Der Telekom-Skandal und die Bandenbildung

Der Pate am Telefon

Der Telekom-Skandal ist ein Beispiel für Bandenbildung. Auf den Staat sollte man nicht vertrauen, die Herrschaft des Rechts und die der Bande sind nicht unbedingt Gegensätze.

Schluss sollte sein mit der »mangelnden Transparenz deutscher Unternehmensführung«. Deshalb hatte das Bundesjustizministerium eine Kom­mission eingesetzt, die im Februar 2002 ihre Ziele in einem »Corporate Governance Kodex« niederschrieb. In der FAZ fragte man sich in der vorigen Woche, wie es trotz dieses Regelwerks in der Wirtschaft zu einer »Bündelung der Skandale mit teils hoher krimineller Energie« kommen konnte.
Vielleicht haben sich die Verantwortlichen bei VW, Siemens und der Telekom einfach an die Grundlagen gehalten, die allein schon die Überschrift des Dokuments liefert: Sie haben Geschäfte gemacht (»Corporate«), sie haben verwaltet, regiert, geherrscht (»Governance«). Und sie haben einen Kodex befolgt. Über einen solchen verfügen auch Gangs und Banden.
In der Tat ist der Skandal bei der Telekom ein gutes Beispiel dafür, wie sich Banden bilden: Der Einzelne schließt sich der Gruppe an, von der er sich den größten Anteil an der Beute erhofft. So taten sich Mitarbeiter der Telekom mit Journalisten zusammen und verrieten Betriebsgeheimnisse. Andere Journalisten sollen eventuell von der Telekom gekauft worden sein, wie der Spiegel berichtet. Ehemalige Beamte der Polizei und der Geheimdienste heuerten als gut bezahlte Sicherheitsleute im Konzern an.
Was in diesem System zählt, sind persönliche Beziehungen. Die Mitarbeiter aus der Sicherheitsabteilung der Telekom kennen nicht nur ihre alten Kollegen von der Polizei, sondern auch die in anderen Konzernen. Man ist loyal: So lässt der ehemalige Leiter der Konzernkommunikation der Telekom, Jürgen Kindervater, derzeit keine Gelegenheit aus, öffentlich die Unschuld seines ehemaligen Vorgesetzten Ron Sommer zu beteuern. Man erweist sich Gefälligkeiten: Nicht rein zufällig wurde René Obermann der Nachfolger seines engen Freundes Kai-Uwe Ricke auf etlichen Posten, so auch als Vorstandsvorsitzender der Telekom. Die Loyalität zählt dabei mehr als die Legalität. Den Mitarbeitern der für die Telekom tätigen Firma Network Deutschland GmbH dürfte klar gewesen sein, dass es ungesetzlich war, Journalisten und Aufsichtsräte auszuspionieren. Doch der Auftraggeber hat es verlangt. Um den gewohnten Gang der Geschäfte auch in Krisenzeiten aufrecht zu erhalten, ist der Bande eben alles recht. Dass die Telekom auch den Auftrag erteilt haben soll, die Bundes­netz­agen­tur, also eine Behörde, zu bespitzeln, ist zwar erstaunlich, aber durchaus konsequent.
Es ist müßig zu verlangen, der Staat möge in einer solchen Lage die Gesetze wahren. Denn die Herrschaft des Rechts und die der Banden können nicht nur nebeneinander bestehen, sie beeinflussen und bedingen sich auch, wie man im Fall der Telekom sieht. Als früherer Staatsbetrieb war sie ein Monopolbetrieb. Der Monopolist muss nicht konkurrieren, er wirtschaftet mit Absprachen, politischem Einfluss oder Erpressung. Diesen Grundsatz haben die Verantwortlichen der Telekom offenbar verinnerlicht. Weiterhin ist der Bund der größte Anteilseigner des Unternehmens.
Was die Telekom in der gesellschaftlichen Konkurrenz um Macht und Beute von gängigen Banden unterscheidet, ist die Wahl der Waffen: Geschossen wurde nicht, stattdessen wurden mithilfe von Computern Daten ausgewertet. Aber wir befinden uns ja auch im 21. Jahrhundert.