Die ideologischen Wurzeln der Veganer-Ideologie

Liebe Tiere, böse Juden

Auch unter Neonazis hat sich eine Tierrechts- und Veganerbewegung etabliert (Jungle World 16/07). Sie kann sich dabei nicht nur auf die NSDAP beziehen, die mit dem Reichstierschutzgesetz 1934 sehr vielen Forderungen von Tierschützern entgegenkam und auch Tierversuche so stark reglementierte wie nie zuvor. Ihre ideologischen Wurzeln findet sie auch bereits beim Komponisten Richard Wagner, der gegen Tierversuche und Fleischverzehr als »das Böse und das Jüdische« argumentierte, und ebenso beim Antisemiten Paul Förster, für den Tierliebe und Judenhass zwei Seiten derselben Medaille waren.

»Zu wundern brauchen wir uns nicht«, meinte Friedrich Nietzsche am 15. Oktober 1889. Er hatte vom Schlaganfall Paul Försters gehört. »Ein Mann wie Förster«, sagte er, »welcher seinem Nervensystem schon so viel durch die antisemitischen Geschichten zugemutet hat, (…) hat seine Nerven einfach überreizt.« Der Schlaganfall des »Forstmanns«, wie Nietzsche den Bruder seines Schwagers bezeichnete, dürfte nicht nur seinem antisemitischen Engagement geschuldet gewesen sein. Denn Förster, der damals der antisemitischen Reichstagsfraktion angehörte, war auch aktiv in der Naturheilkunde-, Verganismus- und Tierrechts­bewegung. Für ihn war das kein Widerspruch: Der Gymnasialprofessor klagte bereits 1898 in »Tierschutz in Gegenwart und Zukunft« über die Trennung von »Menschen- und Tierrechten« und wetterte auf Kongressen gegen Tierschützer, die nicht konsequent für Tierrechte eintraten. »Tierschützer mit Vorbehalt« nannte er sie 1900 in »Die Vivisektion«. Fleischgenuss und Vivisektion wurden auch schon 1881 in der Entourage von Richard Wagner mit antisemitischen Ressentiments verwoben.

Heute, über 100 Jahre später, findet sich Förster auf Websites von Tierrechtlern und Verganern, wie etwa www.vegetarismus.ch, wieder. In Zitaten­sammlungen renommierter Personen zu Veganismus und Tierrechten taucht er mit der Aussage auf: »Das Recht der Tiere ist von allen höheren Völkern und Menschen seit je anerkannt worden. Ihnen erwächst der Schutz des Tieres als sittliche Pflicht. Gerade die starken, die schaffenden Geister haben sich immer dazu bekannt, Menschen von klugem Rat und mutiger Tat, von warmem Gemüt: die Voll- und Edelmenschen.« Bereits das Zitat lädt zu Nachfragen ein, doch zur Person heißt es auf diesen Websites nur: »Förster, Paul. Politiker und Autor«. Selten scheinen jene Traditionslinien von völkisch-antisemitischen Tierrechtlern schärfere Kritik aufkommen zu lassen. »Bei den extremen Antivivisektionisten«, betont Miriam Zerbel in »Tierschutz im Kaiserreich«, »spielte Paul Förster eine entscheidende Rolle«, und weist auf seine weitere Rolle bei der »antisemitischen ›Deutschsozialen Partei‹« hin. Sie hebt aber hervor: »In seiner Person manifestiert sich die Vielgestaltigkeit der Antivivisektionsbewegung, die, im Gegensatz zu den Tierschutzvereinen, die Agitation gegen Tierversuche häufig nur als Vorwand, nicht als Ziel benutzten.« Die unterstellte Instrumentalisierung wird nicht weiter begründet. Als Reichstagsabgeordneter kämpfte Förster jedoch nicht nur gegen die Vivisektion und das Schächten, da sie »jüdische Thierquälereien« seien. Er setzte sich auch in mehreren Vereinen für die Tiere ein, so war er Mitglied im »Deutschen Vegetarierbund«, dem »Deutschen Lehrertierschutzverein«, dessen Vorsitzender er war, und dem »Internationalen Verein zur Bekämpfung der wissenschaftlichen Thierfolter«, in dem er als zweiter Vorsitzender fungierte. Jahrelang leitete er die Zeitschrift Thier- und Menschenfreund.
In seinem gesamten Engagement verwob Förster, der 1844 in Delitzsch zur Welt kam und 1925 in Berlin starb, eine Kritik an der »jüdischen Moderne« eng mit einer Kritik an der modernen Kultur des Fleischessens, an Tierversuchen und Impfungen. »Der Einzelne, ein Volk, die Menschheit«, hob er zur Wintersonnenwende Anfang 1900 hoffnungsvoll hervor, »besinnt sich auf sich, wird der Verwirrung gewahr (…), kehrt zurück zur Natur, wendet sich ab von der Verrottung und Verrohung.« Denn die Menschen fühlten die »Entartung« durch »erkünstelte staatliche und gesellschaftliche Verhältnisse«. Eine »Bewegung der Wiedergeburt« des Vegetarismus entstünde, um »die kranke Welt« zu erlösen.

Bereits in seinem Bestseller»Die Kunst des glücklichen Lebens« warnte er 1895 vor dem »Ma­schi­nen­zeitalter« und dem »verbildeten Kulturmenschen« und betonte: Allein »sich jeglichem Fleischesgenuss (zu) enthalten« und »allen Reizmitteln« zu entsagen, sowie eine naturgemäße Gesundheitspflege garantierten das »leibliche Wohlsein« und »sittliche Leben«. Kurz: »Mens sana in corpore sano.« Das Essen der »Karnivoren«, so Förster, die »vom sittlichen Standpunkt aus (als) Kannibalen« zu bezeichnen seien, die »Mode-Narrheiten der Frauen«, die moderne Wissenschaft, seien ein »verrotteter Aberglaube«, »Entartungen und Abirrungen von den Pfaden der Natur«. »Glaube« deutet die Richtung an, die Förster ging, wenn er betonte: Der »Kampf für das Gute« sei »zugleich ein Vernichtungskrieg gegen das Böse (…) der uralte Kampf des Lichtes gegen die Finsternis, des Ormuzd gegen den Ahriman«.
Die urgnostischen Prinzipien verband er mit der Mythologie Zarathustras. In dieser Mythologie erringt Ormuzd, die Macht des Lichtes, den Sieg über Ahriman, die Macht der Finsternis. Försters Rekurs dürfte nicht allein seiner Freundschaft zu Nietzsche geschuldet sein. Vielmehr spielte er mit Zarathustras Bild der »bodenständigen Kultur«, in der sich der »Bauer durch die Pflege der Weide und sorgliche Behandlung seiner Haustiere« auszeichnet, und auf der anderen Seite der »wandernden Kultur« der »räuberischen und verschlagenden Nomaden«. In weiteren Schriften wird weniger kodiert auf den »wandernden Juden«, der vermeintlich listig und eigennützig andere Völker ausbluten lasse, hingewiesen. »Die Juden sind unser Unglück«, betonte Förster am 4. Oktober 1894 im »Entwurf« für ein Programm einer »antisemitischen Gesamtpartei«.
Förster wurde aber nicht nur in Parteischriften deutlich. »Wir sind in der eigenen Heimat unserem Wesen entfremdet worden. Fremde Erzieher haben uns in die Schule genommen«, warnte er 1906 in »Deutsche Bildung, Deutscher Glauben, Deutsche Erziehung«, und brandmarkte deren »feindliche Botschaft« offen als das »undeutsche Juden-Christentum«. »Hinweg«, forderte er, mit diesem »fremd-religiösen, klassisch-humanistischen und ›universellen‹ Humanismus«. Jenes »Juden-Christentum« habe die Harmonie von Mensch, Natur und Göttlichem zerstört. Universalismus und Anthropozentrismus, so Föster, seien aus dieser aus »altjüdischen, christlichen (…) Vorstellungen und Vorschriften zusammen geflick­te(n) ›Religion‹« entstanden. Aus ihnen entspringe der »moderne Mensch« und die moderne Welt.

Den »Fleischesgenuss« stellte Förster als integral in der »entmenschlichten Kultur« dar. Die antisemitische Konnotation der Kritik an der Moderne schwingt insofern bei der Argumentation für Veganismus und Tierrechte immer mit. In »Tierschutz« klingt so auch Försters Klage über das »blutige Gaumen- und Magenfutter« als wider die Natur mehrdeutig an, ebenso seine Mahnung vor der »schrankenlosen Humanität«, die das »Ich in den Mittelpunkt des Seins« stelle. 1909 griff er in »Der Vegetarismus als Grundlage eines neuen Lebens« wieder diese »naturwidrige Lebensweise« an. Eine hohe Auflage von 50 000 Exemplaren hatte die Schrift, in der er erneut mehrdeutig ausführte, dass »fremde Willkür« Menschen zu »Sklaven« von »schlechten Leidenschaften« mache. Das »Judentum« war für ihn auch für die rationale Wissenschaft und Lehre – der »undeutschen Schule« – verantwortlich, dessen »unnatürliche Lebensweise« wie Aas­essen zu »künstlichen Krank­heiten« führe. Die »modernen Mediziner«, die er als »jüdisch« brandmarkt, suchten prompt an »schuldlosen Tieren« nach »künstlichen Heilmitteln« gegen die »angezüchteten Krankheiten«. Die meisten Krankheiten habe sich der Mensch, wiederholte Förster anlässlich der Verhandlung der Vivisektion im preußischen Abgeordnetenhaus 1883, »durch seine eigene unmäßige und schlechte Lebensweise zugezogen«, wogegen »er nun durch wissenschaftliche Thierfolter« Heilmittel finden zu können glaube – »Mord im Dienste der Wissenschaft«.
Nur selten behauptete Förster in seinen Schriften und Reden unchiffriert, dass Fleischessen, Tierversuche und Mammonstreben die Resultate der »jüdischen Eigenart« und »Verführung« seien. In »Deutsche Reform«, so stellte aber bereits im Jahr 1900 der »Verein zur Abwehr des Antisemitismus« fest, schrieb er offen: »Der Vegetarismus wird später sicherlich (…) dem jüdischen Treiben gefährlich« werden – als »volkserneuernde Macht«.
Fast 100 Jahre später schreibt Paul Weindling in seiner Studie »Health, race and German politics between national unification and Nazism 1870 – 1945«, bei Förster erschienen Medizin, Vivisektion und Fleischgenuss als »Produkte (eines) jüdischen Rationalismus«. In Försters Panorama der »jüdischen Moderne« wird die Kritik an Anthropozentrismus, Rationalismus, Medizin und Fleischessen zu einem »totalitären Antisemitismus« (Max Horkheimer/Theodor W. Adorno). Offen hoffte er 1894 auf die »Ausscheidung der Juden aus dem deutschen Volk«. Die Tierliebe ging mit dem Judenhass einher.