Portale »für Frauen«

Willkommen in der Erdbeerlounge

Im Netz gibt es ein neues Portal explizit für Frauen. Es lässt vergessen, dass es je eine Frauenbewegung gegeben hat.

Die Ergebnisse sind eindeutig: Bereits im Jahr 2004 waren nach einer Untersuchung von eMarket 51,6 Prozent der Internetuser weiblich. In den USA waren zu diesem Zeitpunkt, Edison Media Research zufolge, sogar 53 Prozent der Webnutzer Frauen – und da es insgesamt mehr Frauen als Männer auf der Welt gibt, wird sich an der weiblichen Mehrheit im Web auch in den nächsten Jahren nichts ändern.
Mehr Frauen als Männer bloggen. Mehr Frauen als Männer besitzen Spielkonsolen. Mehr Frauen als Männer spielen Onlinespiele. Mehr Frauen als Männer informieren sich bei medizinischen Problemen lieber auf Fachseiten im Internet, als auf Ratschläge von Freunden und Bekannten zu hören. Trotzdem werden Frauen von den meisten Anbietern immer noch als seltsame, tumbe Wesen behandelt, die zum Beispiel technische Ge­räte nur dann benutzen können, wenn sie rosa und möglichst kleinmädchenhaft gestylt sind. »Pink Tech« lautet folgerichtig der Fachausdruck für zum Beispiel mit Menstruationskalender und Swarowski-Glitter ausgerüstete spezielle Frauenhandys oder mit Hello-Kitty-Motiven bemalte Tas­taturen, rosa Playstations und bunte MP3-Player.
Eine repräsentative Studie der Werbeagentur Saatchi & Saatchi vom Ende vorigen Jahres ergab allerdings, dass 91 Prozent Pink Tech gar nicht wollen. Die meisten fühlten sich beim Anblick sol­cher Geräte sogar regelrecht verladen. Statt des üblichen Kleinkinder- oder Edelnuttendesigns wol­len Frauen funktionierende Geräte und Informationen, und zwar klare Informationen, ohne technisches Spezialistengerede. »Frauen haben nämlich in aller Regel keine Zeit zu vertrödeln«, fand Dr. Genevieve Bell von Intel heraus. Intelligente Informationen, klares, edles Design, diese Wünsche von Frauen gelten eigentlich auch für Webseiten – eigentlich, denn dort gibt es seit wenigen Wochen das deutsche Frauenportal Erdbeerlounge.
Hätte man in den fünfziger Jahren einen Verleger gebeten, ein ganz auf die Bedürfnisse von Frauen zugeschnittenes Medium zu konzipieren, herausgekommen wäre das, was gerade im Internet als Erdbeerlounge gelauncht wurde. Womit die Macher der braunrot gestylten Seite ausgerechnet im Zeitalter von Web 2.0 auf ein Frauenbild zurückfallen, wie es aus Illustrierten der fünf­ziger Jahre überliefert ist: Rundum gepflegt kümmert sich die Dame von Welt um die Pflege ihrer selbst und ihres Heims, so dass sie keine kostbaren Gehirnkapazitäten mit überflüssigen Themen wie Politik, Wirtschaft, Finanzen und Informationen vergeuden muss. Kurz, alles, was span­nend ist, wurde in bewährter Arbeitsteilung vom Mann an ihrer Seite erledigt.

In dieser Tradition beschränkt sich auch die Erdbeerlounge auf das Wesentliche: Aussehen und Aussehen. Und wie man aussehen sollte. Die Userinnen werden zwar nicht mehr mit »charmante Leserin« angesprochen, wie es damals üblich war, dafür werden sie als »Erdbeermädels« bezeichnet, die »frech, charmant, witzig, gesprächig, und manchmal auch ein bisschen crazy« sind. Und wohl samt und sonders arbeitslos, denn Themen wie Beruf, Aus- und Fortbildung, Karriere kommen nicht vor. Erdbeermädels sind vielleicht auch nur zu beschäftigt, um arbeiten zu gehen, denn sie müssen sich ständig über die neuesten modischen Entwicklungen informie­ren, alles über Beauty und Wellness lernen, Cellulitis und Hängebrüste bekämpfen, entscheiden, ob Brad Pitt oder Johnny Depp berühmter ist, Männer kennen lernen und sich merken, welche Produkte der »Stiftung Erdbeertest« zufolge gerade angesagt sind. Oder einander im Forum Geschichten aus dem eigenen Leben erzählen, in denen es um die richtige Anmache, Trennungsabsichten und richtige Flirtstrategien geht. Klingt wie das Bravo-Forum, ist es aber nicht, denn die Erdbeermädels wissen immerhin schon längst, dass die einzige große Gefahr beim Küssen nicht etwa darin besteht, ein Kind zu bekommen, sondern dass der Lippenstift verschmieren kann.
Was aber ist das Besondere der Erdbeerlounge? Sind es die Nachrichten, die ausschließlich von weiblichen Top-Promis wie Carla Bruni handeln? Die News sind durchaus aktuell, allerdings definitiv nicht exklusiv, sondern – meist sogar etwas früher – auf jedem Nachrichtenportal, im Videotext, in den Fernsehmagazinen, im Hörfunk und auf den Webseiten der diversen Frauenzeitungen zu lesen, zu sehen, zu hören.

Sind es die mutigen Posterinnen, die trotz Schreib- bzw. Leseschwäche unverdrossen die Mitwelt über ihre gerade aktuellen, nennen wir es, Gedanken informieren? Nein, denn Style-Hilfe­rufe wie den von » jessily2erdbeer« kann man in ungefähr jedem Frauenzeitungs-Forum lesen: »will mir für die hochzeut einer bekannten ne hochsteckfrisur machen lassen.. gibts da ne mög­lichkeit.. die über nacht drinzulassen.. dass sie bis zum morgen hält..? (hab ziehmlich dicke haare) weil ich am nächsten tag keine zeit mehr für frisu u.s.w. habe!« Und für ewig lange Geschichten voller »und dann hat er gesagt« und »dann hab ich gesagt« hätten weder das Internet noch das Forum erfunden werden müssen, denn die kann jeder bei leidlich schönem Wetter draußen auf der Straße alle hundert Meter hören.
Auch die Styling-Tipps reichen in puncto Innovation nicht an die Erfindung des Rades heran und, wenn man es genau bedenkt, nicht einmal an die Erfindung der Wimpernzange. Was gerade angesagt ist, kann man mittlerweile selbst auf der Homepage der langweiligsten Provinzzeitung lesen. Dazu kreist man bei den Erdbeeren nur wenige Tage nach dem Start bereits in einer Endlosschleife um die immergleichen Themen, denn die derzeitige Mode ist nun einmal auf bestimmte Schnitte, Farben, Accessoires und Schminkstile beschränkt. Sind dann vielleicht die hochgeladenen Leserinnenfotos unter der bangen Überschrift »Steht es mir?« das, was die Frauenseite so ganz einzigartig macht? Eher nicht, denn der Spiegel ist bereits seit ein paar Jahrhunderten erfunden, und wer es offline nicht schafft, sich in einem Spiegel anzusehen und zu einem Resultat zu kommen, wird dies online erst recht nicht schaffen.
Es sind die Tests, die normalerweise zum gewünschten Ergebnis führen, weil jede auch nur halbwegs geschulte Leserin von Frauenzeitungen genau weiß, was man ankreuzen muss, um die Bestätigung dafür zu bekommen, dass man mit der Selbsteinschätzung richtig liegt und ganz klar eine sexy Kreative und keinesfalls eine einfallslose Langweilerin ist. Bei den Erdbeeren führen Tests jedoch manchmal zu vollkommen überraschenden Ergebnissen. Der Test » Bist Du so alt, wie Du Dich fühlst?« etwa. Das Ergebnis klingt zwar zunächst positiv: »Herzlichen Glückwunsch! Biologisches und tatsächliches Alter stimmen überein!« Das ist aber gleichwohl sehr erstaunlich, wenn man bedenkt, dass Userin Noella nirgendwo angegeben hat, wie alt sie ist.

Beim ebenfalls erst kürzlich gestarteten englisch­sprachigen Frauenportal Shine ist die thematische Bandbreite ein wenig größer als beim erdbeer­verzierten Mädelhaufen. Was einerseits daher rührt, dass Shine ein Angebot von Yahoo ist und daher aus dessen News-Angebot schöpfen kann, so dass die zur allgemeinen Leserinnendiskussion gestellte »Question of the day« zum Beispiel auf aktuellen Studien oder Umfrageergebnissen basiert und, wie die meisten Artikel, vertiefende Links auf andere Yahoo-Seiten bietet. An­derer­seits hat man bei Shine durchaus auch schon davon gehört, dass die meisten Frauen das Haus nicht nur verlassen, um Kosmetik­nach­schub einzukaufen oder in Promi-Bars auf Mr. Right zu warten, sondern um arbeiten zu gehen. Und so kümmert sich Shine neben dem üblichen Mischmasch aus Modetrends, Kosmetiktipps mit viel Schleichwerbung, Promi-News, Horoskopen, Well­ness-Rubriken und Rezepten ganz explizit auch um das Thema »Work+Money«. Und es geht dort nicht darum, wie man sich fürs Büro schminkt und anzieht, sondern um den persönlichen credit report, das US-Äquivalent zur Schufa-Auskunft, um die besten Strategien für Gehaltsverhandlungen und gegen akute Arbeitsunlust. Was das Angebot allerdings in seiner Gesamtheit kaum weniger hohl macht, die Fifties sind eben überall. Außer da: geeksugar.com.