»Wohnen nach Wunsch« (Vox)

Public Bauen

Keine Gnade. Sie sind billig, schnell produziert, sehr erfolgreich, trashig und geschmacklos. Doku Soaps wie »Bauer sucht Frau«, »Schnulleralarm« oder »Die Super Nanny« boomen im deutschen Fernsehen. Gestartet sind gerade die Alm-Soap »Gülcan und Collien ziehen aufs Land«, das Beauty-OP-Spektakel »Aus alt mach neu« und die Ehe-Schnulze »Sarah und Marc crazy in love«. Kann man das ertragen?

»Wohnen nach Wunsch« (Vox). Sie kamen. Erst waren es nur Mütter mit Kindern. Dann ein harter Kern. Dann kamen die Männer. Und jetzt ist jeden Tag die Bude voll.
Eine Erklärung? »Ich hatte für die Europameisterschaft eine Leinwand mit Beamer gemietet«, erzählt Heinz Woch­nowski, Chef des Biergartens »Zur Molli« im derzeit angesag­testen Stadtteil Berlins, Nord-Neukölln. »Während der Spiele hatte ich ganz ordentlich zu tun, ich sag’ mal, sehr ordentlich.«
Ausruhen war aber nicht, und das kam so: Am Montag nach dem Endspiel sollte die Verleihfirma Beamer und Leinwand wieder abholen. Doch dazu kam es nicht, der zuständige Mitarbeiter lag mit Grippe im Bett. Die Abholung sollte daher erst Ende der Woche erfolgen.
Dienstag nachmittag war dann wenig los, und die Aushilfskellnerin schaltete mehr aus Langeweile einfach mal den Apparat ein und ließ ihre Lieblingssendung laufen: »Wohnen nach Wunsch« mit Enie van de Meiklokjes, die beliebte Deko-Sendung. Vorbeifahrende Mütter wunderten sich über das Programm im Biergarten. Sie blieben stehen und schauten zu. Spielplatz? Kann warten.
Immer mehr Gäste fanden sich ein. So wie Anett, eine junge Grafik-Designerin, die ihr Familienleben aus der Drei-Zimmer-Wohnung in die »Molli« verlegt hat: »Ich hab’ das zu Haus auch immer geschaut, aber hier, mit all den Leuten, das ist viel schöner.« Und es stimmt: »Wohnen nach Wunsch« ist extrem beliebt und hat eine solide Einschaltquote.
Ihr Mann Costas weiß: »Bei uns in Griechenland haben wir das schon immer so gemacht – der Fernseher steht auf der Straße, und die Leute kommen.«
Berlin, die Stadt am Mittelmeer. Die gute Witterung macht’s möglich. Mit dem Verleiher des Beamers wurde nun ein langfristiger Vertrag geschlossen. Dem kranken Mitarbeiter hat Heinz einen Fleurop-Strauß zukommen lassen – und: »Der hat hier erstmal Freibier.«
Auch den Kindern gefällt das Miteinander, bei dem sie neue Spielkameraden kennen lernen können, während sich die Eltern zwanglos und entspannt unterhalten. »Das ist wie ein großer Spieli (Neu-Berlinerisch für Spielplatz, Anm. d. Red.) hier«, sagt Anett.
Seitdem tummeln sich die Leute in Heinz’ Biergarten. Der Umsatz stimmt, »obwohl nicht so viel Alkohol gesoffen wird, die stehen mehr auf Fanta und Bionade«, sagt Heinz.
Dass aber das Vorabendprogramm mal public-viewing-tauglich würde, das hätte sich nicht mal der alte Kneipenhaudegen gedacht.