Der Sexualantisemitismus der Nazis

Scherzende Sittenpolizisten

Demütigung, Knüppelschläge auf die Genitalien, Stiefeltritte in den Unterleib, Sterilisation, Kastration, Verstümmelung. Einblicke in den Sexualantisemitismus der Nationalsozialisten gewährt Gerhard Henschel

Josef Sackar, der in Auschwitz als Rekrut eines »Sonderkommandos« in den Gaskammern und Krematorien arbeiten musste, hat von der Beschämung erzählt, die die entkleideten, zum Tode verurteilten Jüdinnen unmittelbar vor ihrer Ver­gasung peinigte: »Viele Frauen schämten sich. Sie kauerten sich so zusammen, damit man sie nicht sehen konnte. Vergessen Sie nicht, dass viele dieser Frauen aus religiösen Häusern kamen und sich niemals vor Fremden, ja noch nicht einmal vor ihren Ehemännern ausgezogen hatten. Viele fühlten sich daher besonders erniedrigt.« In dieser Hölle waren die Sexualantisemiten in ihrem Element, und sie konnten ungeniert ihr wahres Gesicht enthüllen, ohne irgendeine Strafe befürchten zu müssen, mit der einzigen Einschränkung, dass sich der nationalsozialistische Staat auch in der sonst vollkom­men rechtsfrei gestellten Zone der Vernichtungslager die peinlich genaue Einhaltung der Nürnberger Gesetze wünschte. Alle anderen hatte der Führer suspendiert und seinem Elitekorps freie Hand gewährt. Was sich zutrug, als es diese fast absolute Handlungsfreiheit genoss, hat der 1942 ins KZ Tre­blinka deportierte Jude Abraham Goldfarb gesehen: »Auf dem Weg zu den Gaskammern standen an beiden Seiten des Zaunes Deutsche mit Hunden. Die Hunde waren darauf abgerichtet, Menschen anzufallen; sie bissen die Männer in die Genitalien und die Frauen in die Brüste und rissen Fleischstücke heraus.«
Die Einbildungskraft sträubt sich dagegen, und doch ist das alles geschehen, und es hat sich nicht als Blitzschlag aus einem heiteren Himmel der abendländischen Zivilisationsgeschichte ereignet. Die Idee, Juden zu kastrieren, fiel nicht erst den Nationalsozialisten ein. Menschheitsgeschichtlich neu war ihre Methode der Kastration durch bissige, auf das Zerfleischen von Geschlechtsteilen dressierte Hunde.
»Um nun die dem Staate so verderbliche Vermehrung der Juden zu verhindern, bleibt in der That kein anderes Mittel übrig, als alle Juden­­jun­gen, die nach dem Erstgeborenen gebohren (sic) werden, zu kastrieren«, befand der anonyme Autor eines 1803 in Berlin verlegten Elaborats. »Es kommt ja hier nur auf ein paar Schnitte mehr an. Aber diese Paar Schnitte mehr, welche wohlthätige Folge für den Staat würden sie haben?« Die Historiker Rainer Erb und Werner Berg­mann, die dieses frühantisemitische Zitat aus der »Nachtseite der Judenemanzipation« geborgen haben, sind auch hellhörig gewesen für den giftigen Unterton des Verfassers bei seiner Anspielung auf die Beschneidung: Von ihr, haben sie festgestellt, gehe »eine faszinierende Wir­kung auf Nicht-Juden aus, und sie ist das Mysterium für jede antijüdische Pornographie, die etliche Male Beschneidung mit Kastration kombinierte«.
Im frühen vierzehnten Jahrhundert soll ein Jude in Avignon wegen des Geschlechtsverkehrs mit einer unverheirateten Christin öffent­lich kastriert worden sein. Einer der furchtbarsten Gewaltakte dieser Art soll sich 1530 in Prag zugetragen haben. Nähere Einzelheiten zitierte der Strafrechtsgelehrte Jacob Döpler Ende des siebzehnten Jahrhunderts aus einem Werk seines Vorläufers Andreas Hondorff. »Sonsten hat man vor Alters denen Juden / wenn sie mit einer Christin Ehebruch getrieben / zur Strafe die Virilia abgeschnitten«, schrieb Döpler. Andreas Hondorff führe an,
dass ein Juede zu Prage in Boehmen Anno 1530. gewesen / so mit einer Christin gebuhlet / und drueber ertappet worden / welcher sein maennlich Glied zu einen Spund eines gepichten brennenden Fasses hinein stecken muessen / und wurde ihm darzu aufs Fass ein schartig stumpf Messer geleget. Als ihm nun die Hitze so grimmig weh getan hat er ihm mit dem Messer sein Glied vor Schmertzen abgeschnitten. Und da er nun also blutig davon hat lauffen wollen / hat man boese Hunde an ihm gehetzet / die ihn zerrissen.
Der Erfindungsreichtum der hierfür verantwort­lichen Richter und Henker kam dem der SS schon recht nahe.
Doch die Zeiten änderten sich, wenn auch nur langsam und schwerfällig. Im Fortgang der Jahrhunderte fielen die Urteile über Angeklagte, die man der Unzucht beschuldigte, zusehends milder aus, zum äußersten Missbehagen von Sit­tenpredigern, die in strenger Keuschheit lebten und auch keinem anderen Menschen ein Vergnügen gönnten, dem sie entsagt hatten. 1810, noch vor der Turnvaterschaft, die seinen Namen unsterblich machen sollte, ließ Friedrich Ludwig Jahn auf ein Lob des Maßhaltens einen Verriss der Wollust folgen, der in einem Aufruf zur Kastration aller Andersdenkenden gipfelte: »Mäßigkeit bleibt die Würze der Sinnenfreuden, die Arznei des Genusses, die Seele des Lebens. Jeder Mann tauscht die Menschheit mit der Viehheit, der Mannheit und Mannlichkeit (sic) durch die Kraft der Zuchttiere und Beschäler zu beweisen wollüstelt. Er ist schon geistig und sittlich entmannt und verdient solchen Greuel auch leiblich unter dem Hämmlingsmesser zu büßen.« Auch aus diesem Straf­traum­gebilde eines sexuell abstinenten oder nur mäßig aktiven Rhetorikers sprach der Neid auf alle Männer, die es besser hatten und es endlich einmal noch viel schlechter haben sollten als der maßvolle Turnvater in spe. Wenn er mit seinem knap­pen Maß an Sinnenfreuden so glücklich und zufrieden gewesen wäre, wie er behauptete, dann hätte er keinen Grund dazu gehabt, das reichere, von anderen Männern genossene Maß zu benörgeln und ihnen gedanklich mit einem Kastrationsmesser näherzutreten, um sie für sexuelle Genüsse büßen zu lassen, die ihn selbst angeblich nur höchst mäßig interessierten.
»Damit die Juden sich ferner nicht fortpflanzten, koennte man auch Alles, was von ihnen an die Wand p-k-lt«, kurzerhand »verschneiden lassen«, schlug 1819 der Judenhasser Hartwig von Hundt-Radowsky vor. Humanisten und Aufklärer hatten die Kastration unter größten Mühen aus den Strafkatalogen der meisten Gesetzesbücher verbannt, aber der Gedanke daran lag noch in der Luft, als Arthur Schopenhauer sich eine bessere Welt ausmalte: »Könnte man alle Schurken kastriren und alle dummen Gänse ins Kloster stecken, den Leuten von edelem Charakter ein ganzes Harem beigeben, und allen Mädchen von Geist und Verstand Männer, und zwar ganze Männer, verschaffen; so würde bald eine Generation erstehen, die ein mehr als Perikleisches Zeitalter darstellte.« Einen Charakterkopf, dem von Rechts wegen »ein gan­zes Harem« beizugeben gewesen wäre, hatte Schopenhauer in sich selbst erkannt. Doch es existierte noch keine Behörde, die geistvollen Edelmännern wie ihm die private Anbahnung von Sexualkontakten abnahm und ihm geeignete Haremsweiber zuteilte, und so blieb er allein mit seinem Pudel und suchte Trost im Rachetraum von der Kastration aller »Schurken«, den auch andere weiße Männer träumten.
»Uns droht eine Sintflut der Minderwertigen«, warnte 1928 ein Mitarbeiter des Wiener Jugendhilfewerks. »Wo Schwerverbrecher, Sexualverbrecher, Idioten, schwere Epileptiker die mensch­­­liche Gesellschaft mit den Produkten ihres Leibes zu gefährden beginnen, dort ist kein Raum, dort sind Taten erforderlich. Sterilisation, unter Umständen Kastration werden Gebot der Not­wehr.« Die Nationalsozialisten gingen noch etwas weiter, als sie verlangten, dass auch jüdische »Rasseschänder« künftig »durch Entmannung unschädlich gemacht werden« sollten. Hans Puvogel, ein Jurist, der später in der Bundesrepublik Deutschland das Amt des niedersächsischen Justizministers bekleidete und erst 1978 ins Gerede geriet und zurücktreten musste, setzte sich 1937 in seiner Dissertation mit den »leitenden Grundgedanken bei der Entmannung gefährlicher Sittlichkeitsverbrecher« auseinander und kam zu dem Schluss, dass die Kastration minderwertiger »Elemente« zwingend geboten sei: »Bedenkt man ferner, dass der Gesetzgeber sich die Förderung einer gesunden Rasse durch Ausmerzung minderwertiger und verbrecherischer Elemente im hohen Maße angelegen sein lässt, so glauben wir mit vollem Recht, die Behauptung aufstellen zu dürfen, dass die Entmannung als weiteres Mittel neben der Sterilisation im Kampf um die rassischen Belan­ge unseres Volkes eingesetzt werden soll.«
Mit den Nürnberger Gesetzen und den Rassen­schandeprozessen ­erzielten die Nationalsozialisten den gewünschten Erfolg, und es wird ihnen nicht unlieb gewesen sein, dass die in Deutschland verbliebenen Juden sich gegenseitig mit wild umlaufenden Gerüchten über die Kastrationsstrafe einschüchterten.
Wir hörten bald Geschichten oder Gerüchte über die scharfen Strafen, die über Leute verhängt worden waren, die sich gegen diese Gesetze vergangen hatten. Ich erinnere mich an einen Fall: Ein jüdischer Mann hatte eine »arische« Freundin, hütete sich sorgsam davor, sie auch nur anzurühren, wurde aber beschuldigt, in ihrer Gegenwart und während sie sich auszog, onaniert zu haben. Er wurde zu Zuchthausstrafe und Kastration verurteilt. Ob wahr oder unwahr, solche Geschichten ­machten einen tiefen Eindruck auf mich, in Folge dessen ich es dann in den Jahren meines eigenen sexuellen Erwachens kaum wagte, weibliche Wesen auch nur anzugucken. (1)
Mit diesem Husarenstück wären die Nationalsozialisten in ihrem Kampf gegen das Judentum bereits am Ziel gewesen, wenn sie nicht noch etwas Größeres vorgehabt hätten; etwas, das bei­spielsweise dem Häftling Friedrich Bass bei der Einlieferung ins KZ Kemna widerfuhr: »Als ich dann nackt dastand, begann man mich mittels eines Schlauches abzuspritzen. Wohl zehn Minuten lang war ich dem kalten Wasserstrahl ausgesetzt, wobei man mir recht häufig den Strahl in’s Gesicht und gegen die Geschlechts­teile richtete, was heftige Schmerzen verursachte.« Einer ähnlichen Tortur sah sich der Häft­ling Willi Ising ausgesetzt: »Mit Bleikabeln schlug man auf sein entblößtes Ge­schlechts­teil.«
So handelten die Sexualantisemiten, als sie tun durften, was sie wollten. In den Konzentrationslagern wurden Juden Stiefeltritte in den ­Unterleib verpasst und bei Strafmaßnahmen we­gen des Delikts der »Rassenschande« Gummiknüppelschläge auf die Genitalien, auf offener Straße. Bernard Goldstein, der den im Warschauer Ghetto erschossenen Märtyrer Moische Sklar zu Grabe trug, hat geschrieben: »An seinem Körper sahen wir die Merkmale der Folterung, er war über und über mit dunklen Flecken und Wunden bedeckt. Seine Finger und sein Geschlechtsorgan waren zerquetscht; in seine Fuß­sohlen waren Löcher gebrannt.« Im Juli 1941 wurden Juden in Lettland kastriert, und im Frank­furter Auschwitz-Prozess sagte ein Zeuge aus: »Ich kann mich genau an einen Juden erinnern, der lag im Sterben. Er war so getreten, dass die Genitalien derart geschwollen waren und so voll Eiter, dass man es nicht beschreiben kann.« Ein anderer Zeuge informierte das Gericht über die Foltermethoden des Angeklagten Friedrich Wilhelm Boger:
Nach mir wurde Walter Windmüller hineingerufen, auch ein Jude.
Ich schätze, dass er etwa zwei bis drei Stunden drin gewesen ist. Er kam dann wankend heraus, war blutig geschlagen, und das Blut floss ihm aus den Hosenbeinen. Man hat in Auschwitz gelernt, mit unbewegtem Mund zu sprechen. Windmüller hat mir gesagt, dass ihm dort drin die Hoden zerschlagen worden sind. Paar Tage später haben wir seine ­Todes­­meldung bekommen.
Der Soziologe Wolfgang Sofsky hat davor gewarnt, aus solchen Handlungen voreilige Rückschlüsse auf die Sexualpathologie der Täter zu ­ziehen: »Die Fingerglieder mit Hammerschlä­gen zu zertrümmern, die Hirnschale mit eisernen Klemmschrauben zu zermalmen und sich an den Geschlechtsteilen zu schaffen zu machen, diese Formen menschlicher Bestialität legen den Verdacht einer sexualpathologischen Täter­persönlichkeit nahe. Dies ist im Einzelfall nicht völlig auszuschließen. Es sollte indes nicht über­sehen werden, dass derlei Praktiken dem herkömmlichen Berufswissen von Folterknechten entstammen.«
Das trifft, so einleuchtend es auch sein mag, zumindest nicht auf die Zwangssterilisation zu, der sich gesundheitlich, ethisch oder rassisch vorgeblich Minderwertige ausgeliefert sahen. Die­se Methode war neu, und sie warf technische Probleme auf, die in der NS-Bürokratie den Gegenstand reiflicher Erwägungen und eingehender Erörterungen bildeten. 1942 schrieb der SS-Oberführer Viktor Brack an Heinrich Himmler, dass unter den ungefähr zehn Millionen europäischer Juden mindestens zwei bis drei Millionen »sehr gut arbeitsfähige Männer und Frauen enthalten« und »auf jeden Fall herauszuziehen und zu erhalten« seien:
Allerdings geht das nur, wenn man sie gleichzeitig fortpflanzungs­unfähig macht. Ich habe Ihnen vor ca. einem Jahr bereits berichtet,
dass Beauftragte von mir die notwendigen Versuche für diesen Zweck abschließend bearbeitet haben. Ich möchte diese Tatsachen nochmals in Erinnerung bringen. Eine Sterilisation, wie sie normalerweise bei Erbkranken durchgeführt wird, kommt in diesem Fall nicht in Frage, da sie zu zeitraubend und kost­spielig ist.
Eine Röntgenkastration jedoch ist nicht nur relativ billig, sondern lässt sich bei vielen Tausenden in kürzester Zeit durchführen.
Ich glaube, dass es auch im Augenblick schon unerheblich geworden ist, ob die Betroffenen dann nach einigen Wochen, bzw. Monaten an den Auswirkungen merken, dass sie kastriert sind.
Für die Opfer waren die Folgen fatal. Darauf verwies eine Passage der Anklageschrift im ersten Auschwitz-Prozess: »Die Personen, die diesen Röntgenstrahlversuchen unterzogen wurden, erlitten zum Teil schwere und mit erheblichen Schmerzen verbundene Verbrennungen. Viele sind an deren Folgen verstorben oder anschließend vergast worden, u. a. 40 jüdische Män­ner, die tiefe Röntgenverbrennungen in der Genitalgegend hatten.«
Im Herbst 1942 hatte der Arzt Horst Schumann in Auschwitz an ­Juden Sterilisationsexperimente mit Röntgenstrahlen vorgenommen.
Schumann sucht sich seine Versuchspersonen selbst aus. Es sind ­immer junge, gesunde, gutaussehende jüdische Männer, Frauen und Mädchen, die hinterher wie Greise aussehen. Die bestrahlten Körperpartien sind verbrannt, eitern. Häufig sind auch die Gedärme getroffen. Viele sterben. Zu Schumanns Kontrollversuchen, ob die Bestrahlung gewirkt hat, gehört die so genannte Samenprobe: Ein mit einem Gummi­schlauch be­spann­ter Knüppel wird in den Mastdarm des ­Opfers gesteckt und die Drüsen so lange gereizt, bis es zum Samenerguss kommt, um das Ejakulat auf Sperma untersuchen zu können.
Schumann lässt den bestrahlten Männern zur »Erfolgskontrolle« die Hoden und den Frauen die Eierstöcke herausschneiden. Die Opera­tionen werden als Fließbandarbeit vorgenommen, in Anwesenheit des nächsten Opfers. Wer Schumanns Röntgenkastration überlebt, überlebt als verstümmelter, für sein Leben ruinierter Mensch.
Taten wie diese gingen weit über alles hinaus, was das herkömmliche ­Berufswissen von Folterknechten mit sich gebracht haben mochte. Kein Sexualpathologe dürfte achtlos am Fall eines Massenmörders vorübergehen, der seine Opfer in der Genitalregion mit Röntgenstrahlen verbrannt und wehrlosen Gefangenen gewalt­sam einen Knüppel in den Mastdarm gesteckt hat, um ihr Ejakulat untersuchen zu können. Er­schwerend kommen in Schumanns Fall das Herausschneiden von Hoden und Eierstöcken hin­zu, die Mitgliedschaft in einer kriminellen Bande sowie die Beihilfe zum Völkermord. Wenn ein Serienmörder wie Horst Schumann kein Fall für die sexualpathologische Fachabteilung der forensischen Psychiatrie wäre, wer dann? Das gleiche gilt für seine Tatgehilfen vor Ort und mehr noch für seine Auftraggeber, die das Abendland einem Purgatorium unterziehen woll­ten und auf dem Amtswege Millionen Juden das Leben genommen haben.
Erkrankungen kamen in Auschwitz einem To­des­urteil gleich. Vor Gericht hat ein Zeuge darüber ausgesagt, was auf die Juden wartete, deren Gesundheit und Arbeitskraft durch die Röntgenbestrahlung gelitten hatten:
Wir mussten uns ausziehen und die Geschlechtsteile wurden unter ­einen Apparat gebracht und für 15 Minuten unter dem Apparat gehalten. Der Apparat hat die Geschlechtsteile und Umgebung stark gewärmt und nachher haben sich diese Teile schwärzlich gefärbt. Nach dieser Aktion mussten wir sofort wieder arbeiten. Im Verlaufe von einigen ­Tagen haben die Geschlechtsteile bei den meisten Kameraden geeitert und sie hatten sehr große Schwierigkeiten beim Gehen. Sie mussten aber trotzdem arbeiten, bis sie umfielen. Die Umgefallenen kamen zur Vergasung.
Ich selbst habe nur eine Nässe gehabt, aber keine Eiterung. Nach zwei Wochen, ungefähr im Oktober 1943, hat man sieben Mann unserer Gruppe nach Auschwitz I geführt. Diese Strecke musste zu Fuß zurückgelegt werden. Sie hatten sehr große Schwierigkeiten beim Gehen, weil die Geschlechtsteile schmerzten. Wir kamen nach Auschwitz I in den Krankenbau, Block 20. Dort hat man uns operiert. Wir bekamen eine Spritze in den Rücken, worauf die untere Körperhälfte gefühllos wurde, während der obere Teil des Körpers vollkommen normal blieb. Beide Hoden wurden entfernt. Es erfolgte keine vorherige Untersuchung über Samenflüssigkeit. Ich habe den Vorgang im Spiegelglas einer ­chirurgischen Lampe beobachten können. Es wurde auch keine ­Einwilligung zur Operation eingeholt. Man hat nur gesagt »Du gehst«. Daraufhin wurde man wortlos auf den Operationstisch gelegt.
Einige Jahre zuvor hatte Adolf Hitler noch eifersüchtig zu allen Juden aufgeblickt, die, wie er glaubte, »satanische Freude« erfüllte, wenn sie auf der Lauer lagen, um Arierinnen zu verführen, mit einem Geschick, das einem stieseligen, abgerissenen und uncharmanten Männerheimbewohner wie ihm nicht gegeben war. Aus diesem Elend fand er erst heraus, als er seine Rednergabe entdeckte, und er nutzte sie, um mit seinem gewaltigen und suggestiven Neidgeschrei eine Machtposition zu erobern, die es ihm erlaubte, unzählige Juden von dressierten Hunden und deutschen Fachärzten kastrieren zu lassen: Auch so könnte man Hitlers ­Leben nacherzählen, ohne von der historischen Wahrheit abzuweichen. Zur Errichtung und zum Betrieb der Vernichtungslager hatte es noch vieler anderer Motive, politischer Faktoren und wirtschaftlicher Interessen bedurft, nicht zuletzt der seelischen Grabeskälte des leitenden Personals aller Unternehmen, die vom Holocaust profitierten, aber der irrlichternde sexuelle Neid und die darin gärende Gewaltbereitschaft haben, wie die Quellen zeigen, bei diesen Vorgängen eine Rolle gespielt.
In den Konzentrationslagern erging es den zwangssterilisierten Frauen nicht besser als den Männern. Eine Frau, die im KZ Ravensbrück zum Dienst als Ärztin eingeteilt worden war, sag­te nach Kriegs­ende aus:
Ich habe gefangene Zigeunerfrauen gesehen, wie sie ins Röntgenzimmer gingen und wie sie wieder herauskamen, wo sie nach einer Methode sterilisiert wurden, die meines Wissens in Osviecim [Auschwitz] ausprobiert worden war. Diese Methode beruhte darauf, dass eine entzündende Flüssigkeit in den Uterus gespritzt wurde, höchstwahrscheinlich Silbernitrat zusammen mit einer kontrastierenden Flüssigkeit, um eine Röntgenkontrolle der durchgeführten Operation zu ermöglichen. Alle sterilisierten Frauen wurden sofort nach der Sterilisation geröntgt. Ich habe diese Bilder mit der Ärztin Dr. Mlada Taufrova untersucht und bin daher in der Lage zu bezeugen, dass bei den meisten der oben ­erwähnten Fälle die Füllung bis in das Ende der Eileiter eingedrungen war; in mehreren Fällen sogar bis in die Bauchhöhle. Nur ungefähr den letzten zehn wurde durch das Eingreifen der SS-Schwester Gerda eine Narkose gegeben. Ich habe die Kinder die ganze Nacht nach der ­Operation gepflegt. All diese Mädchen bluteten aus den Geschlechtsteilen und hatten solche Schmerzen, dass ich ihnen heimlich Beruhigungsmittel geben musste.
Die Nationalsozialisten, die als skrupellose Sexualverbrecher imstande waren, Juden die Hoden und Jüdinnen die Eierstöcke herauszuschneiden und kleine Mädchen durch Gewaltanwendung aus den Geschlechts­teilen bluten zu lassen, verstanden sich zugleich als Sittenpolizisten. Dennoch konnten sie nicht jeden unerwünschten Sexualkontakt in ihrem Machtbereich unterbinden. Dafür nahmen sie, wo immer es möglich war, tödliche Rache. Die Zeitzeugin Franzi Löw aus Wien hat einen solchen Fall geschildert:
Es wurde eine jüdische Frau, Frau Munk, während ihres Aufenthaltes im Gefangenenhaus von Brünn schwanger. Das hat man nicht gewusst, sondern man hat gedacht, sie habe einen Tumor. Sie ist zur Unter­suchung nach Prag geschickt worden. Von Prag ist sie nach Wien ­gekommen, in Wien hat sich herausgestellt, die Frau hat keinen Tumor, die Frau ist schwanger. Daraufhin hat man nachgerechnet und ist draufgekommen, dass die Frau während ihrer Gefangenschaft geschwän­gert worden sein muss. Man hat durch Mithäftlinge herausgefunden, wer der Vater des Kindes ist, und hat den Vater hingerichtet.
Als Gefangene hatten alle Juden das Recht verwirkt, sich sexuell zu betätigen, aber selbst in Auschwitz kam es vor, dass weibliche Häftlinge ein Kind empfingen. Sobald die SS dahinterkam, wurden Mutter und Kind ermordet, und auch der Vater, wenn man ihn ermitteln konnte:
Ab und zu passierte es auch, dass eine der Frauen schwanger wurde und man zwang sie dann, den Vater anzugeben. Da weder ­Auschwitz, noch Birkenau über eine Entbindungsanstalt verfügten, blieb nichts ­anderes übrig, als die werdende Mutter in den Kamin zu stecken! Der »glückliche« Vater kam in den Bunker, im Block 11, und wurde damit der liebenden Sorgfalt des »dicken Jakob« anvertraut. Nie wieder hörte man etwas von ihm.
Das gleiche Gesetz galt in anderen Konzentra­tionslagern. »Mit Frauen zu sprechen, war in Maj­danek für einen Häftling das größte Vergehen.«
Die meisten Häftlinge wären überhaupt nicht auf den Gedanken gekommen, denn die ausgeklügelten Methoden der Terrorherrschaft führten dazu, dass in den Konzentrationslagern eine unter normalen Umständen irreale Wunsch­vorstellung der Sexualantisemiten Wirklichkeit wurde: Die inhaftierten Juden büßten ihren Geschlechtstrieb ein. Die Forschung spricht von »sexuellen Deprivationen (Amenorrhöe, Suspen­sion der mit dem Geschlechtstrieb zusammenhängenden Funktionen, auch bei Pubertierenden)«. Bei Frauen setzte die Regelblutung aus; bei Männern die Erektionsfähigkeit – in Treblinka zur Erheiterung der ukrainischen Wachleute, wie der ehemalige Häftling Richard Glazar ­berichtet hat: »Ich erinnere mich an einmal, lange vor diesem Tag, da brachte einer von ihnen eine Nutte mit in den Wald und befahl Kuba, mit ihr … na ja … Sie wissen schon. Kuba – es gab drei Kubas in Tre­blinka, und dieser war ein riesiger Kerl – der konnte nicht, und sie lachten sich kaputt. Das war die Art von Scherzen, die sie liebten. Viele von uns jungen Männern hatten längst keine sexuellen Gefühle mehr.«
Andere Überlebende machten die gleiche Erfahrung. »Hier wurde jede sexuelle Regung sofort in die untersten Regionen des Bewusstseins verbannt, die Anstrengungen zur Erhaltung des nackten Lebens erstickten alles andere.« Als stärkster Trieb behauptete sich der grundlegende, Nahrung und Flüssigkeit aufzunehmen: Im Körper eines Verhungernden und Verdurstenden gehen auch der Wollust die Ressourcen aus, und es verbleiben nur Hunger und Durst. In dieser physiologischen Zwangsläufigkeit hat der Psychologe Viktor E. Frankl nach seiner Haftzeit eine Erklärung für die Verkümmerung des Sexualtriebs der KZ-Häftlinge gefunden:
Führt die Unterernährung dazu, dass die primitive Triebhaftigkeit, die den Lagerhäftling im zweiten Stadium seiner inneren Anpassung an das Lagerleben ergreift, den Nahrungstrieb in den Bewusstseinsvordergrund rückt, so erklärt wahrscheinlich hauptsächlich diese Unterernährung auch die Tatsache, dass der Sexualtrieb im allgemeinen schweigt. Abgesehen von der anfänglichen Schockwirkung ist es wohl nur so zu verstehen, was dem Psychologen in diesen Massenquartieren von ­Männern auffällt: dass, im Gegensatz zum Massenleben in anderen Ubikationen (Kasernen und dergleichen), hier nicht »geschweinigelt« wird.
Allein durch ausreichende Ernährung und körperliche Genesung fanden allerdings bei weitem nicht alle befreiten Häftlinge zu ihrer einstigen Konstitution zurück. »Seine sexuelle Potenz ist oft nihil, libidinöse Wünsche – wie gewöhnlich bei solchen chronischen Depressionszuständen – kaum vorhanden«, schrieb der Psychoanalytiker William G. Niederland in einem Gutachten über den Gesundheitszustand eines Juden, der die Gefangenschaft in ­Auschwitz überstanden hatte. Mutmaßungen über die Anzahl der Juden, die nach der Befreiung das gleiche Schick­sal ereilt hat, können sich nur in der Grauzone vielstelliger Dunkelziffern verlieren. Auch ohne die wissenschaftlich gesicherte Grundlage statistischer Erhebungen aus nachgelassenen Notizen der Analytiker und Therapeuten verfolgter Juden gibt es allen Grund zu der Annahme, dass die Nationalsozialisten mit der geistigen oder körperlichen Gesundheit ­vieler ihrer überlebenden Opfer auch deren Sexualleben aufs grausamste beschädigt hatten, auf Jahre und Jahr­zehnte hinaus. Dessen durfte sich Adolf Hitler sicher sein, als er im Führerbunker Selbstmord beging.
In den besetzten Ländern waren viele Männer zur polizeilichen Untersuchung ihrer Eichel gezwungen worden. Der Historiker Emanuel Ringelblum, der in einem Kellerversteck in Warschau Aufzeichnungen über die Besatzungszeit verfasste, bis er im März 1944 entdeckt und erschossen wurde, hatte von einer Möglichkeit gehört, wie beschnittene Juden ihrer Enttarnung entgehen könnten:
Die Agenten und die Polizei machten große Fortschritte beim Aus­findigmachen von Juden. Sofern es sich um Männer handelte, bereitete diese Sache keine Schwierigkeiten: Hosen herunter und der Beweis ist da. Und es wird bei jeder Gelegenheit befohlen, die Hosen ohne Umstände und Zimperlichkeit herunterzulassen, oft werden auch Arier auf diese Weise kontrolliert, die der jüdischen Ab­stammung verdächtigt werden. Man suchte auch da nach einem Ausweg. Es wird die Ansicht vertreten, dass man das Geschlechtsorgan von Juden durch einen ärzt­lichen Eingriff einem unbeschnittenen ähnlich machen könne. Wegen der sexuellen Störungen, die mit einer solchen sehr kostspieligen Opera­tion verbunden ist, wurde meist darauf verzichtet.
Auch Polen machten Jagd auf Juden, um sie aus­zurauben und zu erpressen oder sie den Deutschen auszuliefern. Wie Bernard Goldstein be­richtet hat, nannten die verfolgten Juden diese polnischen Kopfjäger »Schmaltzovniks«.
Im Falle eines männlichen Verdächtigen hatten die Schmaltzovniks ­einen einfachen und sicheren Weg zur Feststellung seiner Identität. Sie schleppten den Mann in einen Torweg oder Hauseingang und rissen ihm die Hose herunter. Es gab in Warschau wenigs­tens einen Arzt, der gegen ungeheure Bezahlung plastische Operationen ausführte, um eine Andeutung einer Vorhaut herzustellen. Die Operation war außer­ordentlich schmerzhaft und gefährlich, aber es gab Leute, die verzweifelt genug waren, auch das zu versuchen.
Dem namenlosen Leid, das zu solchen Entschlüssen führte, trat Adolf Hitler offiziell mit statuarischen Gesten der Härte entgegen, ebenso ­kaltherzig, wie er in seinen Tischgesprächen und Bunkerschwafeleien ­jeden Hinweis auf die Qualen der Frontsoldaten und die Leiden der deutschen Zivilbevölkerung mit läppischen Kom­mentaren abtat. Der Aufmerksamkeit der Historiker ist jedoch nicht entgangen, dass ihn noch im Inferno des Untergangs »komplizierte Erfüllungsgefühle« ­bewegten und euphorisierten. Als junger Habenichts und dilettierender Kunstmaler war er abgewiesen worden, von einer Gesellschaft, die es vorge­zogen hatte, »die langsame Verpestung unseres Volkskörpers durch die blutmäßige Vergiftung« zu tolerieren. Als hinfälliger, von Rache­gelüsten ausgelaugter und zerfressener Feldherr konnte er es nun durch­aus als Endsieg auffassen, dass die Alte Welt über Millionen von Quadrat­kilo­me­tern dem Schau­platz eines titanischen Amoklaufs glich, nach der totalen Mobilmachung und Entladung einer destruktiven Energie von historisch beispielloser Brutalität. In diesem verlorenen Weltkrieg hatte Hitler unendlich viel mehr erreicht, als es sich selbst die ra­dikals­ten ­Sexu­alantisemiten je zuvor zu erträumen gewagt hätten. Mit der Gewalt seiner Diktatur hatte er die Juden Europas in solche Furcht versetzt, dass sich manche von ihnen die Genita­lien operativ deformieren ließen, vorbeugend, für den nicht unwahrscheinlichen Fall, an der nächsten Hausecke von Straßenbanditen die Hosen heruntergezogen zu ­bekommen. Dem Führerbefehl unterstanden Experten, die dazu befugt waren, junge Mädchen in Gefangenschaft zu halten und ihnen Silber­nitrat in den Uterus zu spritzen. Unter Hitlers Oberhoheit mussten kranke, halbverhungerte Jüdinnen vor johlenden SS-Schergen Striptease tanzen und sich anstrengen, dabei irgendwie verführerisch oder ­wenigstens ­arbeitstauglich zu wirken, wenn sie ihr Leben retten wollten. Einer aus die­ser Eliteformation, der SS-Mann Egon Zill, hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, seine Hunde auf die Genitalien von Gefangenen zu hetzen, die an einen Baum gefesselt waren. Und es gab noch andere Befehlshaber, die sich in den Walpurgisnächten des Dritten Reichs in dieser oder jener perversen, vom Führer ermöglichten Weise die Zeit vertrieben. Einer Jüdin, die in einer polnischen Kleinstadt einem Marschbefehl zu spät gehorcht hatte, »befahlen die Deutschen, sich nackt auszuziehen und in der Synagoge vor der Menge zu tanzen«.
Das war Hitlers Werk, und er konnte zufrieden sein. Es soll genügen, aus der endlosen Liste seiner Siege über das Judentum hier noch einige der triumphalsten zu erwähnen. »So wurde zum Beispiel an einem frostigen Tag ein Mädchen dazu gezwungen, mit der eigenen Unterhose den Boden zu putzen und dann die schmut­zige, nasse Wäsche auf den bloßen Körper anzuziehen und so auf die Straße zu gehen.« SA-Männer trichterten »Häftlingen Rizinusöl ein, damit sie, wie man ihnen zynisch erklärte, ›den Marxismus ausscheißen‹«. Im KZ Buchenwald wurden Juden als »Scheißhaufen« tituliert und im KZ Dachau mit den Worten begrüßt: »Ihr seid ehrlos! Ihr seid wehrlos! Ihr seid ein Stück Scheiße und werdet auch danach behandelt!« Eine gebräuchliche ­Strafe im KZ Mauthausen war »Wälzen im Schmutz, Kot, Schnee«. Besonders schwer hatten Gefolterte zu leiden, deren Schließ­muskulatur versagte. Dieses Unglück passierte einem Häftling im KZ Kemna: »Als er während der Misshandlung einmal Kot verloren hatte, rührte man diesen in einem Gefäß mit Wasser an und zwang Ising, ihn zu sich zu nehmen. Als er sich weigerte, wurde er mit einem Gummiknüppel verprügelt.«
Am 25. April 1938 stießen uniformierte Nationalsozialisten den jüdischen Historiker Walter Grab in Wien in den Vorraum des jüdischen Turnheims hinein.
Der große Turnsaal und auch dieser Vorraum waren – mit Verlaub – vollkommen angeschissen. Der Boden und auch die Wände waren ­völlig bedeckt mit Kot. Es hat bestialisch gestunken. Dort muss meiner Schätzung nach ein ganzes Regiment SA oder SS oder irgendwelche anderen Nazis ihre Notdurft verrichtet haben, und zwar ganz kurz ­bevor man die Juden zusammenzufangen begann; der Kot war noch ganz frisch und feucht. Außer den Juden standen auch 15 oder 20 Nazis in den Umkleideräumen. Hinter mir wurden noch weitere Juden die ­Kellertreppe hinabgestoßen, so dass wir schließlich 35 oder 40 waren – nur Männer. Für die Nazis war das ein Riesenspaß, sie haben sich ungeheuer amüsiert, weil sie jetzt ihr Mütchen kühlen konnten an diesen hilflosen und ratlosen Juden, die sie in das mit Kot besudelte Turnheim hineingejagt hatten. Sie lachten und gröhlten 10 oder 15 Minuten und verspotteten uns, weil wir uns ängstigten. Schließlich trat einer vor und sagte: »So verdreckt habt ihr Juden uns euer Turnheim überlassen.
So schmutzig sehen jüdische Turnheime aus. Da sieht man wieder, wie dreckig die Juden sind. Und jetzt müsst ihr das auflecken.«
Weitere Beweise für die Überlegenheit der Kultur des nordischen Menschen hätten die Nationalsozialisten nicht mehr erbringen müssen, doch sie ließen sich nicht lumpen und demonstrierten auch in den besetzten Territorien ihre Macht:
In Lodz wurden einige jüdische Mädchen zur Zwangsarbeit eingezogen. Frauen brauchen nicht schwer zu arbeiten, sondern verrichten statt dessen verschiedene Dienste, meistens in Wohnungen. Diese Mädchen wurden gezwungen, eine Latrine zu reinigen – das heißt, sie hatten die Exkremente fortzuschaffen. Aber sie erhielten keine Geräte. Auf ihre Frage »Womit?« erwiderten die Nazis: »Mit euren Blusen.« Die Mädchen zogen ihre Blusen aus und beseitigten darin den Abfall. Als sie fertig waren, erhielten sie ihre Belohnung: die Nazis rieben ihnen die Gesichter mit den besudelten Blusen ab und lachten sich tot.
Mit Peitschenhieben nötigten andere SS-Männer in der polnischen Stadt Turck die zusammengetriebenen Juden dazu, singend zwischen den Bankreihen ihrer Synagoge umherzukriechen. »Sie wurden dann gezwungen, die Hosen herunterzulassen, um auf das nackte Gesäß geschlagen zu werden. Ein Jude, der sich vor Angst in die Hosen gemacht hatte, wurde gezwungen, den Kot den anderen Juden ins Gesicht zu schmieren.«
In diesem Krieg gegen das Untermenschentum bewarb sich der junge Armin Mohler vergeblich um die Aufnahme in die Waffen-SS. In den Nachkriegsjahren diente er Ernst Jünger als Sekretär und machte sich einen Namen als kon­servativer Publizist. Im November 1995 stellte ihm die Zürcher Wochenzeitung die Interviewfrage: »Bewundern Sie heute Hitler immer noch wie in Ihren Jugendzeiten?« Und Mohler erwiderte: »Was heißt bewundern? Er hat immerhin eine richtige Führung geschaffen. Die Kader, die er heranzog, hatten Stil.«

Anmerkungen:

1) Alfred G. Meyer: Mein Verhältnis zu Deutschland und zum Jude sein. In: Ein Spiegel des eigenen Ich. Selbstzeugnisse antisemitisch Verfolgter. Hrsg. von Joachim Meynert. Bielefeld 1988, S. 158 bis 185, hier S. 167

Redaktionell gekürzter Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlags aus: Gerhard Henschel: Neidgeschrei. Antisemitismus und Sexualität. Hoffmann und Campe, Hamburg 2008, 386 Seiten, 25 Euro. Das Buch ist soeben erschienen.