Die Arbeitsbedingungen in Fast-Food-Ketten

French Fries im Franchise

Die Arbeitsbedingungen in der Nahrungsmittel- und Gastronomiebranche können auf den Magen schlagen: Die Franchise-Nehmer, die viele Filialen betreiben, müssen sich nicht an die Tarife halten. Einen Betriebsrat zu gründen, ist beinahe unmöglich.

600 Mal in Deutschland. Zwölf Mal in Berlin. Vier Filialen befinden sich in Charlottenburg rund um den Kurfürstendamm, wo hungrige Touristen sich gerne einmal einen Burger oder ein paar Fritten gönnen, bevor sie weiter schlendern und Spaß haben. Zuvor haben sie an der Kasse bezahlt, bei Maria*, für die das Ganze geringere Freude bietet. Aber sie ist froh darüber, dass sie eine Arbeit hat. Immerhin.
Maria hat keinen deutschen Pass. Aber sie lebt seit fast 15 Jahren in Deutschland und spricht neben drei weiteren Sprachen perfekt deutsch. Sie verfügt über eine gültige Arbeitserlaubnis und kämpft seit Jahren dagegen an, als alleinerziehende Mutter mit ihren Kindern vom Jobcenter abhängig zu sein. Jetzt steht sie in einer Filiale von Burger King an der Kasse. Noch! »Es ist ein ständiges Kommen und Gehen«, sagt sie. »Ich schätze, wir sind ungefähr 40, die in mehreren Schich­ten arbeiten. In der Küche, putzen oder eben an der Kasse wie ich. Aber die Fluktuation ist immens. Entweder sie schmeißen dich nach ein paar Monaten raus, oder die Leute gehen von selbst, weil sie es nicht mehr aushalten«, schildert sie ihre Erfahrungen.

Maria bekam einen befristeten Vertrag, nachdem sie einen Tag zur Probe gearbeitet hatte, unbezahlt, versteht sich. Sie zeigt ihren Vertrag, er ver­spricht sechs Euro brutto in der Stunde. »Das stimmt aber nicht«, sagt Maria. »Es ist besser. Wir bekommen 7,05 Euro pro Stunde. Allerdings ist das ein Teilzeitvertrag. Ich sollte nur 20 Stunden pro Woche arbeiten. In Wirklichkeit arbeite ich viel länger, und dann kommt noch der ganze Rest dazu«, fährt sie fort.
Maria klärt über den »Rest« auf: »Man muss sich wegen allem ausstempeln. Wenn man aufs Klo muss zum Beispiel. Und wenn ich fertig bin, dann stempele ich mich aus, muss aber runter und die Kasse zählen. Und die Stornos. Und dann muss ich erklären, warum ich welches Storno hatte. Das nimmt viel Zeit in Anspruch, aber das rechnen sie nicht als Arbeitszeit ab. Ich arbeite immer viel länger als vorgesehen.«
Vom Zählen des Geldes und der Rechenschaft für die Stornierungen abgesehen kommt Maria, so schätzt sie, im Schnitt auf acht Stunden Arbeitszeit am Tag, so wie andere Kolleginnen auch. Für ihren Arbeitgeber hat der Trick, Leute auf Teilzeitbasis einzustellen, aber Vollzeit arbeiten zu lassen, den Vorteil, dass er nur die vertraglich zugesicherten Stunden bezahlen muss, wenn jemand krank wird. Maria erhält aus ihrer Teilzeitarbeit, die in Wahrheit keine ist, ein Einkommen, das nicht zum Leben reicht. Die Differenz, die Maria vom Existenzminimum trennt, bezieht sie weiterhin vom Jobcenter. »So fühle ich mich aber besser, als wenn ich nur die Hand aufhalten würde. Ich will unbedingt arbeiten und meine Familie versorgen. Irgendwann will ich auch mal richtig ankommen in diesem Land und die deutsche Staatsbürgerschaft beantragen«, gibt sie an.
Maria war zuvor arbeitslos. Um kassieren zu dürfen, musste sie einen Vermittlungsgutschein vom Jobcenter vorlegen. »Den habe ich an meinem Arbeitsplatz abgegeben«, sagt Maria. Allerdings bei jemandem von der Firma »JobConsult«, mit dem sie auch den Arbeitsvermittlungs­vertrag abgeschlossen hat, von dem sie eine schlechte Kopie hat. »Erst wollte mir der Mann nicht mal die geben. Da musste ich richtig kämpfen«, erinnert sie sich.

»JobConsult« scheint weder eine Telefonnummer noch einen Ansprechpartner zu haben. Eine Firma dieses Namens findet sich weder im Telefonbuch noch in den »Gelben Seiten«. Maria hat noch Fragen, weiß aber nicht, an wen sie sich wenden soll. Auf jeden Fall besser nicht vertrauensvoll an Burger King selbst! Die Schnellimbisskette steht seit einigen Wochen in der Kritik. »Kameraüberwachung auch bei Burger King?« fragte der Tagesspiegel im Mai erstaunt. Zuvor hatte die Gewerkschaft »Nahrung-Genuss-Gaststätten« (NGG) öffentlich mitgeteilt, dass nun schriftliche Beweise vorlägen, denen zufolge Burger King das Überwachungssystem, das in allen 600 Filialen installiert sei, zur Überwachung und Kontrolle der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nutze. Außerdem habe das Unternehmen eingeräumt, eine Versammlung in einer Münchner Filiale gefilmt zu haben, in der es um die Gründung eines Betriebsrates gegangen sei.
Betriebsräte mag man bei Burger King gar nicht. Obwohl die Kette in der BRD ein großer Arbeitgeber ist, existierten bis Ende 2007 nur wenige. Seither fanden in acht Städten zwölf neue Betriebsräte gewählt, zehn der Wahlen hat Burger King angefochten. Es kam sogar zu fristlosen Ent­lassungen.
Aus diesem Grund zog NGG in den vergangenen Wochen vor einzelne Filialen, um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Burger King unter dem Motto »Bigger – Better – Betriebsrat« über ihre Rechte zu informieren, allerdings nicht in Berlin. »Der Grund dafür ist, dass dort seit 1988 ein Betriebsrat existiert«, sagt eine Sprecherin von NGG auf Nachfrage. »Probleme wie in München gibt es in Berlin also nicht. Der Betriebsrat ist aber nur für die Mitarbeiter der Company zuständig. Die Filiale, in der Ihre Interviewpartnerin arbeitet, untersteht einem so genannten Franchise-Nehmer. Da wird es dann ganz schwierig«, führt die Sprecherin aus.
Das leuchtet ein, denn Franchise-Nehmer, die für das Recht bezahlen, unter dem eingeführten Firmennamen eine Filiale zu führen, betreiben ihr Geschäft ansonsten unabhängig und müssen sich nicht an Tarife oder Standards halten, die mit der Firma – in diesem Fall Burger King – ausgehandelt wurden. Und wenn die Mitarbeiter es schaffen, Betriebsräte durchzusetzen, dann gilt das noch lange nicht für die Filialen von Franchise-Nehmern, und sie stellen in Deutschland mittlerweile die Mehrheit.

Auch dort, wo Maria arbeitet, gibt es keinen Betriebsrat. »Da hat der Chef schlechte Erfahrungen gemacht«, sagt sie. »Er will das nicht. Und das ist der Grund, warum wir alle nur befristete Arbeitsverträge haben und sie uns nach ein paar Monaten wieder rausschmeißen. Ich schätze, dass bei uns höchstens zehn Prozent einen unbe­fristeten Arbeitsvertrag haben. Und nur die dürften sich überhaupt an das Thema wagen«, beurteilt Maria die Lage.
Das ist richtig. Und deshalb sieht es so aus, als setze sich das Franchise-System in der Nahrungsmittelbranche durch. Maria ist verzweifelt, denn sie kann mittlerweile absehen, wann sie sich wieder auf die Suche nach einer neuen Arbeit machen muss. »Ich probier’s dann mal bei McDonald’s«, sagt sie. Hauptsache, sie verdiene ein bisschen mehr und es gebe jemanden, an den man sich wenden könne, wenn man mal Probleme habe. Ob Stammfirma oder Franchise, das ist Maria gleichgültig.

*Name von der Redaktion geändert.