Proteste gegen US-Atombomben in Deutschland

Besen im System

Noch knapp 20 US-Atombomben lagern in Deutschland. Ein Kreis von NGO will sie loswerden. Die geplanten Aktionen sollen vor allem eins werden: groß.

Die Kampagne »Unsere Zukunft – atomwaffenfrei« setzt große Erwartungen in die kommenden Tage. Wenn alles gut laufe, könne es »die größte Aktion werden, die je in Büchel stattgefunden hat«, sagt Sven Hessmann von der Deutschen Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW). Roland Blach von der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegs­dienstgegnerInnen (DFG-VK) geht noch weiter: »Mit der Zusage der Pop-Ikone Nina Hagen steigt die Wahrscheinlichkeit, dass am 30. August die größte Anti-Atomwaffen-Aktion in Deutschland seit Ende des Kalten Krieges stattfinden wird.«
Der Trägerkreis »Atomwaffen abschaffen« ist für die Kampagne verantwortlich, die in einer Großdemonstration am 30. August mit Besen und »Pace«-Fahnen gipfeln soll. Er besteht aus 47 NGO, darunter diverse christliche Friedensgruppen und Gewerkschaften. Das Ziel der Kampagne ist »ein atomwaffenfreies Deutschland auf dem Weg zu einer atomwaffenfreien Welt«.

Tief in der Erde unter dem Fliegerhorst Büchel in der Eifel befinden sich rund 20 US-Atombomben, die nuklearen Überreste des Kalten Kriegs in Deutschland, seit die in Ramstein gelagerten Atomwaffen im Jahr 2004 abgezogen wurden. Bewacht werden die Waffen von Spezialisten aus den USA. Aber auch jede Menge deutsche Soldaten sind in Büchel stationiert, die natürlich nur Gutes im Sinn haben: »Das Jagdbombergeschwader 33 leistet gemeinsam mit den verbündeten Streitkräften einen fortwährenden Beitrag für den Frieden Europas«, heißt es in den Worten der Bundeswehr. Seit den achtziger Jahren übe man Einsätze mit Tornados, die auch mit Atombomben bestückt werden können, schreibt das »Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit« (BITS).
Aktionen gegen die Atomwaffen gab es in Büchel schon häufiger. So ruft der »Initiativkreis gegen Atomwaffen« seit 2002 jährlich zur Umrundung des Atomwaffenlagers unter dem Motto »Jericho in der Eifel« auf. Meistens kamen allerdings nur wenige Dutzend Menschen zu den Veranstaltungen. Dass es selten mehr waren, liegt offenbar auch an den nicht gerade protestfreudigen Büchelern. »Vor Ort sind die kritischen Einwohner in der Minderzahl«, sagt Hessmann von IPPNW, »die meisten machen sich keine Sorgen über die Anwesenheit von Atombomben.« Vermut­lich haben sie mehr Angst davor, dass der Stützpunkt nach einem Abzug der Waffen geschlossen wird und Arbeitsplätze verloren gehen.
Dass es nicht gerade ungefährlich ist, in unmittelbarer Nähe von Atombomben zu arbeiten oder zu leben, ist nicht erst bekannt, seit Ende Juni eine Studie der US-Luftwaffe Sicherheitsmängel bei der Lagerung der Waffen in Europa belegte. 80 Prozent der Deutschen sind nach den Angaben von Xanthe Hall von IPPNW für nukleare Abrüstung – vielleicht aus diesem Grund. Alle Oppositionsparteien haben entsprechende Anträge im Bundestag eingereicht, auch Politiker der SPD sprachen sich für die Abrüstung aus. Allein die Union will weiter eine Politik der Abschreckung betreiben. Eckart von Klaeden, der außenpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion der Union, sagte in einer aktuellen Stunde im Bundestag Ende Juni, er sei der Ansicht, dass »wir, auch wenn die Notwendigkeit der Abschreckung in den letzten Jahrzehnten erfreulicherweise abgenommen hat, zur Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger nach wie vor auf eine nukleare Abschreckungs­komponente angewiesen sind«.
Die Linkspartei und die Grünen machen derweil kräftig Werbung für die Aktionen in Büchel. So rief Inge Höger (Linkspartei) sogar im Bundes­tag zur Teilnahme an der Demonstration auf. Aber selbst dort weiß man bestens über die Verhältnisse in der westdeutschen Provinz Bescheid: »Mehr als 20 Leute habe ich da noch nie gesehen!« rief Peter Bleser (CDU).

Doch dieses Jahr soll alles anders und vor allem viel größer werden. Seit 23. August wird bereits aus Protest gezeltet, natürlich auf den Obstwiesen des »einzigen Bio-Obstbauern der Region« in Alflen. Die unvermeidliche »Clownsarmee« plant ihren Aufmarsch, deutsche und englische Anti-Atom­waffenlieder sollen zum Besten gegeben und gewaltfreier Widerstand soll trainiert werden. Und dann wird alles ganz anders. In einem offenen Brief an Angela Merkel vom November 2007 kündigte Pfarrer Matthias Engelke aus Nettetal-Lobberich für den »Initiativkreis gegen Atomwaffen« großspurig an, »dass es in Büchel durch Aktionen, die der Gewaltfreiheit verpflichtet sind, zukünftig keinen reibungslosen Ablauf mehr geben wird«. Merkel sei übrigens selbst schuld daran, ließ sie doch das Ultimatum des Initiativkreises einfach verstreichen. Dieser hatte unter anderem die Beendung der nuklearen Teilhabe Deutschlands bis zum 6. August gefordert.
Höhepunkt der Kampagne soll die Großdemon­stration mit Besen (und »Pace«-Fahnen) sein. Gekehrt wird einmal für die Lokalpresse: »Bei eurer Ankunft werdet ihr zu einem Photo-Shooting vor einer entsprechenden Kulisse geladen, bei dem ihr Bombenattrappen in die Tonne kehren dürft.« Und ein anderes Mal für die Soldaten: »Außerdem sollen von euren Gruppen individuell gestaltete Besen an einer bestimmten Stelle beim Fliegerhorst in den Boden gesteckt werden, so dass sie einen beeindruckenden Schilderwald ergeben.«
Es zeigt sich einmal mehr, dass der Wunsch nach größtmöglicher Aufmerksamkeit und einem großen Bündnis inhaltliche Probleme mit sich bringt. So fallen rund um das Bündnis die fragwürdigsten Aussagen. Da wären Slogans wie: »Ami-Waffen go home« (Nils Wiechmann, Grüne). Oder etwa der »Knastrundbrief« eines Mitglieds der »Gewaltfreien Aktion Atomwaffen abschaffen«, das »neben dem massenhaften Streik und dem massenhaften Boykott« allen Ernstes das »Füllen und Überfüllen der Gefängnisse« als »das wirksamste gewaltfreie Kampfmittel« bezeichnete.

Und dann tritt auch noch Nina Hagen auf, die sich keineswegs mehr darauf beschränkt, über Außerirdische zu faseln. In ihrem Blog berichtet sie über »zionistische Neocon-Maulwürfe im Pentagon, die einen Atomkrieg gegen den Iran vorbereiten und 800 Konzentrationslager in Amerika errichteten«. Sven Hessmann vom Trägerkreis sagt dazu auf Nachfrage: »Von den Aussagen distanzieren wir uns klar. Wir wissen allerdings von Nina Hagen, dass ihre Beteiligung an der Demonstration in Büchel andere Motive hat.« Doch alles in allem könne der Trägerkreis »mit gutem Gewissen mit Nina Hagen zusammen­arbeiten. Dass wir eine Kooperation mit einer sehr kontroversen, nicht immer einfachen Frau eingegangen sind, war uns von vornherein bewusst. Aber das gemeinsame Ziel einer atomwaffenfreien Welt rechtfertigt dies aus unserer Sicht.«
Vielleicht erledigt sich auch ohne Besen bald alles von selbst. Nach Angaben des BITS sollen die Tornados des Jagdbombergeschwaders in Büchel ab 2012 durch Eurofighter ersetzt werden, die nicht in der Lage sind, Atombomben zu trans­portieren und abzuwerfen. »Entscheidungen darüber, ob die nukleare Teilhabe Deutschlands dann aufgegeben oder in anderer Weise fortgeführt werden soll, sind noch nicht gefallen.«