertvoll als manche Säugetiere dargestellt werden, wie von Singer, befördert ein Großteil der Tierrechtsszene eine Bioethik, die nur eine zeitgemäße Version der alten faschistischen Rede vom »lebensunwerten« Leben und von den »Ballastexistenzen am Volkskörper« darstellt, die es auszumerzen gelte. Einige Autoren des erwähnten Sammelbandes eiern um diesen Punkt herum, mehrere distanzieren sich oberflächlich von Singer, weil er ihnen zu bürgerlich ist, aber kaum einer mag von seinen Kampfbegriffen »Speziesismus« und Tierrechte lassen. Christoph Türcke, der – mal wieder und ganz wie Hoerster, Mynarek und Singer – Menschen in die per se rassistische Kategorie »Rasse« einteilt, verharmlost und verteidigt gar den Vordenker.
Halbherzig tadelt Witt-Stahl den in Tierschützerkreisen beliebten KZ-Vergleich, bevor sie sich linke Kritiker vornimmt. Der KZ-Vergleich werde »hysterisch verteufelt, um schließlich für die Verteidigung der Schlachthofgesellschaft instrumentalisiert zu werden«. Das eigentliche Problem bestehe in einem »längst zur sozialen Pathologie gewucherten Philosemi­tismus«. Denn der Holocaust habe sich »zur westlichen Weltreligion entwickelt – zu einem negativen Identifikationsmodell«, wozu eine »kulturindustrielle Verstümmelung« der Shoah, etwa durch die »US-amerikanische Fernsehserie Holocaust«, beigetragen hätte. Darum würden Angehörige der Tierrechtsszene ständig denunziert und stigmatisiert. Dabei habe eine Tierrechtsorganisation wie Peta (People for the ethical treatment of animals), so schreibt Witt-Stahl, »den Holocaust lediglich als Vehikel für ein effektives Marketing benutzt«. Die Kritiker solcher Marketingstrategien aber »moralisieren sich mit der Auschwitz- den Weg zur Gänsekeule frei«.
Witt-Stahl rechnet vor, dass Israel gar nicht der Staat der Shoah-Überlebenden sein könne, weil nur vier Prozent der Einwohner Shoah-Über­lebende seien. Ob die Autorin sich gefreut hätte, wenn es den Nazis 1978, wie beabsichtigt, gelungen wäre, durch Anschläge auf Sende­anlagen zu verhindern, dass der vierteilige Fern­sehfilm »Holocaust« ausgestrahlt wird, entzieht sich meiner Kenntnis. Jedenfalls hat die Ausstrahlung dieser amerikanische Serie dazu geführt, dass erstmals in der Geschichte der BRD in der Bevölkerung eine größere Debatte über den Holo­caust stattfand.

Befreiung von Schuld und Sühne
In den MIZ würdigte Mynarek Giordano Bruno, die Symbolfigur der völkischen Kirchenkritiker, und dessen Pantheismus. 2003 gründete Schmidt-Salomon eine Giordano-Bruno-Stiftung. Anlässlich eines Kolloquiums an der Berliner Humboldt-Universität über Bruno im Frühjahr 2008 berichtete der Tagesspiegel, der Mönch eigne sich für allerlei Projektionen, am deut­lichs­ten verfange sich Schmidt-Salomon in der »Romantisierungsfalle«. Dessen Rede von einer »rationalen Mystik« verweist auf den Einfluss Mynareks.
Schmidt-Salomon proklamiert einen »evolutionären Humanismus« und stützt sich dabei auf Dawkins’ Lehre vom »Egoismus der Gene« und die Neurobiologie, die beweisen würden, dass es keinen freien Willen gebe. Fortschrittliche Wissenschaftler wie Leon Kamin, Richard Lewontin, Steve Rose oder der Anarchist Murray Bookchin bestreiten das. Sie verteidigen die Willensfreiheit als Ergebnis der Evolution und als eines der Merkmale, das den Menschen vom Tier unterscheidet. Dagegen behauptet Schmidt-Salomon, jeder Mensch verhalte sich so, »wie er sich zum gegebenen Zeitpunkt verhalten muss«, darum seien »die Täter stets auch die Opfer der Geschichte«. Er bejaht die selbstgestellte Frage, ob in diesem Sinn auch Hitler »im Grund moralisch unschuldig« sei. Diese Perspektive des »evolutionären Humanismus« biete die Chance, meint Schmidt-Salomon, »aus dem von Rachegedanken geprägten moralischen Automatismus von Schuld und Sühne auszubrechen«.
Dieser Automatismus von Schuld, Sühne und Rache wird im »Ferkelbuch« als das Wesentliche an der jüdischen Religion präsentiert. In seinem Bestseller »Der Gotteswahn« schreibt Dawkins, das Judentum sei »ursprünglich ein Stammeskult um einen einzigen, äußerst unangenehmen Gott, voll krankhafter Versessenheit auf sexuelle Beschränkung, mit einem Überlegenheitsgefühl gegenüber Konkurrenzgöttern und mit der Exklu­sivität des auserwählten Wüstenstammes«. Im Oktober 2007 hat die Giordano-Bruno-Stiftung Dawkins für das Buch mit dem »Deschner-Preis« ausgezeichnet. Der Traktat, in dem Schmidt-Salomon den »Führer« von Schuld freispricht, erschien zuerst in der Schriftenreihe der »Freien Akademie«, die von Mitgliedern der Deutschen Glaubensbewegung, darunter Hauer selbst, gegründet wurde.
Der Kreis schließt sich: Judentum wie Christen­tum stehen mit ihrem Beharren auf der Gleichheit aller Menschen vor Gott und dem Recht auf Leben für alle Menschen gegen Euthanasie, gegen die Auffassung von Dawkins, der Mensch sei ein scheppernder Roboter. Wenn es keine Willensfreiheit gibt, sind Schuld und Sühne metaphysische Spinnereien, und moralisch spricht nichts mehr dagegen, Menschen als »Nicht-Personen« abzuwerten und zu behandeln. Darum verzeichnet eine solcherart motivierte Pseudo-Religionskritik das Judentum in antisemitischer Weise als Strafgericht, wie es Schmidt-Salomon in seinem »Ferkelbuch« tut. Und darum gilt es, diese Sorte Religionskritik genau zu analysieren und zu bekämpfen.

Michael Schmidt-Salomon/Helge Nyncke: Wo bitte geht’s zu Gott? fragte das kleine Ferkel. Alibri-Verlag, Aschaffenburg 2007, 44 Seiten, 12 Euro