Über den Dokumentarfilm »Your Mommy Kills Animals«

Pelzträger sind Mörder

Der auf DVD erschienene Dokumentarfilm »Your Mommy Kills Animals« durchleuchtet das Treiben radikaler Tierrechtler in den USA. Ihre Aktivitäten werden vom FBI teilweise als Terror eingestuft.

Your Mommy Kills Animals«, ist auf einer Broschüre der Organisation »People for the Ethical Treatment of Animals« (Peta) zu lesen, die sich ausdrücklich an Kinder und Jugend­liche richtet und auf der man eine in Frank-Kozik-meets-Freddy-Krueger-Manier gezeichnete Frau sieht, die mit irrem Serienkillerblick auf ein völlig verschrecktes Häschen einsticht – ist das etwa deine Mummy? Ein Schocker.
Aufklärungsarbeit findet bei Peta, der weltweit größten und bekanntesten Tierrechtsorganisation, meist mittels einer Bild-Text-Sprache statt, die vor allem eines will: eine Reaktion hervorrufen. »Der Holocaust auf deinem Teller« ist da nur der kontroverseste Spruch von Peta, mit dem ganz unverblümt Massentierhaltung mit dem Judenmord der Nazis analogisiert wird. Die Argumentation ist immer dieselbe: Der Tabubruch dient ja einer guten Sache.
Peta ist eine dubiose Organisation, darauf können sich auch die Tierrechtler von der Basis einigen, der wirkliche Tierrechtler-Underground, die Aktivisten der »Animal Liberation Front« und die von der Zelle »Shac 7« (Stop Huntington Animal Cruelty), die im Mittelpunkt der Dokumentation »Your Mommy Kills Animals« stehen. Allerdings wird von dieser Seite gegen Peta eher so argumentiert, wie früher der Indie-Fan gegen die bösen Majors wetterte: Denen gehe es ja gar nicht wirklich um die Sache, sondern nur ums Geld. Peta gilt denjenigen, die auch mit illegalen Aktionen – förmlich mit »Terror«, wie das FBI meint – den Kampf für eine bessere Welt auch für Tiere aufgenommen haben, als eine Art Scien­tology, die den Einsatz für Tierrechte nur vorgibt, um besser an die Kohle derjenigen heranzukommen, denen das Prinzip »Tu Gutes und rede darü­ber« von Nutzen ist. Spätestens seit der Öko-Bio-Rettet-die-Welt-Welle und dem Nobelpreis für Al Gore gibt sich fast jeder Hollywood-Liberale als bekennender Peta-Fan. Bigott sei dies, so ein Kritiker, der in »Your Mommy Kills Animals« die Aufgabe übernommen hat, das Treiben der Tierrechtler generell zu beargwöhnen. Er weist nochmals auf die Unglaubwürdigkeit rund um Peta hin und behauptet, dass Pamela Anderson sich zwar als Tierrechtspromi hat einspannen lassen, ihre aufgespritzten Lippen und Rundungen aber aus Tierprodukten bestünden.
Tierrechtler gegen Pelzträger, Peta gegen Pelzträger, Tierrechtler gegen Peta, »Your Mommy Kills Animals« zeigt das ganze Durcheinander innerhalb der amerikanischen Tierrechtsbewegung auf, begleitet Aktivisten, lässt die Gegenseite aber auch zu Wort kommen, zumindest so sie das will; Peta, heißt es an einer Stelle, habe trotz Anfrage darauf verzichtet, in der Dokumentation Stellung zu den erhobenen Vorwürfen zu beziehen. Soll heißen: Das sagt ja auch schon einiges.
Eine Dokumentation über Tierrechte, solange sie nicht von einer Wurstfirma in Auftrag gegeben wurde, hat es naturgemäß schwer, nicht zu manipulativ zu wirken. Misshandelte Tiere, Töten am Fließband, wie es beispielsweise in der Dokumentation »We Feed The World« zu sehen ist, Tierversuche und ihre manchmal verheerenden Ergebnisse, das ist eigentlich nie schön anzusehen. Wäre Michael Moore Veganer und der Tierschutz sein wichtigstes Anliegen, nicht auszudenken, mit welchen Horrorbildern er uns überfallen hätte. »Your Mommy Kills Animals« hält sich mit Gruseligem live aus dem Schlachthof dankenswerterweise eher zurück und endet so nicht in der Einseitigkeit, sondern lässt der Kontroverse den nötigen Raum, auch mal wild zu wuchern.
Um die Fragen, die auch wochenlang in dieser Zeitung diskutiert wurden – grob gesagt: Ist der ideologische Veganer ein Nazi und Holocaust-Relativierer? –, geht es in »Your Mommy Kills Animals« nur am Rande. Die Frage, ob der Verzehr von Fleisch oder Tierversuche nicht vielleicht doch in Ordnung gingen, stellt sich für die portraitierten Aktivisten, die mit Hasskappen auftreten, Pelzträger in der U-Bahn beschimpfen, Tiere befreien und Lobbyisten der Fleischindustrie daheim besuchen, längst nicht mehr. Es geht nur noch darum, wie und wann die Aktionen durchgezogen werden sollen und ob Menschen zur Not zu Schaden kommen dürfen, wenn es der Rettung des geknechteten Tiers dienlich ist. Immer wieder ist da Revolutionsrhetorik zu hören: auf die Barikaden, jedoch nicht für die Befreiung des Menschen, sondern des Tiers. Warum auch sollte man George Orwells »Animal Farm« immer nur metaphorisch auslegen, wenn man so viel daraus auch wortwörtlich übernehmen kann?
Über das Thema Tierrechte wird dabei stark hinsichtlich typisch amerikanischer Besonderheiten diskutiert. Immer wieder geht es um freedom of speech, um das Recht der freien Meinungsäußerung, auf das sich die Tierrechtler bei ihren Aktionen berufen. Hausbesuche und Aufforderungen zu illegalen Aktionen wollen die Aktivisten als ihr verbrieftes Privileg verbuchen, dass in Amerika ja wohl hoffentlich noch immer jeder das sagen darf, was er sagen will. Die Aktivisten des Shac 7, die sich während der Zeit der Aufnahmen für den Film vor Gericht zu verantworten hatten, kommen immer wieder damit an, dass sie im Fall einer gegen sie erhobenen Strafe den Glauben an den Rechtsstaat endgültig verlieren würden. Die beiden Jungs der radikalen Tierrechtsorganisation wollen ja schließlich nur das Beste für das Tier, und welcher aufrechte Amerikaner wollte das eigentlich nicht?
Trotz der Selbstdarstellung als herzensgute Tierfreunde kommen einem die Praktiken der Hardcore-Aktivisten irgendwann aber auch nicht mehr ganz koscher vor, etwa wenn man ihre teilweise rüden Methoden sieht, wie sie Leute von der anderen Seite beschimpfen oder gegen sie agitieren – für die Andersdenkenden soll ganz offensichtlich freedom of speech weniger gelten als für sie selbst.
Auch das ganze Gemecker über Peta hat natürlich einen blinden Fleck. Das oberste Ziel der Riesenorganisation mag es zwar sein, Aufmerk­samkeit für die eigenen Belange zu erzielen und einen gewachsenen Apparat durchzufüttern, der einem immer aufgeblähter und zahnloser vorkommt – so etwas kennt man ja auch von Amnesty international oder Greenpeace –, trotzdem sorgen teure Medienkampagnen mit bekannten Gesichtern wahrscheinlich für mehr Aufmerksamkeit für das Thema Tierrechte als ein paar Einbrüche in Tierversuchskliniken. Oder anders gesagt: Peta hat erst das gesellschaftliche Bewusstsein für die Tierrechtsthematik geschaffen, das Tierbefreiern und Nerzmäntelbespuckern zumindest ein wenig Verständnis entgegenbringt. Außerdem wird mit dem neuen amerikanischen Präsidenten jetzt eh alles gut.
Unter dem alten wurden, wie der Film zeigt, nach der von dem Hurrikan Katrina verursachten Katastrophe in New Orleans Gerettete angeblich mit vorgehaltener Waffe gezwungen, ihre Haustiere zurückzulassen und sie so dem sicheren Tod preiszugeben. Der neue dagegen hat seinen Kindern zum Einzug ins Weiße Haus erst mal einen Hund versprochen, sogar einen aus dem Tierheim. Die amerikanische Nation wird schon darauf achten, dass dieser auch gut behandelt wird.

»Your Mommy Kills Animals« (USA 2007), Regie: Curt ­Johansen (DVD)