Das neue Album von Guns N’ Roses

Röslein auf der Heiden

Der öde Stadion-Rock von »Chinese Democracy« wird die Welt nicht erschüttern. Guns N’ Roses verabschieden sich mit einer hochgepitchten Portion Einfallslosigkeit.
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Eines der vermutlich am längsten hinausgeschobenen Alben der Rockgeschichte ist erschienen. Ginge es nach den markigen Tönen, die da im ver­gangenen Jahrzehnt der Wartezeit gespuckt worden sind, die Welt hätte den Atem anhalten müssen, ja, die Erdkugel hätte ihre Drehung für einen Moment einstellen sollen. »This november history will be made. The world is watching. The future is ours. This november america will finally have chinese democracy«, krähte das Werbe-Video für das neue Guns N’ Roses-Album »Chinese Democracy« – oder genauer gesagt: für das Soloalbum der alternden Hardrock-Diva Axl Rose, der schlau genug war, sich zu den kommerziell erfolgreichen Zeiten der Band den Namen patentieren zu lassen.

Dass die Erde sich trotz Axls Bemühungen einiger­maßen ungerührt weiterdreht, liegt aber nicht etwa am Fehlen ehemaliger Bandmitglieder wie Saitenkünstler Slash. Denn die sechs verschiedenen Gitarristen, die Rose durch dieses Album helfen, haben es richtig gut drauf, Slashs gepflegt traditionalistischen Les-Paul-Stil zu kopieren und sinnlose, aber beeindruckende Gitarrenklang­wände zu produzieren, die das Album »Chinese Democracy« beim ersten Hinhören auf eigenartige Weise zeitlos klingen lassen, spätestens beim zweiten Hinhören allerdings auch überflüssig wie ein Kropf: Zeitlos ist es nämlich insofern, als es in seinen besseren Teilen so klingt, als ob es aus der Phase der Agonie des klassischen Hardrock Ende der siebziger Jahre direkt in die Jetztzeit gebeamt worden wäre.
Denn manches erinnert da an die Abgesangs­alben von Led Zeppelin, Nazareth und anderen. Bei­spielsweise wie geschickt die ersten zwei Stücke – »Chinese Democracy« selbst und »Shackler’s Revenge« – durch beeindruckenden Bombast verbergen können, dass sie völlig ideen­los sind. Spätestens ab dem dritten Track »Better« aber wird genau das immer offenbarer, Tendenz: richtig schlimm öde, öder noch als auf den lust­losen Spätwerken der Vorbilder – so öde eben, dass keine noch so ausgefeilten Produktionskünste, keine hochgepitchten Bässe und Drums, keine aufgeblasenen Tasten- und Streichereinsätze und schon gar nicht die Anleihen aus Reggae und HipHop verbergen können, wie wenig Axl Rose in den zurückliegenden Jahren eingefallen ist.
Für wüste Byte- und Zeitschindereien wie beispielsweise die fünf Minuten von »If The World« (das doch tatsächlich als Single ausgekoppelt wer­den soll und in »Der Mann, der niemals lebte« mit Leonardo DiCaprio und Russell Crowe zu hören ist) oder wahrhaft gruselige Balladen wie »Sorry« hätte es weder 13 Millionen Dollar Produk­tionskosten noch die 15 Jahre Zeit gebraucht, die seit dem letzten Guns N’ Roses-Studioalbum »The Spaghetti Incident« vergangen sind.

Das wäre in seiner ganzen Peinlichkeit nämlich ei­gentlich ein passender Abgesang auf eine schöne, wüste Band-Geschichte gewesen: Das reine Cover-Album blamierte sich damals mit Medium-Metal-Versionen von Punk-Krachern wie »New Rose« von The Damned oder »Down On The Farm« von den UK Subs. »Chinese Democracy« aber ist im Gegensatz dazu eben noch nicht einmal richtig schlecht oder überdurchschnittlich missglückt – gemessen am sonstigen Jahresoutput an populärer Rockmusik.

Es ist mittelmäßig, fad, gut produziert, clever ver­marktet, gewinnt sogar noch dadurch, dass Roses Organ nicht mehr ganz so enervierend kreischen und falsettieren kann wie einst – dass aber hier die Rockmusik neu erfunden worden wäre, wie Rose vielfach angekündigt hatte, davon kann keine Rede sein. Im Gegenteil: »Chinese Democracy« ist ein handwerklich ordentliches Stück Stadion-Rock, das in gar nichts mehr an den Erstling der Band, »Appetite For Destruction« (1987), erinnert, dem das Kunststück gelungen war, das Lebensgefühl der brodelnden Eighties-Hardcore-Metropole Los Angeles in eine für den Mainstream taugliche Form zu bringen. Jetzt ist nur noch der Mainstream übrig – und die Langeweile.