Das neue Magazin »Missy«

Längst vermisst

Das neue Magazin Missy will keinen Nischenplatz, sondern die ganze Palette zwischen Politik, Mode und Popkultur.

Auf der Agenda steht die Revolutionierung des Formats »Frauenzeitschrift«, im Editorial ver­muten die Herausgeberinnen, dass dieser Anspruch auch als »Anmaßung« empfunden werden könnte. »Nö, wurde auch Zeit«, denkt die Leserin, angesichts der Selbstdisziplinierungsratgeber in den Zeitschriftenregalen und eines Popjournalismus, der sich seit 25 Jahren auf der Entdeckung von Madonna ausruht. Konsequen­terweise liefert die erste Ausgabe Platten-, Buch- und Filmrezensionen von weiblichen Künst­lerinnen, die in schöner feministischer Selbstermächtigungstradition durch die Rubrik »Wie mischt man zwei Platten ineinander?« von einer DJ ergänzt werden.
Popkultur und Lifestyle werden von den Missy-Macherinnen souverän bespielt. Neben dem bekannten musikalischen Underground und Neuentdeckungen, wie dem lesbischen HipHop-Act »Yo Majesty« und der österreichischen Sängerin Soap & Skin, entdeckt die Modestrecke den weiblichen Nerd als Stilikone und Zelda Fitz­gerald als historisches Role Model. Die Anleitung »How to knit your own Tierchen« im Kontext eines Porträts der Textilkünstlerin Nina Braun kombiniert nicht nur Kunst und den Do-it-yourself-Hype, sondern ist auch ein schöner Sidekick auf die alljährliche Winter-Strick-Offensive der Frauenmagazine. Dieser Impetus funktioniert gut, wenn Christiane Rösinger das im Mainstream-Journalismus besungene Mutterglück mit einem Text über Stillen als Gleichberechtigungskiller konfrontiert, wirkt aber etwas zwanghaft, wenn die US-Serie »L-Word« mit Hilfe eines Backrezepts konsumierbar gemacht werden soll.
Die Offensive gegen das vorherrschende Format von Frauenzeitschriften gerät zu vorsichtig, Kamasutra im Selbsttest und der erste Vibrator­kauf brechen keine Tabus, und bei der politischen Auswahl entscheidet sich Missy mit dem Thema Genitalverstümmelung lieber für die sichere Seite. Der Charme versteckt sich in Details wie dem selbstgebastelten Bart als Beauty-Tipp und der Idee, die beliebtesten Feministinnen als Sammelquartett einzuführen. Und ganz zum Schluss die Frage, warum es im Pop-Feminismus keine Alternative zu dem scheinbar unvermeidlichen »Wir-Mädchen-Modus« gibt. Wäre doch schön, wenn erwachsene Themen auch mal mit unverspieltem Vokabular arbeiten könnten. Das Leben ist schließlich fast nie nur Spielplatz.