Interview mit Sprechern von Fanorganisationen über fanfreundliche Anstoßzeiten und das Dilemma vieler Fußballfans

Anstößiges aus dem Spektakel

Mit den gewohnten Anstoßzeiten der Fußball-Bundesligen ist es bald vorbei, die Spieltermine werden fernsehfreundlicher angesetzt. Mit Sprechern der Fanorganisationen »Bündnis Aktiver Fußball-Fans« (BAFF), »Pro Fans« und »Kein Kick vor Zwei« sprach Alex Feuerherdt

Seit Ende Oktober steht es fest: Der Spielplan der Ersten und Zweiten Fuß­ball-Bundesliga wird ab der kom­men­den Saison noch konfuser sein als bisher schon. In der Bundesliga wird künftig zu fünf verschiedenen Zeitpunkten angestoßen: Ein Spiel findet freitags um 20.30 Uhr statt, fünf am Samstag um 15.30 Uhr, eines am Samstag um 18.30 Uhr, eines am Sonntag um 15.30 Uhr und eines am Sonn­tag um 17.30 Uhr. In der Zweiten Liga gibt es neben den drei Freitagsspielen und dem Mon­tags­spiel fortan zwei Samstagsbegegnungen um 13 Uhr; außerdem werden die drei Sonntags­partien auf 13.30 Uhr vorgezogen. Die Deutsche Fußball-Liga (DFL) hofft, durch den geänderten Modus Einbußen bei der Vermarktung der Fern­sehrechte zu vermeiden. Bis zum 21. November können Free- und Pay-TV-Anbieter ihre Angebote für die Übertragung der Bundesligaspiele abgeben; eine Entscheidung trifft die DFL voraussichtlich in der ersten Dezemberwoche.
Von den Fanorganisationen wird der neue Spielplan scharf kritisiert. Vor allem die dadurch noch fanfeindlicher gewordenen Anstoßzeiten und die kurzfristige Terminierung der Begegnungen werden als ärgerlich empfunden.

Ist der Kampf um fanfreundliche Anstoßzeiten verloren? Oder gibt es noch Möglichkeiten, das Blatt zu wenden?

Mathias Radowski (BAFF): Unsere Proteste wur­den zumindest wahrgenommen, wenn auch unseren Anliegen nicht nachgekommen wurde. Wir können aber auch nicht ernsthaft erwarten, dass ein Unternehmen wie die DFL plötzlich seine Ausrichtung und Prioritäten ändert. Die Abkehr von 12.30 Uhr ist immerhin ein kleiner Schritt, der uns aber nicht ausreicht. Wir werden sicherlich nicht die Flinte ins Korn werfen und uns der DFL geschlagen geben, auch wenn wir noch das ein oder andere Unheil durchstehen müssen.
Philipp Markhardt (Pro Fans): Die weitere Zer­split­terung des Spieltages ist vor dem Hintergrund der viel zu späten endgültigen Terminierung natürlich eine Frechheit. Man scheint außerdem auch auf die Argumente gegen die frühen Anstoßzeiten am Freitag sowie das unsägliche Montagsspiel überhaupt nicht eingehen zu wollen. Ob das Blatt noch gewendet werden kann, entscheidet leider nicht der Fan, sondern das Konto der jeweiligen Kandidaten für die Rechtepakete. Was macht eigentlich die DFL, wenn Premiere oder andere Mitbewerber den geforderten Preis nicht zahlen können? Gewährt man trotzdem »größere Exklusivität«? Oder dürfen wir uns auf eine Rückkehr zu alten Zeiten freuen?
Sebastian Elbe (Kein Kick vor Zwei): Trotz der fan­feindlichen Terminierungen hört der Widerstand nicht auf. Wir haben die DFL informiert, dass wir jede Anstoßzeit vor 14 Uhr mit Protesten begleiten werden, notfalls auch über diese Saison hinaus. In Frankfurt kann man sich also aussuchen, ob man noch eine Front eröffnen will. Nämlich die mit den Rechteverwertern, die für teures Geld Übertragungsrechte erworben ha­ben für Spiele, bei denen nicht nur der Fußball, sondern auch der lautstarke, mündige und seinem Unmut Luft machende Fan vorkommt. Das DSF kann davon heute schon ein Lied singen.

Welche Aktionen sind jetzt geplant? Gibt es überhaupt eine Möglichkeit, die DFL wirksam unter Druck zu setzen?

Radowski: Wir werden weiter protestieren, denn die 36 Erst- und Zweitligisten haben der DFL leider nicht den Auftrag gegeben, auch an die Fans im Stadion zu denken. Es ist daher wich­tig, an die Vereine und Aktiengesellschaften in den Ligen heranzutreten und auf sie einzuwirken. Sowohl die Clubs als auch die DFL profitieren von den Fans im Stadion. Ohne Fans keine Emotionen – und ohne Emotionen verliert das »Produkt Fußball« für die DFL an Wert.
Markhardt: Es wird weiterhin kreativen Protest geben. Der Weg, an die DFL heranzukommen, besteht ja in erster Linie darin, die Masse der Fans zu erreichen und erst im zweiten Schritt die Liga. Neben einer geplanten Demonstration zur Rückrunde vor der DFL-Zentrale versuchen wir natürlich weiterhin, unseren Protest an den Ligaverband heranzutragen. Vorstellbar ist zum Beispiel, dass bei der DFL demnächst Tausende Faxe ankommen, die sich mit der Problematik befassen …
Elbe: Wir bekommen bei den Medien mittlerweile immer mehr Gehör und haben eine gute Vernetzung. In Nürnberg, Kaiserslautern, Fürth und Augsburg gibt es jetzt schon eigene Initiativen und Arbeitskreise, die vor Ort gezielt Arbeit leisten. Das ist die Basis für eine Reihe weiterer Protestaktionen in den Stadien. Schon jetzt informieren wir über mehr als 20 solcher Aktionen auf unserer Homepage, und es werden noch mehr und noch größere werden. Ein erstes Indiz dafür ist der medienwirksame Stim­mungsboykott am sechsten Spieltag in Nürnberg, der bundesweit Wellen geschlagen hat.

Fußballfans befinden sich in einem Dilemma: Auf der einen Seite brauchen ihre Lieblingsclubs die Einnahmen aus der Fernsehvermarktung, auf der anderen Seite führt die Abhängigkeit von den Fernsehgeldern da­zu, dass immer mehr Fans vom Stadion­besuch ausgeschlossen werden. Die DFL stellt sich auf den Standpunkt, dass fanfreundliche Anstoßzeiten zu schlechteren Vermarktungsmöglichkeiten führen würden, was die Einnahmen der Clubs wiederum sinken lasse. Wie gehen die Fans mit diesem Dilemma um?

Radowski: Beide Seiten sind voneinander abhängig. Ohne Fans im Stadion lässt sich auch der Fußball schlecht vermarkten. So weit denken aber viele Clubs leider noch nicht. Es scheint nur der kurzfristige finanzielle Gewinn zu zählen, was aber ein Eigentor werden kann. Der Fuß­ball lebt nun mal von Emotionen, und Emo­tionen und VIP-Logen passen schlechter zu­sam­men als Löw und Kuranyi. Die Fans wollen Erfolg, aber nicht zu jedem Preis. England sollte allen Verantwortlichen hier eine Warnung sein. Wir als Fans akzeptieren natürlich Sponsoren und auch das Pay-TV, dieses aber nur als Zusatzangebot. Wenn es am Pay-TV liegt, dass der Stadionbesuch nicht möglich ist, ist für die Fans das Ende der Fahnenstange erreicht.
Markhardt: Man muss sich sicher eingestehen, dass die Stadionbesucher nur noch für einen geringen Teil der Einnahmen der Clubs sorgen. Aber weniger Fans bedeutet weniger Stimmung, was den Fußball uninteressanter macht. Das wiederum geht auf Kosten derjenigen Zuschauer, die wegen des Events da sind. Das wird oft verdrängt. Ein gewisses Gleichgewicht sollte einfach gewährleistet sein. Und dazu gehört auch, dass die, die für die Atmosphäre rund um das Spiel verantwortlich sind – nämlich die Fans –, nicht auf der Strecke bleiben.
Elbe: Es stellt sich die Frage, wie weit die Geldspirale noch vorangetrieben werden soll. Das von der DFL gern genannte falsche Vorbild, die Premier League, ist mit fast vier Milliarden Euro verschuldet und kann sich nur noch über externe Investoren retten, die wiederum die Preis­schraube anziehen. Im amerikanischen Football, Basketball und Eishockey gibt es schon seit Jahren Gehaltsobergrenzen. Das muss bei der Weltsportart Nummer eins, dem Fußball, auch so kommen. Es ist also ein Fehler, Druck nach unten, auf die Fans, und nicht nach oben, auf die Funktionäre, auszuüben. Wir wollen diesen Druck auf seinem Weg nach unten aufhalten und umkehren.

BAFF: http://www.aktive-fans.de
Pro Fans: http://www.pro1530.de
Kein Kick vor Zwei: http://www.keinkickvorzwei.de