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»Es war wahrscheinlich Rache.« Der getötete Rom, der mit Gebrauchtwagen und Autoteilen handelte, könne Verbindungen zum kriminellen Milieu gehabt haben, wusste ein Sprecher der Polizei der südungarischen Stadt Pecs. Unbekannte Täter hatten in der Nacht zum 19. November eine Handgranate durchs Fenster in das Haus einer sechsköpfigen Roma-Familie geworfen. Der Sprengsatz tötete das Ehepaar auf der Stelle. Zwei Kinder, die in dem Raum schliefen, erlitten schwere Schocks.
Erst am Anfang des Monats waren zwei Roma in Ungarn ermordet worden. In Nagycsécs, im Osten des Landes, hatten Unbekannte gleich mehrere Häuser mit Molotow-Cocktails beworfen. Ein 43jähriger Mann und eine 40jährige Frau starben, weil mit Schrotflinten auf sie geschossen wurde, als sie vor den Flammen aus ihrem Haus flohen. Zwei Tage nach dem Doppelmord in Pecs warfen Unbekannte in Pusztadobos, im Nordosten Ungarns, ein Molotow-Cocktail in einen Garten, in dem zwei von Roma bewohnte Häuser stehen. Die Bewohner blieben unverletzt. Im Sommer waren mehrere Roma-Häuser beschossen oder Ziel von Brand­anschlägen geworden.
Im Gegensatz zur ungarischen Polizei vermuten örtliche Roma-Organisationen hinter den Anschlägen rassistische Motive. Immerhin wurde inzwischen eine 50köpfige Sonderkommission zur Aufklärung der Morde eingesetzt. Und der Parlamentarische Beauftragte für Minderheiten, Ernö Kállai, verfasste zusammen mit Vertretern von Roma-Organisationen eine Erklärung, in der es heißt: »Die Zigeuner, eine am Rande der Gesellschaft lebende, ausgelieferte und mit Vorurteilen belastete Schicht, ist Zielscheibe einer Serie von Anschlägen.«
In Ungarn haben Rechtsextremisten in den vergangenen Jahren an Einfluss gewonnen; im Sommer 2007 wurde die paramilitarische »Ungarische Garde« gegründet. Kurz zuvor hatten Rechtsextremisten gegen »Zigeunerkriminalität« demonstriert (Jungle World, 35/07). Der Vorsitzende der rechtsextremen Partei Jobbik, Gábor Vona, forderte die »linksliberale Politik« und die Roma jedoch auf, die Täter nicht in den Reihen seiner Partei und der schwarzen Garde zu suchen, man werfe keine Handgranaten auf ein Haus mit Kindern.