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Gewöhnlich ist niemand glücklich über eine Geldstrafe, schon gar nicht, wenn er 800 Millionen Dollar zahlen muss. Doch das Management von Siemens ist sehr zufrieden mit dem Vergleich, der mit dem US-Justizministerium und der Börsenaufsicht SEC ausgehandelt wurde. Dies sei »für alle bei Siemens das schönste Weihnachtsgeschenk«, sagte der Vorstandsvorsitzende Peter Löscher am Montag. Mit weiteren 395 Millionen Euro Geldstrafe darf Siemens zur Sanierung des bayerischen Landeshaushalts beitragen.
Doch es hätte weit schlimmer kommen können. Den US-Ermittlern zufolge tätigte Siemens in den Jahren 2001 bis 2007 insgesamt 4 283 illegale Zahlungen in einer Gesamthöhe von 1,1 Milliarden Dollar. Mit anderen Worten: Im Durchschnitt wurde fast an jeden zweiten Tag irgendjemand auf der Welt von Siemens bestochen. »Zusammen finden wir die besten Wege«, ist einer der Wahlsprüche des Konzerns. Von A wie Argentinien bis Z wie Zimbabwe reicht die Liste der Länder, in denen glückliche Schmiergeldempfänger Siemens Aufträge verschafften. Die erschlichenen Extraprofite dürften ein Vielfaches der eingesetzten Summe betragen. Obwohl die Korruption zum Kapitalismus gehört wie die Krise, übersteigt die kriminelle Energie bei Siemens das im Geschäftsleben übliche Maß erheblich. Es ist auch schwer zu glauben, dass Vorstandsmitglieder und Aufsichtsräte erst 2004 auf diese Machenschaften aufmerksam wurden. Wenn sie von Zahlungen in dieser Größenordnung nichts mitbekamen, dürfte man ihnen nicht einmal die Leitung einer Imbissbude anvertrauen. Sollte die gesamte Führungsspitze nicht gewusst haben, wie der Konzern an seine Aufträge kommt?
Aus Deutschland hatte Siemens ohnehin nie etwas zu befürchten. Auch die US-Behörden entschieden sich nun dafür, den Konzern nur für Rechnungslegungsverstöße zu belangen. Die neue Führungsspitze behauptet, die Milde sei auf ihre Kooperationsbereitschaft bei der Aufklärung zurückzuführen. Doch dürfte eher die Befürchtung, der Zusammenbruch eines weiteren Weltkonzerns werde der ökonomischen Stabilisierung nicht zuträglich sein, die US-Behörden dazu bewogen haben, statt der möglichen zehn Milliarden Dollar weit weniger zu nehmen und auf eine strafrechtliche Verfolgung zu verzichten.