Ein bisschen Folter

Insgesamt 45 Angeklagte, 15 Verurteilungen zu Gefängnisstrafen von fünf Mo­naten bis fünf Jahren, 30 Freisprüche. Das sind nur einige Zahlen im Prozess gegen Gefängnismitarbeiter, Ärzte und Polizisten wegen Amtsmissbrauchs, Gewalt und Misshandlungen von rund 250 Demons­tran­ten in der Polizeikaserne von Bolzaneto während des G8-Gipfels in Genua im Juli 2001. Das erstinstanzliche Urteil, das am Montagabend gefällt wurde, war für viele Betroffene enttäuschend. Nachdem die Staatsanwälte in ihrem Schlussplädoyer die Bolzaneto-Kaserne als »Höllenkreis« beschrieben hatten, in dem Folter verübt worden sei, hatten viele auf ein härteres Urteil gehofft. Diese Hoffnung war allerdings vollkommen unberechtigt, denn im italienischen Strafrecht ist »Folter« als Straftatbestand nicht vorgesehen. Und dass es überhaupt zu einem Urteil in erster Instanz gekommen ist, kann man als Erfolg betrachten. Ende Juli will die Regierung von Silvio Berlusconi eine Justizreform endgültig verabschieden, die ein einjähriges Moratorium für Prozesse für Vergehen vorsieht, die vor Mitte 2002 begangen worden sind. Dies betrifft nicht nur ein Korruptionsverfahren gegen den Ministerpräsidenten, sondern unter anderem auch die Genua-Prozesse. Wenn die Reform in Kraft tritt, wird ein weiterer Genua-Prozess gegen 29 Polizisten und führende Beamte wegen der Razzia in der Diaz-Schule mit großer Wahrscheinlichkeit nicht abgeschlossen werden. fm