Die Antwort der Partei »Die Linke« auf die Finanzkrise

Staat, Volk, Sparkasse

Die Partei »Die Linke« fühlt sich angesichts der Finanz- und Wirtschaftskrise bestätigt. Dass sie in den Umfragen dennoch nicht brilliert, liegt wohl daran, dass ihre Antworten auf die Krise nicht besonders originell sind.

Leider müsse er das Publikum enttäuschen, wenn es erwarte, dass er jetzt Antworten auf die beliebte Frage gebe: »Was würdest du tun, wenn du Staat wärst?« Bei der Jungle-World-Veranstaltung zur Finanz- und Wirtschaftskrise am Mittwoch ver­gangener Woche in Berlin erntete Thomas Ebermann für diesen Satz viele Lacher. Doch was für das anwesende Publikum zu Recht so lächerlich klang, ist für die Partei »Die Linke« das Selbstverständliche. Das liegt ja auch nahe bei einer Partei, deren großer Vorsitzender selbst einmal Finanz­minister und deren größter Teil der Mitglieder selbst einmal Staatspartei bzw. der Staat war.
Oskar Lafontaine lässt derzeit in keinem Interview, in keiner Talkshow unerwähnt, dass er vor zehn Jahren Recht gehabt und alles vorhergesehen habe. Von ehemaligen SED-Politikern hat man das über ihre frühere Politik in der DDR freilich noch nicht gehört. Dass es dem allgemeinen Wohlstand dient, wenn die Wirtschaft vom Staat geregelt wird, lässt sich aus der Geschichte des Realsozialismus wohl auch kaum ableiten. Den­noch: Das Eingreifen des Staates, um den Systemcrash zu vermeiden, findet bei der »Linken« enorme Zustimmung.

»Unsere Vorschläge werden so schnell akzeptiert, dass wir damit gar nicht mehr nachkommen«, behauptete Lafontaine Mitte Oktober im Bundestag. In derselben Rede erklärte er, worauf es insbesondere ankomme: »Wir brauchen natürlich auch etwas, das dem Volk das Gefühl gibt, dass wir uns wieder um Gerechtigkeit bemühen«, ansonsten werde »das Volk an unserem Gefühl für Gerechtigkeit zweifeln«. Und das wollen »wir« ja auf keinen Fall! Man ahnt, wen Lafontaine hinter diesem Personalpronomen versteckt, hier regiert einer schon mit, jedenfalls mental.
Und während Lafontaine im ZDF-Talk den »Finanzkapitalismus«, was immer das sein soll, für »erledigt« erklärt, versichert er im Bundestag: »Wir«, da ist es wieder, »haben doch gar keine andere Wahl, als das Finanzmarktsystem schleunigst wieder in Gang zu bringen.« Logisch, doch: »Herr Lafontaine, was ist aktuell das Vordringlichste?«, fragt ihn die taz. Und der Staatsmann antwortet: »Vertrauen wieder herzustellen.« Gut, aber wie? »Der Staat und die Zentralbank« seien die einzigen, so Lafontaine weiter, »die das Vertrauen wieder herstellen können«. Des­halb seien Teilverstaatlichungen »der richtige Weg«.
Die Süddeutsche Zeitung erinnert Lafontaine jedoch daran, dass auch die Landesbanken »ohne Ende murksen« und er selbst immerhin im Verwaltungsrat der KfW-Bank sitze. Lafontaine antwortet, man habe halt nicht auf ihn gehört, die Große Koalition sei für den IKB-Verkauf verantwortlich. Die Entscheidungen treffe »praktisch allein der Präsidialausschuss, in dem vor allem Glos, Steinbrück und Koch das Sagen haben«. Anders gesagt: die Politik. Das aber hält Lafontaine nicht davon ab hinzuzufügen, dass »die Subjekte auf dem Finanzmarkt« »eher kriminelle Subjekte« seien und daher »der Staat die verlässlichere Institution als das Casino«.

Neben dem »Volk« und dem Staat liebt die Linkspartei aber auch zum Beispiel – wenn’s um Geld geht – die Sparkasse. Michael Schlecht vom Parteivorstand sagt: »Der Banken- und Kreditbereich gehört in öffentliche und gemeinwirtschaftliche Kontrolle, so wie die Sparkassen und Genossenschaftsbanken dies ohnehin schon sind. Diese er­weisen sich im aktuellen Finanzcrash als einzig stabiler Stützpfeiler.« Und Lafontaine: »Heute sehen wir mit Heiterkeit, wie die anderen die Sparkassen loben«, lacht er sich ins Fäustchen. Das war freilich, bevor bekannt wurde, dass auch die Sparkassen Nordrhein-Westfalens sich mit riskanten Wertpapieren gewaltig verzockt hatten.
Vor allem aber liebt man in der »Linken« jetzt den französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy. »Sarkozy zeigt, wo’s lang geht«, jubilierte Jürgen Elsässer in der Tageszeitung Neues Deutschland und: »Vive la France!« Der Bundestagsabgeordnete und niedersächsische Landesvorsitzende der »Linken«, Dieter Dehm, feierte Sarkozy in der Jungen Welt, weil dieser »die deutsche Sozialdemo­kratie deutlich von links« überhole.
Was also versteht der Mann unter »links«? Hören wir dazu den offenbar berufenen Sarkozy: »Wir sollten über eigene Staatsfonds nachdenken, um strategisch wichtige Unternehmensanteile, die abgewertet sind, aufzukaufen. Wenn die Krise dann vorbei ist, können wir die Aktien wieder auf den Markt bringen.« Und: »Ich möchte nicht, dass die Bürger eines Tages aufwachen und feststellen, dass sich die großen europäischen Unter­nehmen in den Händen nichteuropäischer Kapitaleigner befinden.« Vor allem wollte er Schlüsselindustrien nationalisieren: »Wir müssen weiter bei uns Autos, Schiffe und Flugzeuge bauen.«
Lafontaine stimmte umgehend zu: »Wir brauchen eine europäische Wirtschaftsregierung, weil sonst die gemeinsame Geldpolitik ins Leere läuft. Diese Geldpolitik muss auf Wachstum und Beschäftigung ausgerichtet sein. Und wir müs­sen dafür Sorge tragen, dass ausländische Staatsfonds nicht europäische Unternehmen aufkaufen.«

Es bedarf weitreichender Gutmütigkeit, in diesen Äußerungen irgendetwas ausfindig zu machen, was man als »links« bezeichnen könnte. Selbst Jürgen Elsässer weiß das und schreibt im ND: »Rein theoretisch, so könnte man unken, könnte dieser Weg nicht nur nach links, sondern auch nach rechts führen – auch der NS-Staat hatte seine Fünfjahrespläne. Doch die Gefahr ist gering, denn die Sponsoren des klassischen Faschismus – die aggressivsten Fraktionen des Finanzkapitals – sind heute globalistisch und nicht mehr nationalistisch orientiert. Wer mit Hilfe des Nationalstaates die Krise meistern will, wird sich nolens volens auf die Arbeiterklasse stützen müssen.« Und jene mit der Volksgemeinschaft zu verwechseln, würde doch sicher niemandem einfallen, oder? Während die einen also – von den nationalen Krisenbewältigungsstrategien un­beeindruckt – annehmen, die Globalisierung, sprich die Weltmarktkonkurrenz, stehe dem Nationalstaat entgegen, ist für die anderen die Globalisierung weiterhin die Ursache allen Übels.
Neben allerhand sich derart widersprechenden, Systemfragen umgehenden Äußerungen aus der »Linken« und ihrem Umfeld hat man sich in der Partei aber doch auf ein paar Punkte einigen können. Das »Maßnahmenpaket« der Bundes­regierung lehnte die Bundestagsfraktion ab und verlangt stattdessen ein Konjunkturprogramm in der Höhe von »mindestens 50 Milliarden Euro«. Außerdem fordert die »Linke« eine Milliardärs- und Millionärssteuer »zur Finanzierung eines öffentlichen Investitionsprogramms und zur Sicherung der Existenz kleiner und mittlerer Unternehmen«. Michael Schlecht forderte außerdem eine Erhöhung des ALG II auf 435 Euro und eine Extra-Renten-Erhöhung um drei Prozent.
Grob zusammengefasst: Wachstum, Beschäftigung, Belebung der Binnenkonjunktur, verschärf­te Manager-Haftung, Umverteilung von oben nach unten. Bis auf den letzten Punkt hört man das alles auch vom BDI und der Großen Koalition. Exklusivrechte besitzt die »Linke« eben nur noch bei der Forderung nach sozialer Umverteilung, das allerdings sagt die Linkspartei nicht erst, seitdem die Krise festgestellt wurde, sondern das ist ihre wesentliche politische Legiti­mation, die Grundlage der Sozialdemokratie.