Leichen am Strand

»Als wir uns um acht Uhr morgens der Küste näherten, sahen die Schmuggler an Land einige Lichter. Sie hatten Angst, von der Küstenwache entdeckt zu werden und zwangen uns, ins Meer zu springen, obwohl das Wasser zu tief war. Mehrere Leute konnten nicht schwimmen und ertranken«, berichtete ein überlebender Flüchtling im Südjemen der Hilfsorganisation Médecins Sans Frontières (MSF). Deren Mitarbeiter fanden in der vergangenen Woche 39 angespülte Leichen und stießen auf eine weitere Gruppe von Flüchtlingen, die nach einem Schiffbruch 23 Ertrunkene beerdigen wollten. Die Überlebenden werden in einem Aufnahmezentrum in der nahe gelegenen Stadt Ahwar betreut.
Es sind überwiegend Somalis, die vor Hunger und Bürgerkrieg fliehen und die riskante Überfahrt in Kauf nehmen. Aber auch Äthiopier, Kenianer und Tansanier finden sich unter den Migranten. Das UN-Flüchtlingshilfswerk warnte in mehreren Aufklärungskampagnen vor den Gefahren, doch wird den Migrationswilligen nicht mehr angeboten als eine kostenlose Heimreise und ein Handgeld von umgerechnet zwölf Euro. Etwa 30 000 Flüchtlinge pro Jahr erreichen den Jemen. Doch allein in der Region Abyan wurden im September 114 Leichen am Strand gefunden, viele andere wurden wahrscheinlich von Anwohnern beerdigt oder auf die offene See getrieben. Die meisten Schiffe legen in Bossasso ab, einem Hafen in der faktisch unabhängigen somalischen Region Puntland. Die Überfahrt kostet etwa 50 Euro, wesentlich weniger als die Passage über das Mittelmeer. Das Geschäft wird jedoch von Gefolgsleuten somalischer Warlords betrieben. Aus ihren Kreisen rekrutieren sich auch die Piraten, zu deren Bekämpfung die Nato im Oktober sieben zusätzliche Kriegsschiffe in die Region entsandte. »Leider wird dem Flüchtlingsdrama in den gleichen Gewässern wenig Beachtung geschenkt«, kritisierte Francis Coteur, Leiter der MSF im Jemen.   js