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Der Kapitalismus wird immer rätselhafter. Man sollte annehmen, dass bei einer Finanzkrise zumindest die Höhe der bisherigen Verluste sowie das Ausmaß der noch bestehenden Risiken bekannt sind. Andernfalls tappen die Politiker im Dunkeln, wenn sie der Finanzbranche staatliche Hilfe zukommen lassen, da sie nicht wissen können, ob das Geld ausreicht und was die Banker mit der Staatsknete anstellen werden. Doch bislang gibt es nur grobe Schätzungen. Am Dienstag wagte eine der wenigen Institutionen, die noch als seriös gelten, eine Zahlenangabe. Die Bank of England, die britische Notenbank, glaubt, dass bislang 2,8 Billionen Dollar verloren gegangen sind. Für staatliche Hilfsmaßnahmen seien weltweit etwa 7,8 Billionen Dollar bereitgestellt worden.
Aha, ist man versucht zu sagen, da müsste doch noch einiges übrig sein. Doch die »Rettungspakete« dienen vor allem der Absicherung gegen noch bestehende Risiken. Wie hoch die Verluste werden können, weiß niemand, denn das Geschäft ist so komplex geworden, dass selbst der durchtriebenste Broker nicht mehr durchblickt. Das Volumen des Marktes für Finanzderivate wird auf 596 Billionen Dollar geschätzt, das ist mehr als das Dreifache des globalen Geldvermögens von 167 Billionen Dollar. Auf dem Markt für Finanzderivate zählt jedoch der notional value, der fiktive Wert. »Dieselben Aktiva können in mehrere unterschiedliche Derivate einbezogen sein«, erläutert der Ökonom Jacob Leibenluft. Nun versteht man zwar besser, warum es zum Crash kam. Irgendwann kapiert sogar ein Banker, dass man denselben Kredit oder Warenposten nicht immer wieder aufs Neue verkaufen und dabei mit immer höheren Profiten rechnen kann. Dann geht das Gejammer los und es wird nach dem Staat gerufen. Doch es bleibt rätselhaft, woher der Glaube kommt, dass die »Rettungspakete« ausreichen werden, sofern nicht eine Lösung gefunden wird, um den notional value des Derivatenmarkts zu entwerten. Im Geschäftsleben ist es jedoch nicht so einfach, zwischen fiktivem und realem Kapital zu unterscheiden. Überdies gelten die »Rettungspakete« allein den Banken, die meisten Finanztransaktionen werden jedoch von Versicherungen, Hedge-Fonds, aber auch Industriekonzernen und anderen Unternehmen abgewickelt.