Die Junge Freiheit und Fürst Ferdinand von Bismarck

Stimmen aus der Gruft des Eisernen Kanzlers

Die neurechte Wochenzeitung Junge Freiheit pflegt gute Kontakte zu Fürst Ferdi­nand von Bismarck und zum Bismarckbund. Man trifft sich auch mal am Grab des berühmten Urgroßvaters.

Der Fürst ist besorgt. Sein Urgroßvater hätte alles richten können. Doch heute, lässt Fürst Ferdinand von Bismarck wissen, hätten selbst die »Eliten« kein Interesse mehr an der »Bewahrung Deutschlands«. Ihnen, so glaubt er, könne es »gar nicht schnell genug« gehen, »unser Volk in einer multikulturellen und multiethnischen Gesellschaft und unseren Staat in überstaatlichen Strukturen aufzulösen«. Das sagte der Urenkel des Reichskanzlers Otto von Bismarck der Jungen Freiheit (JF) kürzlich in einem ausführlichen Interview.
Das politische Erbe seines Urgroßvaters sieht Ferdinand von Bismarck schon länger dahinschwinden. Kontakte mit rechtslastigen Vereinen und Zeitungen scheut er nicht, wenn es darum geht, nationalkonservative und »patriotische« Werte zu bewahren. Wo Gefahr für »Volk« und »Vaterland« im Verzug ist, hält er wortgewaltig dagegen.
So kommt »seine Durchlaucht« aus Friedrichsruh auch nicht zum ersten Mal in der neurechten Wochenzeitung aus Berlin zu Wort. Er selbst schätzt die JF wegen »ihrer patriotischen Ausrichtung sowie ihrer konservativen Orientierung«. Er mag sie sogar so sehr, dass er im Juni 10 000 Briefe verschicken ließ, um für sie neue Leser zu gewinnen. An die 1 500 Probeabonnenten seien nach Angaben der JF nicht zuletzt dank des Einsatzes von Bismarcks gewonnen worden. Titel und Namen haben eben doch noch Klang und Einfluss in Deutschland.

Erst vor wenigen Wochen konnte der Chefredakteur der JF, Dieter Stein, den graumelierten Fürsten mit dem gepflegten Schnauzer, der seit 30 Jahren Mitglied der CDU ist, einmal mehr persönlich und herzlich begrüßen. Und zwar bei dessen Familiensitz Friedrichsruh, im schleswig-holsteinischen Sachsenwald.
Vor dem Bismarck-Mausoleum warteten die Herren und Damen gespannt. Sie waren fein herausgeputzt, im Anzug oder Kostüm. Manch jüngerer Herr trug an jenem Abend die Farben seiner Burschenschaft. Der »Bismarckbund e.V.« hatte zur Gruft des »Eisernen Kanzlers« geladen, um des Aufstands am 17. Juni 1953 zu gedenken. Eingeladen hatte der Vorsitzende des Bismarckbunds, Stephan Ehmke. Da »linke und linksextreme politischen Positionen« nach Ansicht von Ehmke »tagtäglich an Einfluss« gewinnen und dies einhergehe »mit einer systematischen Verharmlosung des DDR-Unrechtsstaates«, sei es wichtig, sich »heute des heldenhaften Volksaufstands in Mitteldeutschland« zu erinnern, schrieb er in der Einladung.
Mitteldeutschland? Wo liegt für den CDU-Ratsherrn aus Kiel denn dann Ostdeutschland? Hier am Mausoleum, bei »Kaiserwetter«, werden solche Fragen nicht gestellt. Hinter verschlossener Tür wiederholt Ehmke seine Botschaft, dass der »DDR-Unrechtsstaat verharmlost« werde und »die Opfer« verdrängt würden.
Der Fürst kam sichtlich gut gelaunt zum Mausoleum geschlendert. Die Gruft ist gemütlich zu Fuß vom Schloss Friedrichsruh zu erreichen. Erfreut wurde er begrüßt. Ein Händedruck von ihm, schon fühlten sich einige geehrt. »Ach, die Monarchie«, sagte ein Herr seufzend. »Damals unter Bismarck«, warf eine Dame träumerisch ein. Dass der Fürst sich den Termin nicht nehmen lassen würde, hatte man erwartet.
Stein hielt eine Ansprache, die in seinem Blatt kurz wiedergegeben wurde. Den 17. Juni habe Stein in die »Reihe des deutschen Freiheitskampfs« gestellt, schrieb Torsten Uhrhammer ebenfalls in der JF.

Seit Jahren ist von Bismarck Schirmherr des Bismarckbunds. Regelmäßig würdigt der Verein, den ein früherer Referent im NS-Propagandaministerium, Hugo Wellems, im Jahr 1981 zusammen mit anderen gründete, Personen mit Orden. Auch Rechtsextreme wurden ausgezeichnet. Einen Orden erhielt im Jahr 2005 Albrecht Jebens, der einst im Vorstand der »Gesellschaft für Freie Publizistik« war, nach Angaben des Verfassungsschutzes die »größte rechtsextreme Kulturvereinigung«. Im vergangenen Jahr, am 3. Oktober 2007, nahm Bismarck Dieter Stein in den Bund auf. Die Festrede hielt Reinhard Uhle-Wettler, Brigadegeneral a.D. und ehemaliger Vorsitzender der »Staats- und Wirtschaftspolitischen Gesellschaft« (SWG). Er wetterte, dass nicht bloß »Multikulti und Gender Mainstreaming« Kultur und Nation gefährdeten, sondern auch die »transnationale Hochfinanz«, namentlich die Familien Rothschild und Rockefeller. Auch Uhle-Wettler ist bereits bei der »Gesellschaft für Freie Publizistik« aufgetreten, und eine Festschrift für den englischen Holocaust-Leugner David Irving gab er mit heraus.
Der Bismarckbund pflegt freundschaftlichen Kontakt mit der SWG, die 1962 ebenfalls u.a. von Wellems gegründet wurde. Man kennt sich, lädt sich zu Veranstaltungen ein. In Schleswig-Holstein steht Ehmke der SWG vor. Nicht allein persönliche Beziehungen verbinden die Organisationen, sondern auch gemeinsame politische Bestrebungen. Sie eint, im »vorpolitischen Raum«, ohne ein »Diktat der Umerziehung« die »Orientie­rungslosigkeit im Volke« bekämpfen zu wollen.
Anwesend war am 17. Juni auch der Hamburger SWG-Vorsitzende Manfred Backerra. Schlecht gelaunt sagte der Oberst a.D. der nicht geladenen Presse: »Das ist heute bloß eine kleine Veranstaltung.«

Im Schatten der Gruft wehrte Bismarck indes Nachfragen zu rechtsextremen Kontakten routiniert ab. Dass Rechtsextreme vom Bismarckbund geehrt wurden, sei ihm nicht bekannt, sagte er. Geflissentlich verschwieg der Fürst, dass er gerade wegen solcher Beziehungen nicht wie anfänglich geplant in den Vorstand der Bismarck-Stiftung kam. Bei der Gründung der Bundesstiftung, im Jahr 1998, waren die Kontakte bereits öffentlich geworden. Sein Sohn Carl Eduard sprang ein, er selbst wurde Mitglied des Kuratoriums.
Bereits damals dürfte Bismarck gedacht haben, was er nun der JF sagt: »Deutschland driftet nach links« – selbst die CDU. »Denken Sie etwa an das Antidiskriminierungsgesetz oder das Gender Mainstreaming oder die Homo-Ehe. Alles Inhalte, die mittlerweile auch von der CDU vorangetrieben, zumindest aber akzeptiert werden.« Desweiteren beklagt er die »penetrante realitätsblinde Gläubigkeit an die multikulturelle Gesellschaft als Paradies auf Erden, ohne Rücksicht auf das Gefahrenpotenzial«. Einwanderung könne nur, wie seinerzeit in Preußen, durch Assimilation verkraftet werden. Und damit nicht genug: »Uns Deutschen« sei »über mehrere Generationen bis heute ein historisches Schuldbewusstsein eingetrichtert« worden. »Angefangen hat dies mit den Nürnberger Prozessen«, sagte er und betonte: »Inzwischen scheinen viele Deutsche sogar bereits stolz auf diese Schuld zu sein.« Er hob hervor: »Ich bereue, also bin ich. Die NS-Verbrechen werden geradezu benötigt, um sich moralisch gerechtfertigt fühlen zu können!« Vertrauen in die Union fehle ihm gerade besonders. Eine Bismarck-Partei gründe er aber nicht.