Die Agrarlobby protestiert in Paraguay

Die Barone gehen auf die Straße

Neun Monate nach der Wahl Fernando Lugos zum Präsidenten Paraguays demonstrieren die Großgrundbesitzer ihre Macht.

Über 15 000 Traktoren standen vergangene Woche überall in Paraguay am Rand der Straßen. Hätten sie auf der Straße gestanden, wäre der Verkehr des Landes zusammengebrochen. Die Sojaproduzenten des Landes wollten so ihre Macht de­mons­trieren. »Unsere Mobilisierung ist riesengroß, und wir machen das alles, ohne die Straßen zu blockieren, ohne Unbeteiligte zu stören«, lobte Hector Cristaldo die Protestaktion, die er selbst als Präsident der Vereinigung der Produktionsgilden (UGP) mitorganisiert hat.
Mit diesem Protest will die UGP, die vor allem die Soja anbauenden Großgrundbesitzer Paraguays repräsentiert, ihre Macht demonstrieren. Paragu­ay ist der viertgrößte Sojaproduzent der Welt. Auf großen Farmen, die mit modernstem Gerät bewirtschaftet werden, wird vor allem für den chi­nesischen Markt produziert.
Während der 61 Jahre andauernden Herrschaft der Colorado-Partei, davon 35 Jahre unter dem deutsch­stämmigen Diktator Alfredo Stroessner, mussten die Großgrundbesitzer nicht zu solchen Maß­nahmen greifen. Auf die Unterstützung der korrupten Politiker und Gerichte konnten sie sich im­mer verlassen und beständig ihre Ländereien ver­größern. Inzwischen besitzen weniger als zwei Pro­zent der Bevölkerung über 75 Prozent der Nutz­fläche des Landes. Störte doch mal ein Klein­bau­ernhof oder ein Indigenendorf, ließ man die Poli­zei eben eine Räumung durchführen oder ver­sprüh­te einfach mit dem Flugzeug Pestizide, um die Leute zu vertreiben. Tausende Kinder von Klein­bauern und Indigenen sind wegen solcher Giftan­griffe mit schweren Behinderungen geboren worden.
Es ist keine neun Monate her, da wählte die Mehr­heit der Paraguayaner den ehemaligen Bischof Fernando Lugo, der versprach, gegen die extreme Ungleichheit etwas zu unternehmen. Doch die Organisationen der landlosen Bauern und der Indi­genen warteten nicht einfach ab. In den vergangenen Monaten besetzten Kleinbauern Farmland und zerstörten die Erntemaschinen der Sojabarone. Erklärtes Ziel war es, die bevorstehende Soja-Aussaat so weit zu stören wie möglich. Auf der Ge­genseite engagierten die Großgrundbesitzer private Milizen. Die Proteste der vergangenen Woche sind nur ein vorläufiger Höhepunkt der Landkonflikte, die sich in der nächsten Zeit verschärfen dürften.
Der Konflikt hat auch eine internationale Dimension. Etwa 300 000 Brasilianer leben in Paraguay. Die meisten dieser Brasiguayos, wie sie genannt werden, sind Sojafarmer. Die brasilianische Armee hat bereits bei Manövern geübt, Brasiguayos aus Paraguay zu evakuieren. Zwar ist Präsident Luis Iná­cio Lula da Silva mit einem ähnlichen Programm angetreten wie Lugo. Doch Lula beugt sich der Staatsräson, er vertritt auch die Interessen der Agrarindustrie, die in Paraguay viel investiert hat.
Lugo wird bald vor ähnlichen Problemen stehen, schließlich hängt der größte Teil des Bruttoinlandsprodukts von der Sojaproduktion ab. Er ver­sucht noch, den Streit zu schlichten, doch die Interessen sind so gegensätzlich, dass er sich am Ende für eine Seite wird entscheiden müssen. Entweder er vertritt die Interessen der Agrarlobby – oder die seiner Wähler, womit er womöglich einen Militärputsch riskiert, den zahlreiche Linke in Paraguay derzeit befürchten.