Die politische Krise in Thailand

Zurück an den Herd

Nach wochenlangen politischen Querelen trat Thailands Premierminister Samak Sundaravej vergangene Woche von seinem Amt zurück. Die politische Krise im Land ist damit keineswegs beigelegt.

Lange widerstand der thailändische Premier­minis­ter Samak Sundaravej allen Forderungen nach seinem Rücktritt. Erst eine Entscheidung des obers­ten Verfassungsgerichts am Dienstag vergangener Woche zwang den 73jährigen zur Amtsniederlegung. Das Gericht befand, dass Samak gegen die Verfassung verstoßen habe, da er wiederholt für eine Kochsendung geschätzte 5000 Baht – etwa 150 Dollar – bekommen hatte. Der Amateurkoch Samak hatte nach seinem Regierungsantritt – wie auch schon in den Jahren davor – wiederholt in der wöchentlichen Fernsehsendung »Tasting and Grumbling« seine Rezepte präsentiert. Mit diesem Urteil hat die politische Krise der vergangenen Wochen ihren bizarren Höhepunkt erreicht.
Zwar wandte das höchste Gericht ein bestehendes Gesetz zur Verhinderung von staatlicher Wirtschaftskorruption an, die Entscheidung ist jedoch nicht als verhältnismäßig zu bewerten. Vielmehr war das Urteil der Versuch, die politische Krise der vergangenen Wochen zu beenden. Und es zeigte einmal mehr die Nähe der Richter zum Königshaus und zu den politischen Eliten der People’s Alliance for Democracy (PAD), die gegen die Regierung protestiert.
Die Anhänger der PAD hatten Ende August das Leben in der Hauptstadt Bangkok de facto zum Stillstand gebracht und am 26. August das Government House besetzt und damit Samak nicht nur symbolisch den Zugang zu den Regierungsgebäuden versperrt. In den folgenden Tagen legten sie in anderen Städten im Süden des Landes den Flugverkehr lahm und mobilisierten Teile der Gewerkschaften für ihren Protest gegen den Premier und die Regierung. In der Nacht des 1. September kam bei gewalttätigen Auseinandersetzungen mit regierungstreuen Demonstranten in Bangkok ein Anhänger der Regierung ums Leben, woraufhin Samak den Notstand ausrief.

Die Anhängerschaft der PAD besteht vor allem aus urbanen Eliten, einigen Gewerkschaften und monarchienahen Gruppen. Ihr einflussreichster Vertreter ist der Medienmogul und Millionär Sondhi Linthongkul, der bereits im Februar 2006 die Straßenproteste gegen den damaligen Premier Thaksin Shinawatra anführte. Die Proteste und Korruptionsvorwürfe gegen Thaksin führten schließlich zu vorgezogenen Neuwahlen im April. Die Mehrheit der Stimmen erhielt wieder die von Thaksin angeführte Partei Thai Rak Tai (TRT). Später wurde die Wahl unter anderem auf Druck des Königs Bhumipol wegen verschiedener Verfahrensfehler vom Verfassungsgericht für ungültig erklärt. Erst ein »gewaltloser« Militärputsch im September 2006 beendete vorläufig die politische Krise.
Thaksin hielt sich zu diesem Zeitpunkt in New York auf und kehrte zunächst nicht nach Thailand zurück. Nach der Machtübernahme verbot das Militär unter General Sonthi Boonyaratkalin Thaksins Partei und regierte über ein Jahr mit geringem Erfolg das Land. Am 19. August 2007 stimmte die Mehrheit der Thais einer neuen Verfassung zu und im Dezember ließ die Junta Parlamentswahlen stattfinden. Die meisten Stimmen erhielt die People’s Power Party (PPP), eine Partei, die dem mittlerweile im britischen Exil lebenden Thaksin nahesteht. Die nach den Wahlen gebildete Regierungskoalition wählte Samak zum Regierungschef.
Samak wurde von seinen Kritikern vorgeworfen, lediglich eine politische Marionette Thaksins zu sein und dessen korrupte Interessenpolitik weiterzuführen. Außerdem wird behauptet, die PPP habe – wie auch schon ihre Vorläuferpartei TRT – einen Teil ihrer Stimmen gekauft. Ihre Wählerbasis hat die Partei in den ärmeren Teilen des ländlichen Nordens und Nordostens, wo auch Thaksins Partei beliebt war. Hier stießen sein populistischer Stil, seine Kreditpolitik und der erleichterte Zugang zur Gesundheitsversorgung auf große Zustimmung. Die PPP profilierte sich in diesen Gegenden als die Partei, die für eine Kontinuität der Politik Thaksins steht.
Die urbanen Eliten und ein großer Teil des Mittelstandes, die sich zum Teil in der PAD organisieren, sehen ihre Interessen in dieser Politik nicht ausreichend vertreten. Dabei werfen sie allerdings weder Samak noch Thaksin ihre Menschenrechtsverletzungen im »War on drugs«, ihre nationalistische Politik oder gar das brutale Vorgehen des Militärs gegen die muslimische Minderheit in den südlichen Provinzen des Landes vor. Die Proteste machen deutlich, dass die PAD den eigenen Namen nicht verdient. Viele ihrer Anhänger forder­ten während der Proteste einen neuen »Putsch« und schlugen eine vollständige Reform der Verfassung vor. Da ein demokratisches System in Thailand nicht funktioniere, forderte der Chef der Partei, Sondhi, eine stärkere Rolle des Militärs in der Politik. Auch schlug er vor, dass zukünftig die Mehrheit der Abgeordneten nicht mehr gewählt, sondern »ernannt« werden sollten. So könne verhindert werden, dass Parteien ihre Stimmen käuflich erwerben. Die PAD sehnt sich offensichtlich nach einem autoritären Wandel und glaubt so, ihren Einfluss auf Politik und Wirtschaft vergrößern zu können. Auch beteuerte sie wieder einmal ihre Nähe zur Monarchie und zu König Bhumipol.
Wie auch schon im Jahr 2006, spielte das Verfassungsgericht durch sein Urteil der vergangenen Woche eine wichtige Rolle beim Versuch, einen Weg aus der politischen Krise zu finden. Samak hatte sich wiederholt geweigert, zurückzutreten und stets seine demokratische Legitimierung betont. Das mit der Durchsetzung der Notstandsgesetze betraute Militär hatte sich geweigert, gewaltsam gegen die Proteste vorzugehen und einen erneuten Putsch ausgeschlossen. Die PAD wiederum hatte erklärt, dass ihre Anhänger die Regierungsgebäude nicht verlassen würden, bis all ihren Forderungen nachgekommen würde. Selbst den Vorschlag einer Volksabstimmung lehnte sie ab.
All das hinderte die PPP nicht daran, Samak – drei Tage nach dem Urteilsspruch – zu den Neuwahlen des Regierungschefs im Parlament am vergangenen Freitag vorzuschlagen. Erst als für seine Wiederwahl nicht ausreichend Abgeordnete erschienen und sich auch die Koalitionspartner von Samak distanzierten, erklärte dieser schließlich seinen Rücktritt.

Damit ist Thailands politische Krise nicht beendet. Die Regierungskoalition steht vor der schwierigen Aufgabe, sich auf einen Kandidaten zu einigen, der glaubwürdig seine Unabhängigkeit von Thaksin behaupten kann. Auch stehen noch verschiedene Verfahren wegen Verfassungsbruchs bei den Wahlen 2007 gegen die PPP aus. Die PAD auf der anderen Seite wird weiterhin ihre autoritäre Interessenpolitik verfolgen, um den Einfluss der ökonomischen und sozialen Eliten auf Dauer zu verstärken. Der Demokratie ist das Land damit nicht näher gekommen.