Der Machtwechsel an der Spitze der SPD

Koalieren über die Bande

Beck gestürzt, die SPD-Linke am Boden, rot-rote Koalitionsträume ausgeträumt. So oder so ähnlich wird der Machtwechsel an der SPD-Spitze landauf, landab kommentiert. Es könnte aber auch genau andersherum sein.

Nein, es war wirklich keine Überraschung, dass Außenminister Frank-Walter Steinmeier am Wochenende zum SPD-Kanzlerkandidaten gekürt wurde. Dass es mit Kurt »I’m a loser« Beck nicht gehen würde, war lange allen klar. Und dass er auch als Parteivorsitzender komplett versagt hatte, lag ebenso auf der Hand, und nur die SPD-Linke um Andrea Nahles ignorierte dies aus parteitaktischen Gründen penetrant, weil Beck ihr einen gewissen Freiraum zugestanden hatte und dafür von ihr geliebt wurde. So genügsam ist man ja als Sozialdemokrat.
Als Niederlage für die SPD-Linke wird der Machtwechsel daher nun gedeutet. Das ist vordergründig natürlich wahr. Hauptziel der SPD-Linken ist eine Reform der Agenda 2010, Steinmeier aber ist einer der Hauptverantwortlichen für die Agenda-Politik Gerhard Schröders. Schwer besorgt reagierte die SPD-Linke am Wochenende, hatte sie sich selbst doch gerade in einer Vorwärtsbewegung vermutet. Auch in der Linkspartei machte sich sofort Enttäuschung breit, denn die Perspektive einer rot-roten Koalition scheint sich mit Steinmeier und Franz Müntefering an der Spitze der SPD vorerst erledigt zu haben. Doch genau dies könnte sich als Trugschluss erweisen.
Möglicherweise wird gerade dieses Duo die SPD zur ersten rot-roten Koalition führen. Denn es ist klar: Die SPD braucht nichts dringender als eine einheitliche und eindeutige Position zur Linkspartei. Unter Beck hatten die Sozialdemokraten zur Linken nicht viel mehr zu sagen, als dass deren Forderungen »illusionär«, »unrealistisch«, »nicht bezahlbar« seien. Implizit kommunizierte man damit: »Die Forderungen sind richtig, wir würden sie auch gerne erheben, aber leider, leider sind wir gerade Regierungspartei und nicht Opposition.« Das ist natürlich kein sehr überzeugen­der, kein souveräner Standpunkt. Derart in ein rot-rotes Bündnis zu gehen, hätte mehr von Vereinigungsparteitag als von Koalition, es wäre politischer Selbstmord für die SPD.
So wie nur der »Bulldozer« Ariel Sharon den Gaza-Streifen räumen, nur Rot-Grün deutsche Militäreinsätze und Hartz IV durchsetzen und nur Rot-Rot in Berlin derart die Sozialausgaben streichen konnten, kann überhaupt nur ein Parteirechter der SPD eine Koalition mit der Linkspartei eingehen. Je mehr sich die SPD von der Linkspartei distanziert, um so eher sind beide Parteien koali­tionsfähig. Im Übrigen soll selbst Müntefering Andrea Ypsilanti in Hessen zu einer Koalition mit der Linken geraten haben. Wie eindeutig die Abgrenzung der SPD nach links künftig ausfallen wird, ist also längst noch nicht geklärt. Außerdem wird der Machtwechsel der Linkspartei nutzen, weil sie sich nun noch mehr als einzige Kämpferin gegen die Hartz-IV-Katastrophe präsentieren kann. Gut möglich, dass sie daher mittelfristig noch ein paar Prozentpunkte dazu gewinnt. Es gibt also keinen Grund, die Perspek­tive rot-roter Koalitionen, ob in Hessen oder gar im Bund, nun abzuhaken.
Das ist allerdings nicht unbedingt eine gute Nach­richt. Solange Oskar Lafontaine bei den Linken den Ton angibt und ein Schröderianer bei der SPD, erscheint das vor allem als Schreckensszenario. Lothar Bisky ist allerdings aus dem Rennen und Klaus Wowereit noch nicht drin. Aber vielleicht gibt es die SPD bei der übernächsten Bundestags­wahl 2013 ja noch. Dann sehen wir weiter.