Streit um ein geplantes jüdisches Museum in Köln

Kölsche Sperenzkes

Am Rathausplatz im Zentrum Kölns soll ein Jüdisches Museum entstehen. Alles schien bereits klar. Doch plötzlich kritisieren die Stadtoberen die Pläne und werden von der Lokalpresse unterstützt.

Die in Köln lebende Autorin Ingrid Strobl, bekannt durch zahlreiche Veröffentlichungen zum jüdischen Widerstand, bezeichnet die Debatte um den Bau eines jüdischen Museums im Gespräch mit der Jungle World als »Provinzposse«. Tatsächlich reicht es aus, sich die chronologische Abfolge der Ereignisse anzuschauen, um ihr zuzustimmen.

Bereits seit dem Jahr 1996 macht sich ein Förderverein für den Bau eines »Hauses und Museums der Jüdischen Kultur« in Köln stark. Die jüdische Gemeinde dort gilt als die älteste nördlich der Alpen – die Zeugnisse gehen bis ins Jahr 321 zurück. Das Vorhaben soll mit privaten Mitteln und mit der Hilfe von Sponsoren Wirklichkeit werden. Nicht irgendwo in Köln soll das Museum entstehen, sondern im Zentrum des mittelalterlichen jüdischen Wohnviertels, dort, wo die Kölner Juden lebten, bis sie 1424 vertrieben wurden.
Aus der damaligen Zeit sind die Grundmauern der Synagoge und das rituelle jüdische Tauchbad, die Mikwe, erhalten geblieben. Nicht zuletzt wegen dieser historischen Überreste hat der Förderverein einen anderen Standort für das Museum stets abgelehnt. »Dieses Viertel ist das wichtigste Monument jüdischen Lebens am Rhein«, sagt der Vorsitzende, Benedikt Graf Hoensbroech. »Das dort vorhandene archäologische Bau­en­sem­ble ist in Europa einzigartig.«
Heute liegt in der Gegend des früheren jüdischen Viertels, mitten in der Stadt zwischen der Rathauslaube und dem Wallraf-Richartz-Museum, der Rathausplatz. Auf dem abschüssigen Gelände, das Stefan Kraus vom Kölner Diözesanmuseum als »verhübschte Nachkriegsbrache« bezeichnet, ist nicht gerade viel los. Dennoch gibt es Widerstände gegen die Bebauung des Areals. Hanns Schaefer etwa, der Vorsitzende des Kölner Haus- und Grundbesitzervereins, sagte im Kölner Stadt-Anzeiger, von einem »Platz der Bürger« könne keine Rede mehr sein, wenn dort ein Museum entstehe. Auch Karl Jürgen Klipper, Vorsitzender des Kölner Stadtentwicklungsausschusses, will keine Veränderung. Der im Zweiten Weltkrieg zerstörte Platz sei schließlich »ein Symbol des Wiederaufbaus«, sagte er bei einer Podiumsdiskussion.
Dennoch verabschiedete der Kölner Rat im Mai 2006 mehrheitlich den Beschluss, dem Förderverein das Gebiet kostenlos zu überlassen. Eine Bedingung dafür war, dass der Verein als Bauherr die Kosten in Höhe von geschätzten 15 Millionen Euro allein trägt. Weiterhin sollte ein von der Stadt ausgeschriebener Architektenwettbewerb ermitteln, welches Modell am besten geeignet sei. Auch sollte »eine breite öffentliche Debatte« über das Projekt stattfinden.

Mitte Juni entschied ein von der Stadt eingesetzter 22köpfiger Ausschuss von Gutachtern mit nur einer Gegenstimme, dem renommierten Saar­brücker Architekturbüro Wandel, Hoefer, Lorch + Hirsch den Zuschlag für den Bau des Museums zu erteilen. Die ersten Reaktionen waren eine Mischung aus Erleichterung und Euphorie. Oberbürgermeister Fritz Schramma äußerte sich »dankbar und froh«, Kulturdezernent Georg Quander fiel »ein Stein vom Herzen«, und Städtebaudezernent Bernd Streitberger sprach von einer »genialen, fast poetischen Architektur«. Der Förderverein zeigte sich optimistisch, die benötigten Gelder aufzubringen. Alles schien klar.
Doch nur wenige Tage nach der Entscheidung änderte Schramma seine Meinung. »Der Entwurf stellt einen Riesenkomplex dar«, bemängelte er im Kölner Stadt-Anzeiger. Das Rathaus und das Wallraf-Richartz-Museum würden dadurch »zugebaut«. Zudem sei »im Vorfeld niemals die Frage gestellt worden, wie denn überhaupt die grundsätzliche Akzeptanz einer solchen Bebauung des Rathausvorplatzes ist«. Daher müsse man mit den Bürgern die Diskussion suchen, die es zuvor nicht gegeben habe.
Der Sinneswandel des Oberbürgermeisters kam nicht nur für Stefan Schmitz, den Vorsitzenden des Bundes Deutscher Architekten (BDA), »völlig überraschend« – schließlich hatte Schramma den Architektenwettbewerb selbst ausgelobt und danach in der Jury gesessen. Über seine Motive könne er »nur mutmaßen«, sagte Schmitz dem WDR. Angesichts der bevorstehenden Kommunalwahlen habe Schramma möglicherweise einen der mächtigsten Wirtschaftsvertreter der Stadt, Alfred Neven DuMont, nicht verstimmen wollen. Neven DuMont ist nicht nur im Besitz sämtlicher Kölner Tageszeitungen, sondern auch Vorsitzender des Stifterrats des Wallraf-Richartz-Museums. Und dort ist man seit jeher der Ansicht, der Platz müsse »aus städtebaulichen Gründen erhalten bleiben«, wie er ist.
In eine ähnliche Richtung wie Schmitz denkt Rainer Schützeichel, freier Redakteur der Zeitschrift des Architektenbunds, Der Architekt. Der Jungle World sagte er, ein weiteres Museum auf dem Rathausplatz sei »wohl kaum im Sinne Neven DuMonts«. Dass der Zeitungsverleger in der Kölner Politik eine gewichtige Rolle spiele, sei ein offenes Geheimnis, erklärte Schützeichel. Deshalb sei »eine publizistische Einflussnahme auf das Stimmungsbild in Köln, um den Rat der Stadt in seinem Sinne unter Druck zu setzen, nicht undenkbar«. Peter Pauls, der Redaktionsbeauftragte Neven DuMonts, wies diese Vermutung auf Nachfrage zurück. »Die Gerüchte um Herrn Neven DuMont sind frei erfunden«, sagte er. »In unseren Zeitungen kommen Befürworter wie Gegner des Museumsstandortes zu Wort.«

Graf Hoensbroech, der Vorsitzende des Fördervereins, sieht das gänzlich anders. Gegenüber der Jungle World sprach er von einer »regelrechten Kam­pagne« des Kölner Stadt-Anzeigers. In der Tat kritisierten die meisten Beiträge der Zeitung ein Museum am geplanten Ort. »Ein Verlust für die Stadt« sei die Bebauung des Rathausplatzes, schrieb der Chefredakteur, Franz Sommerfeld, nach der Entscheidung im Architektenwettbewerb. »Einer der wenigen gelungenen Plätze Kölns würde mit einem großen Block zugestellt.« Sommerfeld warf den Initiatoren sogar vor, mit ihrem Beharren auf dem Rathausplatz die Geschichte zu instrumentalisieren und Neonazis zu bedienen. »Noch ist nur unterschwellig zu vernehmen, der Ort müsse mit Rücksicht auf die jüdische Gemeinde gewählt werden«, hieß es in einem Kommentar. »Jeder Versuch, städteplanerische Entscheidungen durch Hinweis auf die deutsche Schuld gegen Kritik zu immunisieren«, spiele »denen in die Hände, die die Vernichtung der Juden relativieren und auf antisemitische Reflexe spekulieren«.
Inzwischen mehren sich die Stimmen, die eine Korrektur der Baupläne oder die Verlegung des Museums auf das nahe gelegene Gelände des früheren Kaufhauses Kutz fordern.
Das Argument, der Rathausplatz dürfe nicht verbaut werden, sei genauso »verlogen« wie die Forderung nach einer öffentlichen Diskussion, sagt Ingrid Strobl. »Die Bürger werden sonst auch nicht gefragt, wenn es um die Schließung oder den Bau eines Museums geht.« Dass dies ausgerechnet jetzt gefordert werde, sei »sehr seltsam«, so Strobl. Offenbar passe es »einigen Leuten nicht in den Kram, dass das jüdische Leben und die jüdische Kultur in Köln in einer adäquaten Größe dokumentiert werden«.