Zu den Freisprüchen in Bremen und Dessau

Das war’s dann

Die Prozesse zum Tod von Laya Condé in Bremen und Oury Jalloh in Dessau endeten mit Freisprüchen.

Zwei Tote. Zwei Tote schwarzer Hautfarbe. Zwei Tote schwarzer Hautfarbe in zwei deutschen Polizeizellen. Der eine, Laya Condé, starb im Januar 2005 in Bremen, als ihm gewaltsam Brechmittel eingetrichtert wurden. Der andere, Oury Jalloh, verbrannte im Januar 2005 während der Ausnüchterung in Dessau.
Beide Männer gerieten vermutlich ins Visier der Polizei, weil sie Schwarze waren. Beide wurden erniedrigt, lächerlich gemacht, gequält und getötet. Auf beiden Polizeiwachen wurden rassistische Kommentare und Klischees geäußert (»Schwarz­afrikaner stellen sich leicht tot«), die sicher auch das Verhalten der beteiligten Ärzte beeinflussten.
Dieser Tage sprachen zwei deutsche Richter ihre Urteile: Freispruch in Bremen, Freispruch in Dessau. In Deutschland sterben zwei Männer im Polizeigewahrsam, niemand ist strafrechtlich dafür verantwortlich, und das war’s dann. Das damit ausgesendete fatale Signal – es ist egal, was mit schwarzen Verdächtigen in deutschen Polizeizellen passiert – entsetzt nicht nur die Black Community hier und in vielen anderen Ländern. Es ist prinzipiell äußerst beunruhigend.
Sicher, dem Rechtsstaat mag mit den Freisprüchen Genüge getan sein – im Zweifel für den Angeklagten. Wobei man sagen muss, dass eine zügigere und gründlichere Ermittlung der Aufklärung in beiden Fällen dienlich gewesen wäre. Wäre wegen eines schadhaften Kindersitzes ein Baby gestorben – das Geschrei wäre groß, die Beweisaufnahme akribisch, die Suche nach Fehlern und Verantwortlichen flott gewesen. Sehr zweifelhaft ist auch die Tatsache, dass in Bremen die Pflichtverletzung des Arztes Igor V. festgestellt, aber mit seiner mangelnden klinischen Erfahrung auch noch entschuldigt wurde.
In Bremen und Dessau aber zeigt sich – wieder einmal –, dass institutioneller Rassismus nicht wahrgenommen, geschweige denn verurteilt wird, und dass, wo immer Bedienstete des Staates der Diskriminierung und Gewalt verdächtigt sind, stets die Ermittlungen müde angegangen und ausgefeilte Argumente herangezogen werden.
»Die Gerechtigkeit wohnt in einer Etage, zu der die Justiz keinen Zugang hat« (Friedrich Dürrenmatt). Beweise verschwanden, andere tauchten auf unerklärliche Weise auf, es gab Absprachen, Widersprüche, Lügen und zurückgenommene Aussagen. Auch wenn keine individuelle Schuld (mehr) nachgewiesen werden kann – jenseits der juristischen Urteile gäbe es eine Menge zu unternehmen.
Ein erster Schritt wäre es, zumindest offiziell anzuerkennen, dass es auch bei der Polizei Rassismus gibt, dass rassistische Kontrollen und »racial profiling« stattfinden. Hilfreich könnte auch eine ernst gemeinte Studie darüber sein, inwieweit Angehörige von Minderheiten unverhältnismäßig oft in Polizeigewahrsam gequält werden oder sterben. Maßnahmen und Trainings gegen den Korpsgeist in der Polizei und unter Medizinern könnten ergriffen und unabhängige Be­schwer­destellen, die interne Ermittlungen anstellen, ein­gerichtet werden. Gut ausgestattete Anlaufstellen für Opfer rassistischer Polizeigewalt wären dringend erforderlich.
Wunderbar wäre natürlich ein gesellschaftliches Klima, das es einem Polizeiarzt nicht erlaubt, einen gesunden Menschen Tod bringenden Prozeduren zu unterziehen. Und in dem die Generalbundesanwältin die Ermittlung gegen Politiker, Ärzte, Staatsanwälte und Polizisten nicht einfach an die Staatsanwaltschaft zurückverweisen kann, die dann dankend ablehnt, gegen sich selbst zu ermitteln (so geschehen im Fall Michael Nwabuisis, besser bekannt als Achidi John, der 2001 in Hamburg starb, weil ihm gewaltsam Brechmittel verabreicht wurde).
Aber von einem solchen Klima ist Deutschland weit entfernt.