Die Strategie der Eta nach der Verhaftung eines Militärchefs

Unnachgiebiger Stadtindianer

Nach der Verhaftung eines mutmaßlichen Militärchefs der Eta wartet man in Spa­nien auf die Reaktion der bewaffneten Grup­pe. Dass sie den politischen Dialog suchen wird, gilt als unwahrscheinlich, nachdem eine neue Generation von militärischen Hardlinern offenbar die Oberhand gewonnen hat.

Seit einigen Wochen überbieten sich spanische Medien mit vermeintlichen Insiderinformationen über die »Enthauptung der Eta«, Ermittlungsrichter wetteifern um die spektakulärste Anklage gegen den am 16. November im französischen Baskenland verhafteten Garikoitz Aspiazu Rubina, der unter dem Decknamen »Txeroki« bekannt ist. Vergangene Woche war von 22 Anklagen die Rede. Der bekannteste und umstrittenste spa­nische Richter, Baltasar Garzón, der sich in der vorigen Woche aus den Untersuchungen der Verbrechen während der Franco-Diktatur zurückgezogen hat, will Txeroki vor Gericht bringen, weil dieser im vergangenen Jahr einen Anschlag auf die Segelregatta America’s Cup an Spaniens Mittelmeerküste geplant haben soll. Ein weiterer Rich­ter, Santiago Pedraz, wirft Txeroki vor, die Autobombe im Parkhaus des neuen Terminals 4 im Madrider Flughafen angeordnet zu haben, bei deren Explosion am Silvestertag 2006 zwei Einwanderer aus Bolivien starben und das Gebäude völlig zerstört wurde.
Auch wenn nur ein Bruchteil der gegen Txe­roki formulierten Anklagepunkte zutreffen sollte, steht bereits fest: Der 35jährige wird mit einer Politik in Verbindung gebracht, die in der militärischen Konfrontation mit dem spanischen Staat wenig Rücksicht auf unbeteiligte Zivilisten nimmt. So soll Txeroki, als Leiter des Kommandos Olaia, verantwortlich sein für eine Autobombe auf der Gran Via von Bilbao, die im Januar 2002 vor dem Kaufhaus El Corte Inglés am ersten Samstag des Winterschlussverkaufs gezündet wurde. Die üb­liche Bombenwarnung der Eta kam in diesem Fall zu spät, die Polizei konnte das Gefahrengebiet nicht evakuieren. Es gab 14 Verletzte. Arnaldo Ote­gi, der als Eta-Mitglied im Gefängnis saß, bevor er Vorsitzender der linksnationalistischen Partei Batasuna wurde, verurteilte damals schmallippig dieses Attentat in einem Radiointerview. Otegi kritisiert die Eta ansonsten nie öffentlich.
Batasuna wurde 2003 als politischer Arm der bewaffneten Separatistenorganisation verboten. Eine offene Diskussion über die Eta findet innerhalb der linksnationalen baskischen Szene nicht statt, nicht zuletzt weil nahezu alle ihre zivilen Organisationen verboten sind. Die spanische Regierung unter dem Sozialdemokraten José Luis Rodríguez Zapatero hat sich in den vergangenen zwei Jahren für eine harte Linie entschieden im Umgang mit den bewaffneten Separatisten, um das Baskenland zu befrieden. Noch 2006, als die Eta am 22. März eine unbegrenzte Waffenruhe verkündete, zeigte sich Zapatero offen für Verhandlungen, wofür er und seine Regierung von den konservativen Hardlinern scharf kritisiert wurden. Die Eta war damals durch Verhaftungen geschwächt und der Waffenstillstand erfolgte vermutlich auf Druck der mehr als 800 in spanischen Gefängnissen einsitzenden Etarras. Dieser pragmatische Kurs wurde allerdings bald auf­gegeben.

Mit der Autobombe im Terminal 4 beendete die Eta die Waffenruhe, was eine Veränderung im politischen Diskurs zur Folge hatte. Die Ermittler vermuten, dass dieser Anschlag den Sieg der von Txeroki geführten Hardliner-Fraktion innerhalb der Eta markierte. Im Juni 2007 kündigte dann die Eta die Waffenruhe schriftlich auf. Allein 2007 verübte die Eta sieben Anschläge mit drei Todesopfern. Anfang November druckte die baski­sche Tageszeitung Gara ein Kommuniqué, in dem die Gruppe sich zu zehn Attentaten in diesem Jahr bekannte. Es ist daher wenig verwunder­lich, dass Zapateros Rhetorik im Umgang mit den baskischen Separatisten mittlerweile genau wie die seines konservativen Vorgängers José Maria Aznár klingt. Der sozialdemokratische Ministerpräsident verabschiedete sich von seinem verhandlungsorientierten Kurs, wie seine Äußerungen nach der Verhaftung von Txeroki beweisen. Die Demokratie werde die Eta mit allen Mitteln des Rechtsstaats bekämpfen und besiegen, sagte er der Presse.
Txeroki – die baskische Schreibweise für Cherokee – tauchte im Jahr 2000 unter, weil er als Etarra zur Fahndung ausgeschrieben war. Seit 2002 versteckte er sich in den französischen ­Pyrenäen, wo er schließlich verhaftet wurde. »Er war schon immer ein batasuno. Uniformiert, mit einer Reihe von Ohrringen, den langen Haaren hinten und dem Backenbart. Unverwechselbar. Aber sehr diskret. Während mich andere als Faschisten und Spanier beschimpften, hat er nie etwas gesagt, obwohl er genau wusste, wer ich bin«, sagte Carlos García, ein junger Stadt­abgeordneter der nationalkonservativen Partei PP, der wie Txeroki in Bilbaos Stadtteil Santutxu aufgewachsen ist.

Santutxu ist heute für linksnationalistische Basken so etwas wie Kreuzberg für die deutschen Autonomen in den achtziger Jahren. Wie zahlreiche andere jüngere Anhänger der Eta stammt auch Txeroki aus der so genannten Kale Borroka. So bezeichnet man im Baskenland den Straßenkampf von radikalisierten nationalistischen Jugendlichen, die die Auseinandersetzung mit der Polizei suchen. In den »Volkskneipen« von Santu­txu hängen Plakate mit Txerokis Foto, überall kann man Parolen lesen, die die Verlegung der gefangenen Etarras ins Baskenland fordern. Spanischen und baskischen Medien zufolge rief Txeroki bei seiner spektakulären Verhaftung: »Gora Eta militarra! Gora Euskadi askatu!« (Es lebe die militärische Eta, es lebe das freie Baskenland). Dabei ist die Eta derzeit von diesem Ziel weiter ent­fernt als je. Denn im Baskenland wächst allgemein die Ablehnung der aussichtslosen militärischen Konfrontation. In ihren Comunicados beschwört die Gruppe weiterhin die Notwendigkeit des bewaffneten Kampfs zur Verteidigung des Baskenlands. Nach der Verhaftung von Txeroki fragt man sich, ob die Gruppe erneut den politischen Dialog suchen könnte. Allzu viel Hoffnung besteht allerdings nicht. Wird die Eta nun auf diese Verhaftung militärisch reagieren? Das ist derzeit eine offene Frage.