Labour Party gegen Gordon Brown

Harry Potter mischt sich ein

Beim Labour-Parteitag hat der erwartete interne Putsch gegen Gordon Brown nicht stattgefunden. Trotzdem möchten viele in der Partei den Premierminister loswerden. Nur fehlt es ihnen an einer Alternative.

Der britische Premierminister Gordon Brown gab sich beim Labour-Parteitag in Manchester betont kapitalismuskritisch. Er sprach sich für eine stärkere Regulierung der globalen Finanzmärkte aus und übte scharfe Kritik an den britischen Banken und Finanzinstitutionen. »Die City«, wie die Finanzbranche in Großbritannien bezeichnet wird, habe sich unverantwortlich verhalten, klagte er in einem Interview mit der BBC und nannte das Lohnsystem der »City«, bei dem Managern zusätzlich zu ihrem Gehalt Prämien gezahlt werden, »inakzeptabel«. Es könne nicht sein, dass der Sektor lediglich kurzfristige Gewinne belohne, aber keinen Blick für die langfristigen Implikationen seines Handels habe.
Seine Rhetorik zielte insbesondere auf seine eigene Partei, denn in Manchester schien es zunächst sogar um die Frage zu gehen, ob Brown überhaupt Premierminister bleiben würde.

Innerparteiliche Herausforderer hatten im Vorfeld versucht, eine Abstimmung über den Parteichef zu erzwingen. Der Hintergrund waren die anhaltend schlechten Umfragewerte der von ihm geführten Regierung. Vor genau einem Jahr, beim letzten Labour-Parteitag hatte Brown in den Umfragen noch die Nase vor seinem konservativen Herausforderer David Cameron. Doch seitdem ging es immer nur bergab für Labour. Die letzte landesweite Umfrage, die zu Beginn des Partei­tages veröffentlicht wurde, prognostizierte einen Erdrutsch für die Labour Party und eine Mehrheit von 146 Sitzen für die Konservativen.
Labour hatte in den vergangenen Monaten sämtliche Wahlen verloren, ob auf kommunaler Ebene oder bei Nachwahlen für das Parlament. Der interne Aufstand im Vorfeld des Parteitages wurde von vielen als ein Hinweis auf die zunehmende Nervosität vieler Labour-Abgeordnete interpretiert, deren politisches Überleben angesichts der schwachen Umfragewerte ungewiss ist. Neben einer Reihe von Hinterbänklern war auch das Kabinettsmitglied David Cairns, Staatssekretär für Schottland, am Putschversuch beteiligt. Er sagte, es sei an der Zeit, die Debatte über die Führung der Partei, die ohnehin laufe, offiziell und offen zu führen. Seinen Rauswurf aus dem Kabinett zuvorkommend, trat er vergangene Woche von seinem Posten zurück. Umfragen zufolge unterstützen über die Hälfte der Labour-Mitglieder die vorgeschlagene Abstimmung. Doch die »Rebellen« scheiterten vorerst, nicht zuletzt, weil sie keine Alternative anzubieten hatten. Die beiden inoffiziellen Herausforderer, Außenminister David Miliband und Gesundheitsminister Alan Johnson nahmen an der Rebellion jedenfalls nicht Teil.
Dabei gilt Miliband seit Mai, als er einen langen kritischen Artikel über Brown verfasste, als der wahrscheinliche Herausforderer, sollte es noch vor den nächsten Parlamentswahlen zu einem Wechsel in der Labourführung kommen. Miliband vertritt im Kabinett die Anhänger des ehemaligen Premiers Tony Blair. Der 46jährige Außenminister gilt als frischer und rhetorisch begabter als der oft müde und mürrisch wirkende Brown. Seit seinem kritischen Artikel hat Miliband jedoch regelmäßig jeden Anspruch auf die Spitze zurückgewiesen und seine Loyalität Brown gegenüber zum Ausdruck gebracht. Sollte es Brown nicht gelingen, bessere Umfragewerte zu erzielen, ist zu erwarten, dass es vor den Wahlen im Juni 2010 zu einer Ablösung kommen wird. Brown hat möglicherweise nicht mehr als ein halbes Jahr Zeit, das zu verhindern.
Neben Miliband gilt der Gesundheitsminister Alan Johnson als potentieller Kandidat für die Nachfolge. Seine Rede beim Parteitag sprach Bände. » Ich bin nie ein Cheerleader von Brown gewesen, aber im Augenblick ist Brown der beste Mann«, sagte Johnson mit Betonung auf »im Augenblick«. Johnson lobte auch explizit Miliband, was einige als Hinweis auf Johnson Unterstützung für den Außenminister in Hinblick auf die Parteiführung werteten.
Nicht wenige Labourmitglieder kritisierten die anhaltende Beschäftigung der Partei mit Führungsfragen. Ed Miliband, der Bruder des Außenministers und selber Staatssekretär im Kabinett Brown, erklärte beim Parteitag, dass uneinige Parteien keine Wahlen gewönnen. Solche Beschwörungen zu größerer Einigkeit gab es auch von John Prescott, dem ehemaligen Innenminister und Vertrauten Tony Blairs.
Denn sicher ist, dass David Cameron und die Konservativen von Labours internen Querellen profitieren. Cameron muss derzeit jedenfalls nicht viel tun. Am vergangenen Wochenende hatte er anderes zu tun, als sich mit den politischen Vorgängen in Manchester zu beschäftigen, und versteigerte seinen Fahrradhelm bei einer Auktion für ein Kinderhilfswerk im konservativen Herzland, im ländlichen Südwestengland.

Browns letzte Chance könnte die ökonomische Krise sein. Nicht nur die Labour ist in den vergangenen Monaten nach links gerückt. Steigende Arbeitslosigkeit und Lebenshaltungskosten sowie sinkende Immobilienpreise machen sich in vielen Haushalten bemerkbar. Auch wenn bisher noch keine kohärente Politik aus Westminister zu sehen ist, könnte Brown durch populäre Umverteilungsmaßnahmen politisch Kapital gewinnen. Neben Umverteilung setzt der Premier vor allem auf seine Kompetenz als langjähriger Finanzpolitiker. Auf den kurzfristigen Börsenzusammenbruch vergangene Woche hatte er schnell reagiert und die Fusion einer stark angeschlagenen Bank mit einer anderen Bank durch eine Aufweichung von Kartellbestimmungen ermöglicht. Er hat auch finanzpolitisch interveniert, indem er zum Beispiel das Handeln mit Optionen auf Aktienverluste stark einschränkte.
Beim Parteitag kündigte er auch eine Ausweitung des Angebotes an Kindergärten an. Bis zu 600 000 Kinder sollen zusätzlich kostenlos betreut werden, um Familien und insbesondere allein erziehende Frauen besser zu unterstützen, wie Brown mitteilte.
Unterstützung in seinem Image als Sozialpolitiker bekam Brown durch die prominente Kinderbuchautorin Joanne K. Rowling. Die Erfinderin von Harry Potter spendete der Labour Party eine Million Pfund, eine für britische Verhältnisse außerordentlich hohe Summe. Rowling, die eine persönliche Freundin Gordon Browns und seiner Ehefrau ist, flankierte die Spende mit einem Lob der Kinderpolitik Browns. Der Premier sei ein Vorreiter in der Bekämpfung von Kinderarmut in ganz Europa. Rowling, deren Vermögen sich heute auf über 500 Millionen Pfund beläuft, hatte als alleinerziehende Mutter in sehr armen Verhältnissen gelebt, als sie ihr erstes Buch schrieb. Cameron und den Konservativen warf sie vor, mit geplanten Steuergeschenken an verheiratete Paare insbesondere allein erziehende Eltern zu benachteiligen.