»Aus alt mach neu« (RTL)

Bin ich schon dünner?

Keine Gnade. Sie sind billig, schnell produziert, sehr erfolgreich, trashig und geschmacklos. Doku Soaps wie »Bauer sucht Frau«, »Schnulleralarm« oder »Die Super Nanny« boomen im deutschen Fernsehen. Gestartet sind gerade die Alm-Soap »Gülcan und Collien ziehen aufs Land«, das Beauty-OP-Spektakel »Aus alt mach neu« und die Ehe-Schnulze »Sarah und Marc crazy in love«. Kann man das ertragen?

»Aus alt mach neu« (RTL). Fettabsaugungen sind kein prickelnder Anblick, aber mittlerweile zu einem festen Bestandteil der Fernsehunterhaltung geworden. Egal wann man durch die Programme zappt, immer stehen die Chancen gut, dass irgendwo gerade eine Reportage zum Thema Schönheitsoperationen läuft und man in eine Fettabsaugung hineingerät. Allerdings war die Kamera bisher so gnädig, das unter dem OP-Tuch liegende Opfer nicht zu zeigen und lediglich den schwer arbeitenden Operateur dabei zu filmen, wie er sich mit einem pürierstabähnlichen Gerät an den Problemgebieten abarbeitet. Mit dieser Diskretion ist es jetzt vorbei.
»Aus alt mach neu« heißt die vorab mit viel Rummel beworbene Doku, in der sich die weithin in Vergessenheit geratene Brigitte Nielsen, Ex-Frau von Silvester Stallone und Männerkalender-Schönheit der achtziger Jahre, einem Operationsmarathon unterzieht. Insgesamt erweist sich Nielsen schon jetzt als absolute Traumpatientin, die tapfer mitarbeitet und alle Reha-Maßnahmen termingerecht erfüllt.
In der ersten Folge stand mit der Fettabsaugung der vergleichsweise harmloseste Eingriff auf dem Programm, während dem die Patientin sogar noch in der Lage war, ein Interview zum aktuellen Schmerzpegel zu geben und den Doktor mit der ständigen Frage »Bin ich schon dünner?« zu Höchstleistungen anzutreiben. Viel reden war bei dem in der zweiten Folge gezeigten und unter Vollnarkose durchgeführten Face Lifting natürlich nicht mehr möglich. »Das tut weh«, erklärte die Frischoperierte lediglich, die sich in der dritten Folge dann noch einer Bauchdeckenstraffung und in der vierten Folge einer Brustverkleinerung unterziehen wird.
Erfahrungsgemäß gehört zu jedem neuen Trash-Doku-Format mindestens ein CDU-Politiker, der die Sendung für »menschenverachtend« hält und ihre Absetzung fordert, woran die Sender aber erfahrungsgemäß nicht mal im Traum denken würden. Nicht anders RTL, das die von CDU-Politikerinnen geforderte Nicht-Ausstrahlung der Nielsen-Show dankend ablehnte, zugleich aber versicherte, auch die Risiken und Grenzen der plastischen Chirurgie darstellen und ein paar Geschmacksgrenzen wahren zu wollen, wobei absolut niemand erwartet, dass man sich ernsthaft daran halten wird.
Großes Ekel-Potenzial jedenfalls hat Nielsens Idee, das ihr abgesaugte Hüftfett in eine Karaffe zu füllen und für einen guten Zweck zu versteigern. Bisheriger Höhepunkt: der Ankauf des schicken Gläschens in der Geschirrabteilung eines Kaufhauses, in dem die mit schwarzer Perücke getarnte Nielsen einer verwirrten Verkäuferin erklärt, welchen appetitlichen Inhalt sie in das Gefäß zu füllen gedenkt. Eins muss man der Soap-Protagonistin lassen: Gelblich-öliges Schenkelfett im Likörfläschchen unter die Leute bringen spielt ungefähr in derselben Liga wie Vaters Asche koksen. Der Trash-Faktor der Sendung liegt also bei nahezu 100 Prozent. Wie aber steht es mit der vom Sender angekündigten aufklärerischen Wirkung?
Wie jeder, der schon einmal eine Reportage über eine Schönheits-OP gesehen hat, weiß, erkennt man den seriösen Arzt daran, dass er seiner Patientin nicht das Blaue vom Himmel verspricht, sondern realistische Angaben über das zu erwartende Ergebnis des Eingriffs macht. Nicht allzu schwer hat man es also, den Chef der Beauty-Klinik, Dr. Sattler, einzuschätzen, der versichert, die von der Patientin angepeilte Verjüngung um ganze 20 Jahre herbeiführen zu können. Jedenfalls sagt er sinngemäß, dass das kein Problem sein sollte, und einen Anflug von Seriosität später rät er dann noch zu viel Sport, gesunder Ernährung und allgemeiner Drogen-Abstinzenz.
Wenn weiter alles nach Plan verläuft, soll in der Dezember-Ausgabe des Playboy das Endergebnis, also die nackte Frau Nielsen, zu besichtigen sein. Billiger für alle Beteiligten wäre es natürlich, noch mal das Playboy-Heft aus den Achtzigern mit den Nielsen-Fotos durchzublättern.