Hungerstreik in griechischen Gefängnissen

Hungern hinter Gittern

In griechischen Gefängnissen sind Tausende Häftlinge in den Hungerstreik getre­ten. Ihr Protest gegen Überfüllung und für mehr Menschenwürde wird von einem großen Teil der Öffentlichkeit als berechtigt empfunden.

Einer von 1 000 Einwohnern Griechenlands sitzt im Gefängnis. Insgesamt handelt es sich um mehr als 13 000 Insassen, untergebracht in Haftanstalten, die für 7 500 Menschen konzipiert sind. Fast die Hälfte von ihnen ist drogenabhängig, 45 Prozent verfügen nicht über die griechische Staatsbürgerschaft, jeder Dritte ist nicht verurteilt, sondern sitzt bis 18 Monate Untersuchungshaft ab.
Um auf die menschenunwürdigen Zustände in den griechischen Gefängnissen aufmerksam zu machen, sind Anfang November die Gefangenen in 21 von 24 Haftanstalten in den Hungerstreik getreten. Die »Initiative für die Rechte der Gefangenen«, die aus anarchistischen Gruppen, Men­schenrechtsorganisationen und der im Parlament vertretenen Allianz der radikalen Linken (Syrisa) besteht, unterstützt die Häftlinge und ihren Protest in der Öffentlichkeit. Ziel sei es, über die Erfüllung der Forderungen hinaus, »die Mauer des Schweigens zu brechen, herauszuschreien, dass die Menschenwürde nicht verhandelbar ist«. Die Gefangenen selbst behaupten, gegen sie werde seit Jahren ein regelrechter »Krieg« geführt. So seien in den vergangenen zehn Jahren mehr als 330 von ihnen ums Leben gekommen, die als »Opfer staatlicher Morde« gesehen werden. In griechischen Gefängnissen hat man die höchste Anzahl von Todesopfern innerhalb der EU.
Der von den Streikenden veröffentlichte Forderungskatalog enthält unter anderem die Abschaffung der Disziplinarstrafen, die Verkürzung der Mindestdauer der Haft bis zur Bewährung und die Begrenzung der Untersuchungshaft auf zwölf Monate. Auch Forderungen nach einer umfassenden Gesundheitsfürsorge und nach respektvoller Behandlung von kranken Häftlingen sowie nach adäquaten sanitären Einrichtungen finden sich auf der Liste.

Gefängnisverwaltungen und das Justizministerium haben bereits auf ihre Weise auf diese Forderungen reagiert. Gezielt wurden so genannte Rädelsführer des Aufstands in andere Anstalten verlegt, anderen Häftlingen wurden der Entzug von Rechten oder Disziplinarstrafen angedroht. Die linksliberale Tageszeitung Eleftherotypía sprach von einem »Klima des Terrors« in griechischen Gefängnissen. Unter dem Druck der Ereignisse kün­digte der konservative Justizminister Sotíris Chatzigákis Anfang November die baldige Realisierung einer EU-Reform von 2004 an. Diese sieht Straffreiheit und Therapieplätze für abhängige Drogenkonsumenten und eine härtere Bestrafung von Drogendealern vor. Als einziges EU-Mitglied hat Griechenland das Gesetz, das bis Mai 2006 einzuführen war, noch immer nicht verabschiedet. Am folgenden Tag traf der Minister erstmals mit Vertretern der »Initiative für die Rechte der Gefangenen« zusammen. Chatzi­gákis bezeichnete die Tausende Untersuchungshäftlinge als »ein kompliziertes und vielschichtiges Problem«, über das ernsthaft diskutiert werden müsse. Derzeit könne die Frage jedoch nicht abschließend behandelt werden. Es ist zurzeit unklar, ob der Protest konkrete Folgen für viele griechische Häftlinge haben wird.
In den vergangenen Jahren wurden immer wieder Anarchisten für 18 Monate in Untersuchungshaft gesteckt. Dies wird mitt­lerweile nicht nur von den Betroffenen, sondern auch von einem Teil der griechischen Öffentlichkeit als Methode zur Bestrafung von Staatsfeinden gesehen. In der Eleftherotypía wurde Chatzigákis scharf kritisiert: Die angekündigten Hafterleichterungen »betreffen eine nicht existierende Häftlingsgruppe«, da der Minister die Tausende drogenabhängigen Insassen nur als »Drogendealer« sehe und dementsprechend härter bestrafen wolle.
Erste Demonstrationen zur Unterstützung der Hungerstreikenden fanden in Athen, Volos, Chania und Thessaloniki statt. In Thessaloniki wurde zudem ein Parteibüro der Néa Dimokratía mit Brandsätzen angegriffen. Am Freitag voriger Woche kündigten die Gefangenen eine Ver­schär­fung ihres Kampfs an und traten in einen unbefristeten Hunger- und Durststreik.