Die Kampagne der NPD für die bayrische Landtagswahl

Mit dem Führer gegen Zeitarbeit

Die NPD möchte nach Jahrzehnten wieder in den bayrischen Landtag einziehen und tritt deshalb in jedem Stimmkreis mit einem Direktkandidaten an. Doch die Kampagne für die Landtagswahl am 28. September verläuft schleppend.

Der NPD-Bundesvorsitzende Udo Voigt kündigte große Pläne an. »Mit Schwung (…) wollen wir 2008 in den bayrischen Landtag ziehen«, dik­tier­te er den Journalistinnen und Journalisten auf ­einer Pressekonferenz im September 2006 in Ber­lin. Kurz zuvor hatte seine Partei mit mehr als sieben Prozent der Stimmen den Einzug in den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern geschafft. 2008 sei dann das erste Landesparlament im Westen an der Reihe, sagte Voigt siegessicher.

Seit 1972 war die NPD nicht mehr im bayrischen Landtag vertreten, Ende September will sie aber den Erfolg von 1966 wiederholen. Damals erreich­te sie ein Ergebnis von über sieben Prozent und zog mit 15 Abgeordneten in den Landtag ein. Vor fünf Jahren hingegen trat die Partei gar nicht erst zur Wahl an, zu schwach war der Landesverband. Mittlerweile sieht es besser für sie aus. Mit dem Bundesvorsitzenden Udo Voigt und seinem Stellvertreter Sascha Roßmüller sind zwei Bayern führend in der Partei, fast 1 100 Mitglieder in 37 Kreisverbänden machen derzeit die bayrische NPD zum größten Landesverband. Trotz der strengen Bestimmungen im bayrischen Wahlgesetz schaffte es die Partei, in jedem der 91 Stimmkreise eine Direktkandidatin oder einen Direktkandidaten auf­zustellen. Sie beteiligt sich auch in allen Bezirken an den ebenfalls stattfindenden Bezirkstagswahlen.
Der »Schwerpunktwahlkampf« in Bayern, wie ihn Voigt nennt, wird nicht zufällig geführt: Die NPD hofft in dem Bundesland auf große Zustimmung. Wissenschaftliche Studien bestätigen, dass rechtsextreme Ansichten in Bayern durchaus verbreitet sind. Als Wilhelm Heitmeyer 2006 die Studie »Deutsche Zustände« veröffentlichte, frohlockte der NPD-Landesvorstand ob der ausgeprägten Ressentiments: »Für unsere Wahl­kampforientierung 2008 ist (…) die Erhebung von besonderer Wichtigkeit.« Die 2006 erstellte Studie »Vom Rand zur Mitte« der Friedrich-Ebert-Stiftung zeigte, dass in keinem anderen Bundesland der Anteil von Menschen mit einem rassistischen, antisemitischen und chauvinistischen Weltbild so hoch ist wie in Bayern. 30 Prozent der dortigen Bevölkerung stimmten dem Satz zu: »Auch heute noch ist der Einfluss der Juden zu groß.« Im gesamten Bundesgebiet waren es knapp 18 Prozent. Über 24 Prozent der Bayern wollten, wie auch 15 Prozent der Bundesbürger, wieder »einen Führer haben, der Deutschland (…) mit starker Hand regiert«.
Nicht nur die NPD, auch die CSU, die in der Wahl Ende September den Verlust ihrer absoluten Mehrheit befürchten muss, erhofft sich Stimmen von dieser Klientel. »Multi-Kulti ist eine Brutstätte der Kriminalität«, hetzte der CSU-Vorsitzende Erwin Huber auf dem Wahlparteitag in Würzburg. Die Parole zierte kurz darauf den Titel der rechtsextremen Coburger Zeitschrift Nation und Europa.
Die »Systempartei« CSU gilt der NPD dennoch im Wahlkampf als »Hauptfeind«. »Ein anstän­diger Bayer kann die CSU nicht mehr wählen«, heißt es in Pressemitteilungen, »Beckstein muss weg« auf einem Flugblatt. Der Versuch, sich in Sachen Rassismus nicht von Erwin Huber übertrumpfen zu lassen, endete für die NPD in den vergangenen Tagen mit Hausdurchsuchungen. »Guten Heimflug!« war auf Plakaten zur Landtags­wahl zu lesen, auf ihnen waren Zeichnungen von Menschen zu sehen, die auf einem fliegenden Teppich sitzen. Die Bildsprache sparte nicht mit rassistischen Stereotypen. Sechs bayrische Staatsanwaltschaften ließen die Plakate wegen des Straftatbestands der Volksverhetzung wieder abhängen.

Dabei will auch die bayrische NPD den Ruf als Partei der Nazi-Schläger ablegen und sich bür­ger­nah geben. »Genfood nein danke!« war auf dem ersten Wahlkampfflugblatt zu lesen. Zahlreiche Wahl­plakate sind mit dem Titel des demnächst erscheinenden, neuen Parteiprogramms überschrieben: »Sozial geht nur national!« Die Bundespartei hat mittlerweile die bayrische Wahl­kampagne »Stoppt die Zeit- und Leiharbeit!« fast unverändert übernommen. Mit solchen Forderungen spekuliert die NPD nicht zuletzt darauf, der »Linken« Wähler abspenstig zu machen. Der Linkspartei könnte es Meinungsumfragen zufolge gelingen, in den Landtag einzuziehen. »Ihr müsst beweisen, dass es auch ein Wahlkampf gegen die Linkspartei wird«, sagte Udo Voigt den Delegierten auf dem Bundesparteitag im Mai in Bamberg.
Doch die Propaganda richtet sich auch gegen altbekannte Feindbilder: Plakate mit dem Slogan »Wir gegen Überfremdung!« lässt die NPD an Ausfallstraßen anbringen. Eine Grundlage für ihren Erfolg 1966 waren über 2 000 Wahlveranstaltungen. Allein in Mittelfranken wurde damals eine Million Flugblätter verteilt. Dieses Mal läuft der Wahlkampf der Partei nicht so gut an. Von den angeblich im ganzen Bundesgebiet angeworbenen und auf die Bezirksverbände aufgeteilten NPD-Wahlhelfern ist wenig zu sehen. Das neu angemietete Wahlbüro im Industriegebiet von Straubing wird von der Partei kaum genutzt, möglicherweise handelt es sich bei dem Einzug um einen Trick, um den Preis des Hauses in die Höhe zu treiben. Nicht einmal zwei Dutzend Sympathisanten der Partei verloren sich zum Wahlkampfauftakt im niederbayrischen Fron­tenhausen in den Saal, dabei waren eigens der frühere Berliner NPD-Landesvorsitzende Eckart Bräuniger und der rechtsextreme Liedermacher Jörg Hähnel angereist. Auf der geplanten »Großveranstaltung« der Partei auf dem Marktplatz im fränkischen Gräfenberg schirmten sich nur etwa 100 Neonazis mit großen Bannern und Stoffbahnen von den Bürgerinnen ab. Mehrere Gemeinden verweigerten der NPD erfolgreich Hallen, private Vermieter finden sich nur selten.

Andrea Doria, die Sprecherin der bayrischen ­Antifa-Kampagne »Nazis unplugged«, sagt, warum das so ist: »Wir hatten bereits lange vor dem Wahlkampf begonnen, Nazis die Infrastruktur zu nehmen. Oft ist die NPD lokal auch gar nicht so gut verankert.« Den Antifaschistinnen und Antifaschisten dürften auch die Streitereien helfen, die im bayrischen NPD-Landesverband toben. Teile der Partei und die »Jungen Nationaldemokraten« (JN) organisierten im Juni wegen Spitzelvorwürfen gegen schwäbische Parteifunktionäre während des »Bayerntags« der NPD in Günzburg einen »Frankentag« in Weißen­ohe.
Zu Streit kommt es auch immer wieder wegen der öffentlich zur Schau gestellten nationalsozialistischen Überzeugung bayrischer NPD-Aktivisten, die dem Ruf der Partei nicht zuträglich ist. Der kürzlich verstorbene Altnazi Friedhelm Busse war eigentlich als NPD-Kandidat für den niederbayrischen Bezirkstag aufgestellt. Auf seiner Beerdigung in der Nähe von Passau brei­tete der ehemalige Parteifunktionär Thomas Wulff in Anwesenheit von Voigt und Roßmüller eine mit einem Hakenkreuz versehene Reichskriegsflagge auf dem Sarg aus (Jungle World 33/08). Der Münch­ner Karl Richter, Spitzenkandidat für die Landtagswahl im Bezirk Oberbayern, wurde in der ver­gangenen Woche vom Amtsgericht München wegen des Zeigens des Hitlergrußes zu einer Geldstrafe von 5 600 Euro verurteilt.
Den Hitlergruß zeigen auch andere Mitglieder der bayrischen NPD gern: Matthias Fischer, Kan­didat im Stimmkreis Fürth, hob den rechten Arm bei einem »Blood & Honour«-Konzert in Budapest im Februar 2007. Beim bundesweiten NPD-Aufmarsch am 1. Mai in Nürnberg führte er den Block der bayrischen NPD und JN an. Die 200 Teil­nehmerinnen und Teilnehmer hinter ihm trugen rote T-Shirts mit dem Aufdruck »Nationaler Sozialismus« auf der Vorderseite. Auf der Rückseite der Hemden stand: »Die Arbeit ist in keiner Form eine Schande, sondern der höchste Adel für jeden, der (…) damit beiträgt zur Erhaltung der Nation.« Den Urheber des Satzes hatte die bay­rische NPD dann doch lieber weggelassen: A­dolf Hitler.