Winterzeit, weit und breit, das ist die schönste Jahreszeit
Wo, bitte, ist eigentlich das Problem, hä? Beziehungsweise: Na und, läuft halt am Wochenende Wintersport im Fernsehen. Gut, es ist nicht schön, unmittelbar nach dem Aufstehen mit deutschen Siegen im Bobfahren oder Rennrodeln belästigt zu werden, aber die Fernbedienung zu nehmen und ein anderes Programm einzuschalten, sollte selbst dann möglich sein, wenn das auf ausgiebiges Partymachen unweigerlich folgende alkoholinduzierte Leiden ungefähr so lang zu werden verspricht wie die Erfolgsliste vom Hackl-Schorsch.
Womit wir auch schon bei einem der größten Vorteile der Wintersport-Übertragungen sind: Ihre Fans nerven nicht. Und so kann man, selbst dann, wenn gerade Olympische Winterspiele ausgetragen werden, vollkommen unbelästigt durch die Innenstadt spazieren, denn der gemeine Wintersport-Fan neigt nicht dazu, in Shirts der deutschen Curling-Nationalmannschaft herumzulaufen. Oder in Pullovern, auf denen das Emblem des Deutschen Skiverbandes prangt.
Vor allem neigt er aber nicht zur Gruppenbildung. Und deswegen gibt es sogar während der Olympischen Winterspiele auch kein Public Viewing mitsamt tagelangen Sperrungen der wichtigsten Hauptverkehrsstraßen, keine Polizeikontrollen und keine aufgeregten Berichte begeisterter, mit Deutschland-Mützchen bekleideter und von grölenden Fans umringter Fernsehreporter über neue Besucherrekorde, die angeblich friedliche Stimmung und die »tolle Party-Atmosphäre«.
Es gibt nicht einmal Live-Übertragungen in Kneipen und deswegen keinen sozialen Stress à la »Los, komm ’runter, wir gucken alle in der Bar 11«. Und es bedarf keiner logistischen Spitzenleistungen zur Sicherung guter Plätze, die bei Fußballübertragungen komplizierte Regelungen erfordern: »Ihr zwei geht schon um Sieben hin und besetzt die erste Reihe links vorn vor dem Bildschirm, aber dann müsst ihr alle auch pünktlich um halb Acht da sein, und denkt dran, der Jupp kann erst ab viertel vor Acht, also lasst ihm unbedingt zwei Plätze frei, nebeneinander, denn seine Freundin kommt auch, aber die schafft’s erst um fünf vor Acht.« Und so passiert im Winter auch niemals das, was während der Fußballsaison unweigerlich immer passiert: »Ah gut, dass du zuhause bist. – Die Bar 11 ist rappelvoll, können wir bei dir gucken? Wir gehen noch schnell zwei Kästen Bier kaufen und kommen dann hoch.«
Nein, im Winter darf und soll man seine Ruhe haben, und dazu passen Skifahren, Eiskunstlaufen, Biathlon perfekt. Eingemummelt in eine kuschelige Decke auf der Couch sitzend, neben oder vor sich auf dem Tisch griffbereit eine Tasse Tee, Zigaretten, Ingwerbonbons und eine Packung Papiertaschentücher, ist man bestens ausgerüstet für einen langen Sporttag bei ARD oder ZDF.
Zuzugucken, wie andere Leute sich sehr anstrengen, ist immer schön, zuzugucken, wie sie das bei äußerst unschönen Temperaturen tun, ist noch viel schöner. Zumal die meisten Wintersportarten viel mehr bieten als nur die Jagd nach ersten Plätzen und Rekorden. Beim Biathlon kann man beispielsweise darauf wetten, ab wann dem Athleten, dem schon seit Minuten der Rotz aus der Nase läuft, ein kleiner gelber Eiszapfen aus der Nase wächst. Beim alpinen Skilaufen ist es immer wieder hübsch anzusehen, wie die Torstangen zurückschlagen und – pffftsch – beim Zurückschnellen die Damen und Herren Sportler verhauen. Und beim Langlauf kann man sich detailliert anschauen, wie man selber aussehen würde, wenn man gezwungen wäre, auf Skiern Anhöhen hinunterzufahren, denn nicht alle Langläufer sind gute Abfahrer.
Dazu kommen Übertragungen der neueren Wettbewerbe des Wintersport-Genres, also beispielsweise Snowboardfahren, das zwar meist – vor allem wenn gerade die Buckelpiste dran ist – ein bisschen doof aussieht, aber dem Zuschauer eine Menge Abwechslung bietet. Auch wenn die Zeiten vorbei sind, in denen immer irgendeiner der Protagonisten wegen seines bei einer Dopingkontrolle aufgefallenen exzessiven Haschisch-Konsums fehlt, was schade ist, denn »TV-Reporter erklären die Gefahren des Kiffens« gehörte jahrelang zu den Highlights der Wintersport-Saison.
Und der Rest? Eiskunstlaufen ist großartig, allein schon deswegen, weil man nirgendwo sonst mehr die Chance hat, coole Frauen in echten Pelzmänteln zu sehen – und wer weiß, vielleicht stürmt Peta ja irgendwann mal einen Eiskunstlauf-Wettbewerb und es kommt zum Showdown zwischen russischen Trainerinnen und aufgeregten Tierschützern. Auch wenn klar ist, wie dieser ungleiche Kampf ausgehen würde, sollte man ihn keinesfalls verpassen, weswegen Eiskunstlaufen-Gucken Pflicht ist.
Und Bob- bzw. Schlittenfahren? Wie gesagt, dafür gibt es Fernbedienungen.