Neonazis und Rocker

Born to be brown

Harte Jungs verstehen sich: Es gibt rege Verbindungen zwischen Neonazis und Rockern. Auch zwei Anfragen im Bundestag und im Berliner Senat hatten die Al­lianz kürzlich zum Gegenstand.

Wenn wie zuletzt 2007 im verschlafenen west­fälischen Ibbenbüren zwei »Bandidos« ein Mitglied der »Hells Angels« ermorden und der Spiegel den »Rockerkrieg auf deutschen Straßen« ausruft, dann besteht zunächst kein Grund zur Beunruhigung. Denn von den Rockerfehden hat in der Regel niemand außerhalb des Milieus etwas zu befürchten, es geht um Territorial­ansprüche, die Ehre und das Geschäft.
Anders verhält es sich, sobald es zu Allianzen zwischen Neonazis und Rockern kommt. Das Anti­faschistische Infoblatt (AIB) berichtet seit längerer Zeit über die in vielen Orten der Bundes­republik entstandene Verbindung von Rockern und Rechtsextremen, sucht aber auch das Gespräch mit der Rockerszene. So veröffentlichten das AIB und das Zentralorgan der Bikerszene, die BikersNews, ein Streitgespräch, das sie miteinander geführt hatten.

Wenn es hier um Rocker geht, sind selbstverständlich nicht alle Motorradfahrer gemeint, die gerne Lederjacken tragen, sondern die Mitglieder organisierter Motorradclubs (MCs). Die einflussreichsten, bundesweit oder sogar international bekannten Clubs sind die »Hells Angels«, die »Bandidos« und der »Gremium MC«. Ihnen zur Seite steht noch eine Reihe so genannter Supporterclubs. Zudem gibt es neben einer Vielzahl von regionalen Clubs noch den »Born to be wild MC«, der eine überregionale Struktur besitzt. Den Hells Angels, den Bandidos und dem Gremium MC werden Verbindungen zu Rechts­extremisten und – viel entscheidender – zur ­organisierten Kriminalität nachgesagt. Mitglieder und ganze regionale Unterabteilungen dieser Clubs, so genannte Chapter, verüben immer wieder Delikte wie Waffen- und Drogenhandel, Schutzgelderpressung und Straftaten, die der Rot­lichtkriminalität zugeschrieben werden.
Was die Rockerszene bei Neonazis so beliebt macht, ist neben dem ausgeprägten Hang zum Recht des Stärkeren, zu gewalttätigem Territorial­verhalten, Soldatenethos und »Kameradschaft« vor allem die Infrastruktur. Rocker bieten mit Club­häusern, Lokalen und ihrer schützenden Hand den möglichen Raum für Rechtsrockkonzerte und Tattoo-Studios. So klebte der Besitzer eines mitt­lerweile geschlossenen Neonaziladens in der Ham­burger Talstraße einen Sticker mit der Aufschrift »Big Red Machine« – ein Code für die »Hells Angels« – an sein Geschäft, um mögliche Gegner abzuschrecken. Denn für Antifaschisten macht es einen erheblichen Unterschied, ob sie nur Rechtsextreme gegen sich haben oder auch mafiöse Rocker.

Kommt es zu dieser Verbindung von Neonazis, Rockern und Hooligans, die von Männerfreundschaften, einem ähnlichen Weltbild und gemeinsamen geschäftlichen Interessen zusammen­gehalten wird, bezeichnen der Verfassungsschutz und viele mit dem Thema befasste Journalisten dieses Konglomerat als »Mischszene«. Präziser müsste von »Szenevermischungen« gesprochen werden, wie das AIB in einer Schwerpunktaus­gabe zu diesem Thema feststellt, da sich keine neue Szene mit eigenen Verhaltenskodizes herausgebildet hat. Diese Szenevermischungen bestehen vor allem in Ostdeutschland und werden bei der gemeinsamen Organisation und dem gemeinsamen Besuch von Rechtsrockkonzerten erkennbar.
Rechtsrockkonzerte auf den Geländen von Motorradclubs sind aber keine lediglich ostdeutsche Erscheinung. Im Jahr 2005 gab es nach Angaben des Verfassungsschutzes acht Rechtsrockkonzerte auf einem Grundstück der Bandidos in Mannheim. Bereits 2002 gab es Berichte über Konzerte, auf denen bereits die gleichen Bands auftraten. In Bremen besuchten Mitglieder der Hells Angels und des Gremium MC eine Feier im Umfeld der rechtsextremen Hooligangruppe Standarte. Beide Clubs sollen in der Re­gion Bremen auch Konzerte mit der rechten Hooliganband Kategorie C veranstaltet haben.
Neben der Verbindung von Rockern und Rechts­extremen, die sich aus gemeinsamen kommer­ziellen Interessen ergibt, zieht es immer wieder ältere Mitglieder rechtsextremer Organisationen und Skinheads zu den großen MCs. Das prominenteste Beispiel ist der Rechtsextremist Andreas »Oswald« Pohl. Er war Anfang der Neunziger einer der Anführer der militanten Neo­nazis in der Bundesrepublik. Pohl trat in Dresden dem Gremium MC bei. In Berlin rekrutiert sich das Chapter Darkside, das zu diesem Club gehört, aus Personen, die führende Posten in der 1995 verbotenen FAP innehatten und später Konzerte rechter Metalbands veranstalteten.
Große Rockerclubs und die zu ihnen gehörenden Geschäftsfelder bieten gerade schlecht aus­ge­bildeten Personen eine ökonomische Perspektive. Durch den Anschluss an einen schlagkräftigen MC können Deutsche in bestimmten Geschäftsbereichen tätig werden, ohne von ihren Konkurrenten gewaltsam verdrängt zu werden. Gerade im kriminellen Milieu ergibt sich die Konkurrenz häufig anhand ethnischer Kriterien, wie der so genannte Türsteherkrieg in Leipzig gezeigt hat (Jungle World 13/08). Rockergruppen bringen mit ihren Ritualen und ihrer Gewaltbereitschaft die richtige Voraussetzungen mit, um als mehrheitlich deutsches Racket in diesem Bereich erfolgreich bestehen zu können.

Zwei kleine Anfragen im Bundestag und im Berliner Senat sollten die Einschätzung staatlicher Behörden zum Verhältnis von Rockern und Rechtsextremen zu Tage fördern. Die Bundestags­abgeordnete Ulla Jelpke (»Die Linke«) stellte acht Fragen, von denen vier gar nicht beantwortet wur­den. Zudem wurden detaillierte Auskünfte mit dem Hinweis verweigert, ihrer Erteilung stünden »operative Gründe entgegen, da die rechtsextreme Szene Rückschlüsse auf den Erkenntnisstand der Sicherheitsbehörden ziehen könnte«.
Detaillierter antwortete der Berliner Innen­senat auf eine ähnliche Anfrage der Abgeordneten Clara Herrmann (Bündnis 90/Die Grünen). In Berlin gebe es elf Männer aus der etwa 400 Per­sonen zählenden Rockerszene, die früher »in der rechtsextremistischen Szene verkehrten«. Sie stammten aus dem Chapter Darkside des Gremium MC und der Nordischen Bruderschaft, einem Supporterclub der Bandidos. Es gebe zudem Hinweise darauf, dass die Mitglieder der Nordischen Bruderschaft »rechtsextremistisch motivierte Straftaten« verübt hätten.
Drei Lokale in Berlin-Neukölln und Berlin-Lichtenberg werden nach Auskunft des Innen­senats von Rechtsextremen und Rockern gemeinsam besucht. Bei den Lichtenberger Kneipen dürfte es sich dabei um das »Berliner Fußball-Café« und den »Germanenhof« handeln. Das Neuköllner Lokal ist vermutlich der »Titty Twister«, der dem »Born to be wild MC« nahe steht. Auf der Internetseite des »Titty Twister« befindet sich die Fotogalerie einer »AC/DC Night BTBW MC Berlin«. Als Gäste der Veranstaltung sind zwei ehemalige Kader des »Märkischen Heimatschutzes«, Christian B. und Gordon R., zu sehen.
Merkwürdigerweise wurde in der Antwort des Berliner Innensenats nicht das »Musik-Café« in Berlin-Pankow erwähnt. Diese Kneipe gilt als das Lokal der Bandidos, in dem neben Rockern der Nordischen Bruderschaft und des Wild Viking MC auch die Pankower Naziszene zu Trink­gelagen erscheint. In der näheren Umgebung des Lokals finden sich unzählige Aufkleber mit rechten Parolen. Am 24. Februar stürmten Rechts­­extreme aus dem »Musik-Café« und griffen alternative Jugendliche mit Schlagwerkzeugen an.
Doch es geht auch ganz anders, wie BikersNews in der Ausgabe vom Februar dieses Jahres berichtete: »Als Don Didi, President des Bandidos MC Kastellaun, vernahm, dass sich 40 Neonazis in einer Kastellauner Kneipe treffen wollten, machte er dem Veranstalter klar, dass so etwas nicht geht. Innerhalb von zehn Minuten war die Wirtschaft geschlossen.«