Die Achterbahnfahrt der SPD

Auf und nieder, immer wieder

»Wer führen will, muss in der Lage sein, die Fahne zu tragen!« (Franz Müntefering) Ein Essay über die Achterbahnfahrt der SPD.

Die SPD war demoskopisch auf 22 Prozent gerutscht, weil keiner so recht wusste, wozu sie gut ist, und Kurt Beck unbeliebter war als Guido Wes­ter­welle und Günther Beckstein, die nicht zu den prallsten Sympathieträgern zählen. Da eilte Franz Müntefering ins Münchener Hofbräuhaus und rief den verzagten Genossen im Stil der Kabinenansprachen früherer Fußballtrainer zu: »Besser heißes Herz und klare Kante als Hose voll!«, dann etwas militärischer: »Wer führen will, muss in der Lage sein, die Fahne zu tragen!« Das kam an. 160 Journalisten meldeten, er habe nicht lange ge­fackelt und Stallgeruch verbreitet. Der postmoderne Charakter hält zwar nichts vom Stallgeruch, aber »Münte« hat das Zeug zum »Kult«, und dafür arbeitet er freiwillig bis 70. Drei Tage später war Beck sein Amt los, Frank-Walter Steinmeier Kanzlerkandidat und Müntefering designierter Par­teivorsitzender. Der freie Fall der SPD musste gestoppt werden, um die Genossen bei Laune zu halten – ein Mandat ist das plausibelste Argument gegen den Übertritt zur »Linken«, und weil die SPD sich darauf versteht, widerborstiges Denken durch die Reduktion aller Wünsche auf ihre Unfinanzierbarkeit in Verdrossenheit zu verwandeln.

Die Sache wurde so schmucklos abgewickelt wie vor 13 Jahren, als Oskar Lafontaine Rudolf Scharping, bei dem 23 Prozent gemessen wurden, stürzte. Dass Beck »Spindoktoren« am Werk sah und meinte, »Judas hätte vielleicht auch Buddha verraten«, sind Gründe, ihm keine Träne nachzuweinen. Scharping hatte nach seinem Sturz wür­de­volle Schlussworte gewählt: »Wir haben eine Aufgabe, die wichtiger ist als wir selbst.« Die Aufgabe wurde schon 1848 auf dem Kongress der »Allgemeinen deutschen Arbeiter-Verbrüderung« umrissen: »Wir verwerfen den Aufruhr und protestieren gegen jede Unordnung. Wir verschwören uns nicht gegen die bestehende Regierung, wir wollen nur, dass man uns einen Platz einräume in dem gemeinsamen Vaterlande.« Es gibt tatsächlich Menschen, die so etwas wichtiger finden als sich selbst. Deshalb stand die SPD stets Gewehr bei Fuß, wenn das Vaterland sie brauchte. Doch gedankt wurde ihr das nie.
Schlechte Ergebnisse erzielte die SPD nicht nur mit Pfälzern an der Spitze. Als sie nach dem Ersten Weltkrieg im Bündnis mit Freicorps ein Blutbad unter aufständischen Arbeitern angerichtet hatte, kam sie 1920 auf 21,6 Prozent. Auch 1932 schaffte sie nur 20,4 Prozent. 1920 war die USPD mit 18,0, 1932 die KPD mit 16,8 Prozent dabei. Unter Kurt Schumacher ächtete die SPD Konrad Adenauer als »Kanzler der Alliierten« und die CDU als »französische Kollaborateure«, bekam 1949 aber nur 29,2 Prozent, weil die Bevölkerung sich von Adenauers Westbindung mehr Schutz vor den »Russen« versprach. Erst mit Willy Brandt erzielte sie herausragende Ergebnisse. Als Verfolgter des Nazi-Regimes schien er vielen Linken, die eine Heimat im System suchten, ein respektables Angebot zu sein. Außerdem ließ Berti Vogts sich die Haare lang wachsen, und das Kapital suchte innovatives Personal und setzte auf die neue Ostpolitik. So kam die SPD 1972 auf 45,8 Prozent.
Danach büßte sie ihre Integrationskraft sukzessive ein.
Sie konnte nicht verhindern, dass radikale Linke, Ökos, Friedensbewegte, Esoteriker und Sozialdemokraten, die der autoritären Helmut-Schmidt-SPD den Rücken kehrten, die Grünen gründeten. Die waren zwar bald diszipliniert, trotzdem nahm die SPD Schaden. Sie verlor 80 Prozent der Jungsozialisten, eine ganze Politikergeneration, und die Grünen existieren weiter als konkurrierende Partei. Sie war unfähig, die PDS abzuwenden, und trug mit ihrer »Agenda 2010« zur Gründung einer bundesweiten Linkspartei bei. Die SPD lebt stets mit dem Widerspruch, die Verwertungsbedingungen des Kapitals mit sozialen Wünschen unter einen Hut bringen zu wollen. Doch nun übernahmen mehrere Sozialdemokratien in Europa einseitig die Verantwortung, die Nationalökonomien durch die Reprivatisierung der Lebensrisiken für die Weltkonkurrenz fit zu machen. Ausgerechnet sie, die doch als »kleinere Übel« Schlim­meres verhüten sollten, leisteten die Dreckarbeit, im Interesse der kapitalistischen Re­produktion so viel Wertmasse wie möglich aus dem angewachsenen Staats- und Sozialanteil der Wirtschaft zurück in die Profitwirtschaft zu transferieren.

Die Grünen trifft das nicht, weil ihre gut situierte Anhängerschaft sich um Armut nicht schert. Aber die SPD. »Leis­tungsträger« gingen zu den Kon­servativen, Enttäuschte zogen sich zurück, an­dere basteln an neuen Parteien – in Deutschland an der »Linken«, in Frankreich an einer trotzkistischen Variante. Dass die SPD den unteren Schichten wegnahm, was ihnen in CDU-Zeiten gewährt worden war, wertet das soziale Ima­ge der Union auf. Die schwindende Integrationskraft der SPD ist insoweit unerheblich, als nichts zu integrieren ist. Früher ging es um den reformistischen oder revolutionären Weg zum Sozialismus, heute ist auch »Die Linke« eine kreuz­brave Partei ohne sozialistische Ambitionen. Sie hat die staatliche Ordnung mit der Mutter­milch aufgesogen, bekennt sich zu »Marktwirtschaft, Unternehmertum und Gewinnstreben« und will den Kapitalismus mit mehr Nachfrage beglücken. Wo die Liebe hinfällt. Sie versteht sich als Hüterin der SPD-Werte, die Schröder lädiert habe (ein Lob auf die Schmidt-Epoche), und bemüht sich so gewissenhaft um Investoren, dass ihre Brandenburger Fraktion Lafontaine aufforderte, seine »Fundamentalopposition« zu beenden. »Die Linke« ist eine tumbe Gewerkschaftsveranstaltung mit einigen ausnahmsweise klugen Menschen und zwei Gladiatoren. Wer das kommunistisch findet, leidet unter Phantomschmerzen oder will der SPD einen Koalitionspartner verleiden.
»Die Linke« mildert aber einen grausigen Wandel im Menschenbild ab. Anfang der achtziger Jahre waren Arbeitslose noch Opfer des Kapitalis­mus, die Solidarität beanspruchen durften. Heute werden sie als Schmarotzer identifiziert. Kanzler Schröder nannte sie »faule Säcke«, bevor er ihnen das Geld kürzte. Kurt Beck forderte sie auf, sich zu waschen und zum Frisör zu gehen. Hier übernimmt die »Linke« den brachliegen­den Integrationsauftrag. Ihr Vorschlag, das Arbeitslosengeld II und die Ein-Euro-Jobs zu einem regulären Arbeits­lohn zusammenzufügen, sanktioniert zwar den Arbeitszwang, die Erhöhung um 20 Euro würde man ihr aber abkaufen. Leider verschmilzt die Wärme für Arbeitslose oft mit völ­kischer Kälte. Keine Ortsgruppe oder Fraktion protestiert vernehmlich, wenn Lafontaine das Land von »Fremdarbeitern«, »gesunden Flüchtlingen«, »globalen Finanzen« aus New York, wo Eingeweihte Juden als Drahtzieher vermuten, oder »Angelsachsen« überwuchern sieht. Er fragt, wann »Spitzenpolitiker in Europa Zuwanderer in ihrer Heimatsprache umwerben« müssten. So weit soll die Zersetzung unserer Kultur schon sein. Lafontaines Code ist das von außen bedrohte »Volk«, dem er sich als Erlöser anbietet. Gregor Gysi scheint sich zu bemühen, der Partei den Antisemitismus etwas auszutreiben.

Aber nicht nur in der »Agenda« und ihren Folgen wurzelt die Krise der SPD. Sie ist auch Opfer einer Hysterie. Die Zeit entdeckt, dass in ihrer Zunft »jedweder Möglichkeitssinn betäubt zu sein« scheint, »wenn es um die Sozialdemokratie geht«. So ungefähr. Wir sind Zeugen eines seltenen Phänomens. Wenn Journalisten und Fernseh­mo­deratoren, die sonst einen ganz vernünftigen Eindruck machen, auf einen Sozialdemokraten treffen, benehmen sie sich augenblicklich wie aufgestachelte Sektenmitglieder bei der Suche nach Spuren eines von ihnen gefürchteten »Verteilerstaates«. Wenn es noch um das kommunistische Gespenst ginge! Es sei absurd, sagt Beck, dass »ausgerechnet ich als Parteilinker dastand«. Man ließ ihn nicht davonkommen, weil er etwas fürs Arbeitslosengeld I getan hatte.
Dass nur 19 der 222 SPD-Abgeordneten die Schere zwischen Arm und Reich beklagten, brachte die Leipziger Volkszeitung um den Verstand. Ein »machthungriger linker Flügel« habe »das Ruder« übernommen, um »spürbar mehr Verteilungspolitik« durchzusetzen. Das ist der Beweis! Der Markt nistet im Über-Ich! Hat das Denken seine Autonomie eingebüßt, testet es nur noch, ob es dessen Anweisungen gerecht wird und dreht schon bei geringen Abweichungen durch. Herr Beck, wollen Sie den alten Verteilerstaat? Nein, da bin ich falsch verstanden worden! Frau Nahles, wollen Sie zurück zum Verteilerstaat? Nein, um Gottes Willen, ich bin katholisch!
Die SPD erntet den Spott für die Niederlage des sozialistischen Gedankens und für schlechte Umfragewerte. So ist die Marktphilosophie. Sie selektiert Starke und Schwache – dem Sieger gebührt Ehre, weil er gesiegt hat, der Verlierer wird getreten, weil er verloren hat. Der Volksmund sagt: »Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen.« Der Angriff auf den Verteilerstaat zielt auf die Demokratie, deren Vorteil darin besteht, dass Unterprivilegierte für einen Wertanteil fechten dürfen, ohne dafür erschossen zu werden. Die Süddeutsche Zeitung kommentiert: »Ein Musterbeispiel für die Ausblendung der Realitäten ist der Feldzug gegen die Rente mit 67.« Schon »die vier Grundrechenarten« reichten, um zu begreifen, dass sie »demographisch geboten« sei. Wie viel eine Gesellschaft für Alte, Arbeitslose und Kranke abzweigen und wann sie in Rente gehen will, könnte sie, wenn es demokratisch zuginge, nach humanitären Gesichtspunkten entscheiden. Mit Grundrechen­arten hat das wenig zu tun.
Die Krise der SPD wird dadurch verstärkt, dass ihre ursprünglichen Quellen versiegen: die ge­wer­k­schaftliche Betriebsgemeinschaft und der rebellierende Geist. In der Arbeit und in der Freizeit greift die Atomisierung um sich. Seit Dort­mund Deutschlands Internet-Metropole ist, laufen dort Erwerbstätige herum, die sich von der Bergmannskapelle nicht mehr angesprochen fühlen und abends an Fitness-Geräten schwitzen, jeder für sich, so wie bei der Arbeit am Monitor, der auch in der Freizeit aufgesucht wird, um das Alleinsein mit anderen zu teilen. Mit den Strukturen lösen sich auch Wählermilieus auf. Am ehes­ten können FDP und CSU auf treuherzige Stämme zurückgreifen. Aber selbst die CSU ist sich ihrer 50 Prozent plus X nicht sicher, sonst würde sie nicht mit der Pendlerpauschale Klinken putzen gehen.
Gewerkschaften werden nicht kritisiert, weil sie sich zu kooperativ verhalten, sondern weil Men­schen, seit sie nur noch ihres Glückes Schmied sind, gar nicht wissen, was die sollen. Die Beratungsfirma Ernst & Young befragte 5 000 Studenten, lauter sonnige Gemüter. 86 Prozent sind mit ihrer Lebenssituation zufrieden, sogar 80 Prozent der Geistes- und Sozialwissenschaftler. Alle sahen ihrer künftigen Erwerbsarbeit »mit Zuversicht« entgegen und wollen eine Familie gründen. Wir erleben die Renaissance des Biedermeier. Bestseller handeln von Abstiegs- und Schrumpfungsängsten der Deutschen und lassen die Sehnsucht nach einem Müttergenesungswerk auf­kommen, der die CDU/CSU und im Osten »Die Linke« am ehesten entgegenkommen. Nur, dass Roland Koch Kinder ins Gefängnis stecken wollte, wurde auf dem Elternabend verworfen.

Wenn rebelliert wurde, fiel auch immer etwas für die SPD ab. Nach den Turbulenzen sammelte sie Akteure ein, die auf Beruf und Familie setzten, aber weiter über Politik schwadronierten und die CDU verhindern wollten. Die Quelle ist versiegt. Wir lebten in einer »Restaurations­epoche«, schreibt Die Zeit, in der junge Menschen »Duckmäuser« sind. Sie beklagt nicht den Mangel an Re­bellen, sondern den an risikofreudigen Jung-Unternehmern. Sie fragt: »Wer oder was um Himmels willen hat den jungen Leuten das darwinistische Weltbild aufgeredet?« Wer schon? Die Zeit und alle anderen, die ihnen das Marktsystem als einzige Daseinsform eintrichtern.
Mächtiger wirkt der Existenzkampf selber, der Zustand, dass man gar nicht oder nur als Schnäpp­chen nachgefragt ist. Alle strampeln sich nun fit und gucken Menschen, die sich für Philosophie, Kultur und Karl Marx begeistern, so an wie Schul­schwänzer. Der Sprecher der grünen Jugend trat wie aus dem Ei gepellt ans Mikrofon und las »Bedenkenträgern der 68er« die Leviten. Man dürfe die Augen vor militärischen Notwendigkeiten nicht verschließen. In Hamburg warf der Chef der Jungsozialisten, Danial Ilkhanipour, der schwarz-grünen Regierung vor, sie würde das »Terror-Camp« - gegen Rassismus und Klimakatastrophe – nicht genug »kontrollieren«. Er hoffte »inständig, dass der Senat so etwas nie wieder in unserer Stadt zulassen wird«. Die Hamburger Morgenpost kommentierte: »Die Jusos verlieren komplett die Nerven«, sie redeten geradewegs wie einst »Richter Gnadenlos Schill«.

Wenn die Jugend »bis zur Charakterlosigkeit jede Bedingung akzeptiert« (Die Zeit), dann wird es, wenn sie in Führungspositionen sitzt, wieder einen Aufstand gegen den »Muff unter den Talaren« geben. Das dauert, macht aber Hoffnung. Doch wer rettet die SPD? Die Zentrifugalkräfte bleiben. Der Riss zwischen kapitalistischem Reparaturbetrieb und sozialer Abfederung zeigt sich in ihrer Anhängerschaft viel dramatischer als in der Partei selber. 45 Prozent der SPD-Wähler befürworten in Hessen eine Koalition mit der Lin­ken, 41 Prozent lehnen sie ab. Die neue SPD-Führung wird für die CDU nicht den Exekutor des Bündnisses spielen, sondern sich ansehen, was Andrea Ypsilanti hinbekommt. Gelingt das Projekt mit den »Linken«, könnten Koalitionen in Thüringen und im Saarland folgen. Im Bund wird die Zusammenarbeit kategorisch abgelehnt. Zumindest so lange, bis »Die Linke« deutsche Auslandseinsätze als humanitäre Maßnahmen einstuft. Irgendwann wird das sein. Jetzt gibt es nur »Ampelkoalition« mit FDP und Grünen, sagt Müntefering.
Ute Voigt von der SPD Baden-Württemberg em­p­fiehlt: »Man sollte sich von dem Begriff Agenda abwenden, um die Wähler nicht zu verschrecken.« Den Ärmsten rauchen sowieso die Köpfe, weil sie zwischen ihren Wünschen und dem Marktdiktat hin und her gerissen sind. Nach einer Umfrage von Emnid sind sogar 80 Pro­zent der CDU-Wähler gegen die Rente ab 67, ganze 71 Prozent wollen Bahn und Telekom verstaatlichen und jeweils 52 Prozent votieren für Mindestlöhne und gegen den Einsatz in Afghanistan. Sie halten gleich­wohl Merkel, die ihnen diese Wünsche um die Ohren schlägt, für die Beste. Das kann sich aber ändern. Wer weiß, wann die Medien-Lemminge ihre Richtung wechseln? Angela Merkel war am Anfang nur das »Mädchen von Kohl«, wurde dann zu einer männermordenden »Machtphysikerin« stilisiert, heute ist sie sakrosankt, weil sie gesiegt hat.
Mag sein, dass Journalisten nach der Häutung der SPD plötzlich erschrecken, weil Merkel just im Zeitalter platzender Endlager auf die atomare Zukunft setzt, obgleich nur Naive annehmen, dass Energiekonzerne ihre Sonderprofite an Kunden weiterleiten. Oder über ihre Liebe zum Dalai Lama und zu den osteuropäischen Anti-Russen, weil sie deutsche Interessen blockiert. Als sie Georgien dreimal öffentlich in die Nato gebeten hatte, erzählte Klaus Mangold, der Chef vom »Ostausschuss der deutschen Wirtschaft«, bei May­britt Illner im ZDF freimütig, er habe sich Merkel zur Brust genommen, damit sie nicht länger aus Liebe zu einem georgischen Abenteurer und den Amerikanern die Russland-Umsätze von 4 600 deutschen Unternehmen gefährde.
Für die SPD bleibt »Die Linke« bedrohlich, weil sie auf demselben Fundament baut und die Abwehrmechanismen untauglich werden. Ihre »unfinanzierbaren Kataloge« prallen an der Regierungsarbeit ab. Das Konzept, sie durch Regierungs­beteiligungen vorzuführen, scheitert an ihrer Anspruchslosigkeit. Da die Politik der SPD-»Linken« nie eine Chance bekommen wird, werden noch viele Kader übertreten. Die SPD wird dadurch an Konturschärfe gewinnen. Die politischen Initiativen der vergangenen Woche deuten das an. Olaf Scholz verkündete, die Wohnungen der Arbeitslosen genauer inspizieren zu wollen – bald wird man bei Strafe ein gesundes Leben zu führen haben. Steinmeier wird außenpolitisch die Achse Berlin-Moskau reaktivieren (4 600 Unternehmer stehen hinter ihm) und im Inland, wie er verspricht, auf Bildung und Mindestlohn setzen.
Man macht die Individuen fit, damit sie ihre Konkurrenten ausstechen und die Produktivität steigern. Die Unternehmer klagen schon lange über unbrauchbaren Nachwuchs. Die Mindestlöhne sind wichtig, weil Löhne unter Sozialtransfers die Arbeitsmoral beschädigen. Entweder lässt man Arbeitslose verhungern oder führt Mindestlöhne ein – ohne Abstand geht es nicht. Die neue Generallinie der SPD ist die Profilierung als Partei der »Produktiven« gegen die Union bei gleichzeitiger Herabsetzung der »Linken« als Partei der »Almosen-Empfänger«.