Die Anklage gegen den sudanesischen Präsidenten

Mehr Gewalt

Die Anklage gegen den sudanesischen ­Präsidenten ist ein Aufruf zum regime change.

Manche Juristen nehmen ihren Job ernster, als es ihren Auftraggebern lieb ist. Luis Moreno-Ocampo gehörte Mitte der achtziger Jahre zu den Anklägern in den Prozessen gegen Mitglieder der argen­tinischen Militärjunta. Seine Berufung zum Ankläger des International Criminal Court (ICC) im Jahr 2003 war unumstritten, doch am Montag erhob er Anklage gegen den sudanesischen Präsidenten Omar al-Bashir wegen Genozids und Verbrechen gegen die Menschheit. Damit könnte das erste Verfahren gegen einen amtierenden Regierungschef vor dem ICC beginnen. Der UN-Generalsekretär Ban Ki-moon betonte zwar die Unabhängigkeit des Gerichts, sagte jedoch, er sei »sehr besorgt« wegen der drohenden »Konsequen­zen für die friedenserhaltenden Operationen«. Vorbehaltlose Unterstützung sieht anders aus.
Bashirs National Congress Party drohte offen, eine Anklage werde zu »mehr Gewalt« führen. Die in Darfur tätigen Hilfsorganisationen und die Unamid, die von Soldaten der Uno und der Afrika­nischen Union (AU) gebildet wird, haben ihre Operationen bereits stark reduziert. Das Statut von Rom, die Rechtsgrundlage des ICC, gestattet dem Sicherheitsrat, die Anklage für ein Jahr zu suspendieren. Diese Lösung kommt wohl nicht in Frage, eher dürfte man Bashir versichern, dass niemand daran denkt, ihn im Sudan zu verhaften. Ohnehin nicht reisefreudig, hat der Diktator derzeit wenig zu fürchten. Sein Regime wäre jedoch entlegitimiert, die Anklage wirft eine für das internationale Recht neue Frage auf: Kann ein per Haftbefehl gesuchter Regierungschef rechtsgültige Verträge unterzeichnen?
Da sowohl mit den Guerillagruppen in Darfur als auch mit der SPLM im Südsudan verhandelt wird, ist das kein akademischer Disput. Ohnehin spricht vieles dafür, dass die islamistischen Generäle Verträge nur als Vereinbarungen temporärer Feuerpausen sehen, aber nicht bereit sind, Macht und Pfründe zu teilen. Mit der Anklageerhebung könnten sich für Bashir taktische Rück­sichten erübrigen, in Darfur, aber auch im Süd­sudan droht eine Eskalation.
Die Uno ist darauf nicht vorbereitet. Eigentlich sollten sich am 1. Januar 2008 in Darfur 26 000 Soldaten und Polizisten einfinden, viel zu we­nige für die Kontrolle eines Gebiets von der Größe Frankreichs. Gekommen sind bislang nur 9 500, denn das Engagement entspricht nicht ganz dem Eifer bei der Verurteilung Bashirs. Das ist nicht Moreno-Ocampos Schuld, doch faktisch ist die Anklage ein Aufruf zu einem regime change, den die »internationale Gemeinschaft« nicht durchsetzen will und die sudanesische Opposi­tion derzeit nicht erkämpfen kann. Das weiß auch Ba­shir, der nun wohl weiter über »nationale Souveränität« dozieren wird, während überforderte Blauhelme seine Milizen nicht an weiteren Massakern werden hindern können.