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Vor gut zwei Jahren ließ die Zeit unter der Überschrift »Die Welt der Alten« ehemalige Redakteure über ihr Leben im Ruhestand erzählen. »Nach Redaktionsschluss« lautete die Schlagzeile über den Selbstpor­träts.
Zwar müssen sich pensionierte Redakteure damit abfinden, dass nach Redaktionsschluss immer noch irgendwas passiert. Aber für noch nicht pensionierte Redakteure sind die Ereignisse nach Redaktionsschluss Grund für schlaflose Nächte.
Nicht nur Tageszeitungen, sondern auch Wochenzeitungen haben einen Redaktionsschluss; ergo: auch die Jungle World. Dabei ist die letzte Eilmeldung aus dem Ticker kurz vor der Deadline für uns nicht unbedingt das A und O.
Seit die Jungle World nicht mehr am Mittwoch, sondern am Donnerstag erscheint, haben wir aber auch keine Probleme mehr damit, Wichtiges vom Wochenende ins Blatt zu bekommen. Wahlen zum Beispiel, die ja normalerweise am Wochenende stattfinden.
Nicht allerdings die US-Wahl, über die heute alle Welt redet. Normalerweise sind es die Leser, die nicht wissen, was sich »nach Redaktionsschluss« noch ereignet hat. Diesmal sind wir die Deppen. Sie kennen natürlich schon die Ergebnisse, wissen längst, wer gewonnen hat, wir haben keinen blassen Schimmer. Jedenfalls hatten wir keinen vor Redaktionsschluss. »Wahlbetrug«, schimpfte daher ein Kollege, das würden die doch mit Absicht machen, die Wahl so bescheuert zu terminieren, dass unsere kritische Stimme zum Schweigen verurteilt sei. In der Tat, ungünstiger hätte diese Sache nicht angesetzt werden können. Auch die in der Redaktion aufgehängten Listen über die Schließzeiten der Wahlurnen in den einzelnen Bundesstaaten nutzen da nichts. Was sollen wir mit Informationen anfangen, dass in South Carolina die Wahlbüros Mittwoch früh um ein Uhr schließen, in Pennsylvania um zwei, in Texas aber erst um fünf, und dass es in Alaska erst um zwölf Uhr Mittags so weit ist? Es ist egal, das alles sind Uhrzeiten, die für uns völlig inakzeptabel sind. Da befindet sich diese Zeitung gerade in Frankfurt am Main auf den Druckwalzen bzw. im LKW auf dem Weg zu den Verteilstationen.
Dies ist der Grund, weshalb Sie bei uns diese Woche keine Analyse über die Wahl des »schwarzen Messias« oder den »Überraschungserfolg« des »alten Kriegs­veteranen« oder über den Skandal bei der Stimmauszählung, oder wer weiß, was alles passiert, lesen können. Man könnte auch sagen: Jungle World, heute exklusiv ohne Obama! Dafür haben wir andere Dinge für Sie und darunter wie immer viele, von denen Sie an anderer Stelle gar nichts erfahren. Und vielleicht, so hoffen wir, ist Ihnen das ohnehin lieber.