Das neue »Internationale Maritime Museum« in Hamburg gibt sich unpolitisch

Hakenkreuz ahoi!

Die Stadt Hamburg hat sich sehr groß­zügig gezeigt und für die Sammlung des Millionärs Peter Tamm, ehemals Vorstandsvorsitzender des Springer-Verlags, ein Museum eingerichtet. Schifffahrts­geschichte hat darin mit Politik nicht viel zu tun.

Hamburg bekommt ein neues Museum. Im Rahmen des Ausbaus der Hafencity wird am 25. Juni das »Internationale Maritime Museum« eröffnet – von Bundespräsident Horst Köhler persönlich. Im Rahmen der von der Kultursenatorin Karin von Welck geleiteten Initiative, Hamburg als »Standort« für Kultur aufzuwerten, soll es zu einer Touristenattraktion ersten Ranges werden.
Steht auch im Namen der neuen Institution prominent das Wort »international«, kann man dies von der Konzeption der Ausstellung nicht sagen. Es handelt sich um die private Sammlung zur Schifffahrtsgeschichte des Multimillionärs Peter Tamm, des langjährigen Vorstandsvorsitzen­den des Springer-Verlags. Das Museum zieht in den Kaispeicher B, das älteste Gebäude der Speicherstadt. Mit Steuermitteln wurde das öffentliche Gebäude saniert, und auch künftig muss die Tamm-Stiftung keine Miete zahlen.

Ursprünglich hatte der ehemalige Seekadett Peter Tamm seine über Jahrzehnte zusammengetragene Sammlung von Schiffsmodellen und ‑teilen, Konstruktionsplänen, Waffen, Orden, Uni­formen und vielem mehr in seiner Villa an der Elbchaussee 277 gelagert und dort als »Wissen­schaft­­liches Institut für Schifffahrts- und Marine­geschich­te« privaten Liebhabern und prominenten Besuchern präsentiert. Im Jahr 2002 bekam er auf Betreiben der damaligen Kultursenatorin Dana Horáková nicht nur den Ehrentitel »Professor« verliehen, sondern gründete auch die »Pe­ter Tamm Sen. Stiftung« mit dem Ziel, seine Sammlung in ein Museum mit Archiv und Biblio­thek zu überführen.
Unter Bürgermeister Ole von Beust (CDU) entschied der Hamburger Senat im Jahr 2003, der Stiftung den Kaispeicher B am Rand der Speicher­stadt unentgeltlich zu überlassen und die Einrichtung des Museums zusätzlich mit 30 Millionen Euro zu unterstützen. Im Jahr 2004 wurde der Beschluss bestätigt. Die Stadt leitete die Sanie­rung des Kaispeichers nicht selbst, sondern über­wies die 30 Millionen aus dem Kulturetat Hamburgs an die Tamm-Stiftung, eine Summe, von der Theater, Geschichtswerkstätten oder andere Museen nur träumen können.
Die Sanierung des Kaispeichers B ist mittlerweile abgeschlossen. Dass Hamburg in die Erhaltung eines Industriedenkmals investiert hat, ist verständlich. Nicht einzusehen ist jedoch, warum die Tamm-Stiftung das Gebäude für 99 Jahre in mietfreier Erbpacht erhält – schließlich handelt es sich nicht um eine öffentliche Einrichtung. Der Hamburgische Kunstverein etwa residiert zwar in einem öffentlichen Gebäude, muss aber ganz normal Miete zahlen.

Hier scheint sich das Verständnis des Öffentlichen mit dem des Privaten zu vermischen – eine Vermutung, die sich auch an anderen Stellen aufdrängt. Wirft man einen genaueren Blick auf die Verträge zwischen der Stadt und der Tamm-Stiftung, wird bald deutlich: Hinsichtlich der Gestaltung der Sammlung wurde dem Senat, und das heißt auch der Öffentlichkeit, kein Mitsprache­recht eingeräumt – die gesamte Entscheidungsmacht liegt bei Tamm als dem Vorsitzenden der Stiftung. Darüber klärte das Autorenkollektiv Friedrich Möwe 2005 auf, das sich in der Schrift »Tamm-Tamm« gegen eine öffentliche Unterstüt­zung der Privatsammlung aussprach.
Vor allem im Senat und in der Bürgerschaft ist die Zustimmung zum »Internationalen Mariti­men Museum« groß. Die zustimmenden Parteien betonen vor allem die »Einzigartigkeit« und die »Bedeutung« der Sammlung, allen voran die ehemalige und die amtierende Kultursenatorin.
Sie berufen sich dabei vor allem auf den Umfang der Sammlung, den auch Tamm selbst immer wieder als höchstes Qualitätskriterium herausstellt: 25 000 kleine und 9 000 große Schiffsmodelle, 5 000 Gemälde, 120 000 Bücher und Atlanten, 50 000 Konstruktionspläne, zahlreiche Dokumente, Waffen, Uniformen, nautische Ge­räte und so weiter. Der Hochachtung vor großen Zahlen ist wohl auch die Behauptung geschuldet, die Sammlung sei »von internationaler Bedeutung«. Nach einer wissenschaftlichen Bewertung der Sammlung, die ja zuvor als »wissen­schaft­liches Institut« bezeichnet wurde, sucht man vergeblich. So schrieb auch das Hamburger Abendblatt zum 80. Geburtstag Peter Tamms im Mai weniger über die »großartige« Sammlung selbst als über die Sammelleidenschaft Tamms, dem die Qualitäten eines »Flottenchefs« attestiert werden.

Kritiker und Kritikerinnen bemängeln auch die Zusammensetzung der Sammlung. So vermerkte das Autorenkollektiv Friedrich Möwe im Hinblick auf die Orden, Insignien und Admiralsstäbe aus der Zeit des Nationalsozialismus, etwa von Hitlers Marineoberbefehlshabern Erich Raeder und Karl Dönitz, dass es sich um die dann »wohl größte in Hamburg öffentlich zugängliche Ansammlung von Hakenkreuzen« handeln würde.
Auch die Gruppe »feld für kunst« steht der Sammlung skeptisch gegenüber. Mit Performan­ces und Interventionen verweisen die Künstlerin­nen und Künstler unter der Überschrift »Wo der Krieg wohnt« auf den großen Anteil von Militaria in der Sammlung, die der Öffentlichkeit »un­re­flektiert« vorgesetzt werden. Ihr Hauptkritikpunkt, so berichtete das Stadtmagazin Szene Ham­burg, ist, dass Tamm seine Objekte »für sich sprechen« lassen will, statt die zum Verständnis nötigen Kontexte zu liefern. Zu nennen sind hier vor allem Kriege, Kolonialpolitik und wirtschaft­liche Interessen, welche die Seefahrt immer schon maßgeblich bestimmt haben.
Studiert man die Internetseiten des neuen Museums, stellt man fest, dass solche Themen in den Beschreibungen der zehn »Ausstellungsdecks« zwar angeschnitten, jedoch nie ausführlich behandelt werden: »Die Verknüpfung wirtschaftlicher Interessen mit dem Wunsch, Neues oder Neuigkeiten in die Heimat mitzubringen (…), prägte historische Persönlichkeiten, in deren Leben und Lebensleistungen wir Einblicke nehmen können.« Handfeste imperiale Absichten treten in der Abteilung »Entdecker« also gegen­über einem konventionellen Heldenkult zurück.
Überhaupt stellt sich das Museum absichtlich entpolitisiert dar. Auf den Punkt kommt dies in der Formel: »Schifffahrtsgeschichte ist Mensch­heitsgeschichte«. Eine banale Feststellung – auch die Geschichte des Verkehrswesens und der Architektur beispielsweise sind »Menschheitsgeschichten«. Auf eine scheinbar politisch neutrale menschliche Faszination sollen im Maritimen Museum auch die künftigen Besucherinnen und Besucher reduziert werden: »Der Betracher« soll »dabei sein«, »er wird Passagier« und »er darf unbekannte Ufer betreten«.