Frauentausch« (RTL II)

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Keine Gnade. Sie sind billig, schnell produziert, sehr erfolgreich, trashig und geschmacklos. Doku Soaps wie »Bauer sucht Frau«, »Schnulleralarm« oder »Die Super Nanny« boomen im deutschen Fernsehen. Gestartet sind gerade die Alm-Soap »Gülcan und Collien ziehen aufs Land«, das Beauty-OP-Spektakel »Aus alt mach neu« und die Ehe-Schnulze »Sarah und Marc crazy in love«. Kann man das ertragen?

»Frauentausch« (RTL II). »Germany’s Next Topmodel« ist seit einiger Zeit vorbei – doch bevor man jetzt am Donnerstagabend in ein tiefes Loch fällt, erinnert man sich schnell daran, wohin man zwischen den Werbeblocks gezappt hat: von den von Heidi Klum penetrant als »Mäd­chen« titulierten Kandidatinnen in ihrer Gla­mour­welt auf Pro Sieben rüber zu den Gammelwelten des Frauentauschs auf RTL II. Dieser Sender weiß wohl auch um die Zapper und ahnt seine Quotenchance: Mitten im Sommerloch startet diese Woche die neue Staffel mit brandaktuellen Folgen von »Frauentausch«, in denen von zwei unterschiedlichen Familien jeweils ein Familienangehöriger für zehn Tage »ausgetauscht« wird.
Quotentechnisch ist wohl auch ohne die »GNTM«-Waisen die Sendung eine Bank für den Münchner Sender, und so ist der gleich auf der Startseite der RTL II-Homepage geschaltete Trailer zur neuen Staffel ganz Geste des Stolzes: »Wir haben sie gesucht – und wir haben sie alle gefunden. Neue Frauen zum Tauschen.« Welche »Frauen zum Tauschen« RTL II da genau gesucht hat, wird im Trailer deutlich.
Dort wird die Tür zu einem Jugendzimmer lautstark aufgerissen, im Bett räkelt sich ein Teenager und wird von einer hereinrasenden, vollschlanken Furie angeschrien: »So! Aufstehen, aus dem Bett raus! Isch geh’ den ganzen Morgen arbeiten, und du liegst noch mit’m Arsch im Bett! Du hasse doch wohl nit alle!« Ob es sich jetzt hierbei um die so genannte Tauschmutter des Teenies handelt oder um die leibliche, ob vielleicht der Teeny gar selbst die »Tauschmutter ist«, wird man wohl erst erfahren, wenn man ab 17. Juli RTL II einschaltet. Und wahrscheinlich wird man das sogar tun.
Denn in der Tat hat dieses Format nicht nur unterhaltende Züge, die zum üblichen Trash-TV-Konsumverhalten führen: Chips futternd auf dem Sofa liegen, niederen voyeuristischen Trieben frönen, sich innerlich über all die Idioten und Freaks überheben, die sich zum Horst machen. Dieses Unterhaltungsprinzip griff vor allem bei den ersten Folgen »Frauentausch«, die noch viel extremer auf das Ausstellen von Kontrasten konzentriert waren, als es in den jüngeren Episoden der Fall ist. Da wurde die streng gläubige Mama mit der Atheistin getauscht, die sexy Blondine mit der eifersüchtigen, etwas moppeligen Brünetten, die Striptease-Queen mit dem Funkenmariechen – und, um den Titel der Sendung ad absurdum zum führen und sich keine heteronormen Geschlechtsvorstellungen unterstellen lassen zu müssen, standen bei der einen oder anderen Tauschfamilie auch mal der Hausmann oder der homosexuelle Partner vor der Tür. So weit, so unterhaltsam.
Meist reichten die unterschiedlichen Lebenswelten der jeweiligen Getauschten aus, um ordentlich für Konfliktstoff zu sorgen. In der legendären Folge 112 kam es sogar zu Handgreiflichkeiten zwischen den Tauschmüttern, die immer am Ende des Experiments aufeinandertreffen.
Inzwischen aber gibt es ein interessantes Phänomen zu beobachten: Die Freak-Show hat sich über die Zeit immer mehr zur (pseudo‑)mora­li­schen Anstalt entwickelt. Überspitzt formuliert: Die Tauschmutter aus der etwas weniger kaputten Familie belehrt die Familienmitglieder der komplett gestörten Familie. Dabei scheint die jeweilige Lehrmeisterin alles in die Tat umzusetzen, was sie aus dem Sammelsurium der Berater-Doku-TV-Formate gelernt hat: Da werden Stylingtipps à la »Bruce« gegeben, Putztipps wie beim RTL-»Hausfrauenstreik«, Einrichtungsvorschläge werden gemacht, wie sie Tine Wittler in »Einsatz in vier Wänden« manchmal nicht besser geben könnte, Beziehungen werden in Frage gestellt, wie man es bei der unerträglichen Susan in der RTL-»Familienhilfe mit Herz« be­obachten kann, Finanzkonzepte werden erstellt, als wäre man in Peter Zwegats »Raus aus der Schuldenfalle«.
In gewisser Weise also macht RTL II eine Hommage an das Doku-Soap-Genre – indem der Sender jeweils eine der Tauschmütter anwenden lässt, was sie im Trash-TV, vor allem aus der RTL-Familie, lernen konnte.