Das Konzept für Gedenkstätten in Deutschland

Gedenken bis zum Schlussstrich

Diese Woche soll das Konzept für Gedenkstätten in Deutschland im Bundestag abgesegnet werden.

Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU), ein den meisten Deutschen unbekannter Mann, hält sein Werk für gelungen. »Mein Haus hat bei der Fortschreibung der Gedenkstättenkonzeption ganz offensiv den Diskurs und die Auseinandersetzung mit allen relevanten gesellschaftlichen Kräften gesucht«, sagte er in einem Interview mit der Jüdischen Allgemeinen. Da kam er wohl nicht drum herum, fielen doch in der Vergangenheit teilweise vernichtende Urteile über die vorangegangenen Entwürfe.
Diese Woche soll im Bundestag die staatstragende Gedenkpolitik für die nächsten Jahre festgelegt werden. Es geht um die künftige Gestaltung von Gedenkstätten und Orten der Erinnerung an die »nationalsozialistischer Herrschaft und die SED-Diktatur«, die zuletzt 1999 im Förderplan des Bundes für Erinnerungsprojekte fest­geschrieben worden war.
Fachhistoriker und Überlebendenverbände ­kritisierten den ungenierten Rückgriff auf überkommene totalitarismustheoretische Erklärungsansätze, die der Gleichung braun gleich rot entsprechen. In einem Papier der CDU-Bun­des­tagsfraktion vom Juni 2004 mit dem programmatischen Titel »Förderung von Gedenkstätten zur Diktaturgeschichte in Deutschland« wurde beispielsweise forsch erklärt: »Beide deutsche Diktaturen waren von einer Gewaltherrschaft geprägt, die sich in der systematischen Verfolgung und Unterdrückung ganzer Bevölkerungsgruppen manifestiert hat.« Neumanns Stellvertreter Helmut Schäfer komplettierte den Eindruck, dass die Neukonzeption des Gedenkens ohne erinnerungspolitische Sensi­bilität und historischen Sachverstand auskam. Er sprach im August 2006 bei einer Kulturveranstaltung in Weimar in Anwesenheit überleben­der ehemaliger KZ-Häftlinge über die Vertreibung der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg, ohne auch nur mit einem einzigen Wort das vor den Toren der Stadt gelegene ehemalige Kon­zentrationslager Buchenwald zu erwähnen.
Die Proteste jedenfalls haben zu einer Überarbeitung geführt, die in der Rhetorik auf die vorgebrachten Beanstandungen eingeht: »Die Erinnerung an die NS-Terrorherrschaft wird durch das Wissen um die Unvergleichlichkeit des Holocaust bestimmt«, heißt es nunmehr, und dass dem Völkermord an sechs Millionen Juden eine singuläre Bedeutung zukomme. Doch im Raum steht, dass jenseits der hehren Formulierungen erin­nerungspolitisch ein Paradigmenwechsel verfolgt wird. Denn was immer auch an wohlklingenden Worten mittlerweile in das Papier hin­einredigiert wurde: Erinnerungspolitik ist stets legitimatorisch. So gesehen sollen mit dem nun vorliegenden Gedenkstättenkonzept vor allem Fachkritiker beruhigt werden.
Gesellschaftlich sind die Thesen revisionistischer Geschichts- und Erinnerungspolitik mit der Rede von »den beiden deutschen Diktaturen« längst mehrheitsfähig. Die Walser-Bubis-Debatte oder die Auseinandersetzung um die Entschädigung von Zwangsarbeitern spiegelten beispielhaft eine gesellschaftliche Stimmung wider, mit der Auseinandersetzung um die NS-Zeit sei es nun genug. Das Projekt einer nationalen Gedenkpolitik, das die Shoah in die Reihe weiterer Jahrhundertkatastrophen historisierend entsorgen möchte, kann nicht unbedingt wegen, aber trotz des neuen Gedenkstättenkonzepts ungestört fortgeführt werden.