Deutschlands Geschäft mit dem Iran

Hier kaufen die Mullahs

Deutsche Firmen treiben einen regen Handel mit dem iranischen Regime – mit der Zustimmung von Ministerien und Kontrollbehörden. Erst jüngst durfte sich eine Firma aus Siegen über ein großes Geschäft mit dem Iran freuen.

Hätte Hartmut Schauerte doch nur den Ratschlag von Mehdi Safari gekannt! »Sie können den Job auch ohne Reklame erledigen«, empfahl der stellvertretende iranische Außenminister in der vergangenen Woche in der Financial ­Times deutschen Unternehmen. Sie sollten Geschäfte mit den Mullahs möglichst ohne öffent­liches Aufsehen abwickeln. »Ich muss Ihnen ja nicht zeigen, wie das geht«, sagte der iranische Politiker.
Doch für Schauerte, den parlamentarischen Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, kam dieser Tipp zu spät. Da hatte sich der Mann von der CDU nämlich bereits in der Siegener Zeitung damit gebrüstet, für die in der Region seines Wahlkreises ansässige Siegener Firma Steiner-Prematechnik-Gastec (SPG) ein gutes Wort beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) eingelegt zu haben. Er sei dort »lästig geworden«, sagte Schauerte. Das konnte der Sprecher des Bundesamts, Holger Beutel, der Jerusalem Post bestätigen: »Seine Lobby-Aktivi­täten waren außergewöhnlich.«

Und so hatte das Amt dem Unternehmen nach einem Jahr der Prüfung im Juli schließlich doch noch den Bau von drei Gasverflüssigungsanlagen im Südiran genehmigt. 100 Millionen Euro soll die SPG dafür erhalten. Der Firmeninhaber, Bernd Steiner, war Schauerte entsprechend dankbar: »Ohne ihn hätte es nichts gegeben. Wir würden immer noch warten.«
Dass das Geschäft schließlich international bekannt wurde, lag allerdings nicht nur an der Redseligkeit des Staatssekretärs, sondern auch am politischen Kalkül der Mullahs: Der iranische Propagandasender Press-TV, dessen Programm in englischer Sprache gesendet wird, meldete umgehend den Vollzug, denn anders, als es Safaris Worte vermuten lassen, liegt der iranischen Regierung eine Menge daran, möglichst häufig zu verkünden, das Land sei trotz des Konflikts um sein Atomprogramm gar nicht isoliert. Das »Mid­east Freedom Forum Berlin« (MFFB), eine deutsche NGO, wurde auf die Nachricht aus dem Iran sowie den Beitrag in der Siegener Lokalzeitung aufmerksam und reagierte sofort mit einer Pressemitteilung. Einmal mehr zeige sich, schrieb die Organisation darin, dass Deutschland die Bemühungen unterwandere, das iranische Regime ernst­haft in Bedrängnis zu bringen. »Deutsche Firmen beliefern den Iran mit wichtiger Technologie, ohne dass dieser im Atomstreit, in Menschenrechtsfragen, der Unterstützung des internationalen Terrorismus oder den Drohungen gegen Israel seine Politik ändern muss«, hieß es in der Pressemitteilung weiter.

Sie löste internationale Reaktionen aus, in denen nicht mit heftiger Kritik an dem Geschäft und seiner Genehmigung gespart wurde. Vor allem in israelischen Tageszeitungen fanden sich mehre­re scharfe Kommentare. Auch das angesehene Wall Street Journal veröffentlichte einen Beitrag, in dem es unter der Überschrift »Berlin loves Iran« hieß: »Geschäftsinteressen, so scheint es, übertrumpfen alle verlautbarten Sorgen um Israels Sicherheit.«
Das israelische Außenministerium verurteilte das Abkommen in ungewöhnlich scharfer Form und forderte die Bundesregierung nachdrücklich auf, dafür zu sorgen, dass es annulliert wird. Der israelische Botschafter in Deutschland, Yoram Ben Zeev, sagte der israelischen Tageszeitung Haaretz: »Die Botschaft, die von diesem Geschäft ausgeht, ist sehr negativ.« Die Anti-Defamation League (ADL) rief die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in einem Brief dazu auf, die »Führung bei Sanktionen« zu übernehmen, »die dem Ausmaß der iranischen Bedrohung entsprechen und ausreichend sind, um das iranische Regime von seinem Entschluss abzubringen, Atomwaffenkapazitäten zu erlangen«.
Auch in Deutschland gab es Reaktionen auf das Geschäft, die allerdings weitaus schwächer ausfielen. Der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, sagte: »Wenn ein Mitglied der Bundesregierung wirklich ein solch intensives, aggressives und hoch sensibles Geschäft mit dem Iran – dem Weltmeister des Antisemitismus – ermöglicht, dann ist das ein schrecklicher Skandal, der mich empört und entsetzt. Dass ein Staatssekretär sogar öffentlich damit prahlt, macht das Ganze noch schlimmer.« Jerzy Montag, Bundestagsabgeordneter der Grünen, warf Angela Merkel Inkonsequenz vor: »Die Kanzlerin darf sich nicht in Sonntagsreden vor der Knesset aufplustern, wenn sie dann im entscheidenden Moment nicht eingreift.« Verschiedene deutsche Medien berichteten über das Geschäft, hielten sich mit einem Urteil jedoch zumeist zurück.

Die Bundesregierung selbst äußerte sich nur widerwillig und in vorsichtigen Worten zu dem Handel und der Kritik an ihm. Angela Merkel ließ lediglich ausrichten, die Wirtschaft möge sich bei Geschäften mit dem Iran »zurückhaltend« zeigen und »ein gewisses Fingerspitzengefühl« walten lassen. Aus dem Auswärtigen Amt hieß es, man habe die anfänglichen Bedenken gegen den Handel der SPG rasch aufgegeben. Schließlich hätte der Iran, so hieß es, die Gasanlagen auch bei konkurrierenden Anbietern aus dem Ausland kaufen können.
Im Bundeswirtschaftsministerium wiederum befinden sich ohnehin nur wenige Freunde von Sanktionen: Deutschland ist der wichtigste westliche Handelspartner und Technologielieferant des Iran. 2008 könnten die Umsätze einen Rekord erreichen. Die deutschen Exporte in das Land erhöhten sich im ersten Quartal dieses Jahres bereits um 13,6 Prozent. Insgesamt wurden dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle bis Ende Juli 1 926 Iran-Geschäfte zur Prüfung vorgelegt, 63 Prozent mehr als im selben Zeitraum des Jahres 2007.
Die Sanktionen gegen den Iran betreffen hauptsächlich so genannte Dual-Use-Güter. Und dazu seien die Gasverflüssigungsanlagen der SPG nicht zu zählen, wurde als Begründung verlautbart, warum das Geschäft der Firma nicht untersagt worden sei. Mit dieser Regelung ist das iranische Regime allerdings nicht zu schwächen.
Vielmehr sind gerade die für die Treibstoffproduktion notwendigen Anlagen des Siegener Unternehmens ein gutes Beispiel dafür, wie der deutsche Handel mit dem Iran die Machthaber stärkt. Denn obwohl das Land an Rohstoffen nicht arm ist, muss es 40 Prozent des benötigten Treibstoffs importieren. Außerdem muss es die Infrastruktur zur Förderung und Verarbeitung von Öl und Gas modernisieren und ausbauen. Benzinrationierungen führten im vergangenen Sommer bereits zu Unruhen, in deren Verlauf auch Parolen gegen das Regime und sein Aufrüstungsprogramm skandiert wurden. Gerade im Öl- und Erdgassektor ist der Iran also besonders auf westliche Technologie angewiesen und wäre somit empfindlich für entsprechende Sanktionen.

Für ein entschiedenes Vorgehen gegen den Iran jedoch fehlt der politische Wille. Das offenbart wiederum einen eklatanten Widerspruch zwischen den offiziellen Bekundungen, das Eintreten für Israel sei ein Teil der deutschen Staats­räson, und dem außen- und wirtschaftspolitischen Handeln Deutschlands. »Die Sicherheit Israels ist für mich als deutsche Bundeskanzlerin niemals verhandelbar«, die Bundeskanzlerin im März in ihrer Rede vor der Knesset sagte, »und wenn das so ist, dann dürfen das in der Stunde der Bewährung keine leeren Worte bleiben.« Der Handel mit Israels größtem Feind läuft jedoch ausgezeichnet und wird tatkräftig von Ministerien und Behörden unterstützt.