»Die Linke« und die Flüchtlinge

Die Scheinantirassisten

Die Linkspartei ruft zum Protest gegen eine Flüchtlingspolitik auf, die ihr Vorsitzender Oskar Lafontaine vertritt.

Desinteressierte muss man zur Betätigung animieren. Aus Anlass des 15. Jahrestags der faktischen Abschaffung des Grundrechts auf Asyl erließ der Vorstand der »Linken« einen »Aufruf zu Aktivitäten«. Die Mitglieder wurden angehalten, die Demonstration am 5. Juli in Berlin »im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu unterstützen«.
Im Mai 1993 hätten die Abgeordneten aus CDU und CSU, SPD und FDP beschlossen, das Grundrecht auf Asyl faktisch abzuschaffen, nennt der Vorstand als Grund für den Aufruf. Die Vorgeschichte hat man weggelassen: Der unermüdlichen propagandistischen Arbeit des damaligen saarländischen Ministerpräsidenten Oskar Lafontaine war es zu verdanken, dass die von der SPD regierten Bundesländer im Bundesrat der Gesetzesänderung zustimmten.
Bereits als Oberbürgermeister von Saarbrücken hatte sich Lafontaine für Sachleistungen und Sammellager für Asylbewerber eingesetzt. 1990, als im saarländischen Lebach angesichts von 1 400 im Ort lebenden, aus Rumänien geflüchteten Roma Pogromstimmung aufkam, sprach sich der SPD-Kanzlerkandidat Lafontaine für ein härteres Vorgehen gegen »Scheinasylanten« und für eine Änderung des Asylrechts aus. Der Wunsch ging 1993 in Erfüllung.
Das ist lange her. Lafontaine kann zufrieden zurückblicken auf die Anfänge einer Flüchtlingspolitik, der er seither treu geblieben ist. Nachdem die »Asylanten« zahlenmäßig zu einem beinahe vernachlässigbaren Gegner geworden waren, forderte Lafontaine in seiner Kolumne in der Bild-Zeitung im März 2002, den Zuzug von Aussiedlern zu begrenzen. Ebenfalls in der Kolumne verteidigte er 2004 den Vorschlag des damaligen SPD-Innenministers Otto Schily, in Nordafrika Auffanglager für Flüchtlinge einzurichten.
Warum das Ganze? »Wir können nicht zulassen, dass viele Menschen arbeitslos werden, weil das Problem der Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte nicht geregelt ist«, sagte Lafontaine in einem Interview nach seiner »Fremdarbeiter«-Rede im Juni 2005. Auf die soziale Frage folgt die nationale Antwort – dieser Automatismus ist in Deutsch­land bekannt. Lafontaine hat ihn nicht nur in der Flüchtlingspolitik verinnerlicht.
So offenbart sich in dem Aufruf zum Protest gegen eine Flüchtlinspolitik, die der Parteivorsitzende vertritt und die von der Partei geduldet, akzeptiert und unterstützt wird, der Antirassismus der Linkspartei: Er ist ein folkloristisches Bekenntnis, das zu Werbezwecken aufgesagt werden kann. Den wenigen Flüchtlingen, die es trotz des langjährigen Einsatzes Lafontaines und anderer dennoch nach Deutschland schaffen, nützt das freilich nichts.