Finanzkrise gelöst

Mit Shawala in den Aufschwung!

Vergessen Sie die »Rettungspakete« und das Geschwätz der Analysten. Hier kommt der Plan für die Lösung der Weltwirtschafts­krise: Mit vier Schritten marschieren wir in einen warmherzigen und krisenfesten Kapitalismus.

Sie haben hoffentlich Ihre Weihnachtspakete rechtzeitig geschnürt. Nun sollten Sie sich ein we­nig Ruhe gönnen und, da wir das Fest der Liebe feiern, jener Menschen gedenken, die im Schweiße ihres Angesichts weiter schnüren müssen. Unserer Politiker, die ein »Rettungspaket« nach dem anderen schnüren, erst für die Finanzbranche, dann für die Autoindustrie, es will einfach kein Ende nehmen. Während Sie für das Schnüren mit dem Glänzen glücklicher Kinderaugen belohnt werden, selbst ein schönes Geschenk erhalten oder sich wenigstens sagen können, dass Sie im Weihnachtsrummel Ihre Pflicht getan haben, ernten unsere Politiker nicht selten Hohn und Spott für ihre Bemühungen.
Seien wir etwas konstruktiver, reichen wir ihnen eine helfende Hand. Nicht für das Schnüren, in Zeiten der Krise bedarf es etwas kreativerer und innovativerer Ideen. Es muss auch nicht alles wieder werden, wie es zuvor war. Sollten Bataillone von griesgrämigen Bürokraten, die hyperaktiven Bankern auf die Finger schauen, wirklich alles sein, was die Krisenlösung uns bringt? So muss es nicht kommen. Eine bessere Welt ist mög­lich, und sie ist noch nicht einmal teuer. Wir müs­sen nur bereit sein, ein paar Dinge in Frage zu stel­len, an die wir uns so sehr gewöhnt haben, dass wir gar nicht mehr über sie nachdenken, und an­dere, bereits seit langem vorhandene Dinge kreativ nutzen.
Nehmen wir zum Beispiel die Münze. Die gibt es seit mehr als 2 500 Jahren, und was hat sich geändert? Immer noch werden die Porträts angeblich bedeutender Persönlichkeiten und Abbildungen von dubiosen Herrschaftssymbolen auf Metallscheiben geprägt. Wäre es nicht an der Zeit, sich mal etwas Neues einfallen zu lassen? Wäre es nicht auch an der Zeit, einen nützlichen Verwendungszweck für teure Anschaffungen zu suchen, die nutzlos herumstehen? Für die vielen Atombomben beispielsweise, die seit Jahrzehnten vor sich hinrosten, obwohl sie einen wich­tigen Beitrag zur Lösung der Weltwirtschaftskrise leisten könnten?
Während ich darauf warte, für meinen Rettungs­plan mit dem wohl verdienten Nobelpreis für Wirtschaft belohnt zu werden, sollten Sie sofort Briefe an Ihren Bundestagsabgeordneten und an Politiker wie Angela Merkel und Barack Obama schreiben, um diese über den neuen Plan zu ­informieren. Damit diese armen Menschen endlich mit dem Schnüren aufhören können.

Ein neuer Impuls

Das Problem: Unser Planet hat ein Defizit.
Die Lösung: Gleichzeitige Atombombenexplo­sionen in der Stratosphäre über allen Finanz­plätzen der Welt.

Der Markt für Finanzderivate hat ein Volumen von 600 Billionen Dollar. Das gesamte globale Geldvermögen beträgt 170 Billionen Dollar. Derzeit behelfen sich die Politiker damit, das Defizit zu ignorieren. Sie glauben, man müsse die Banker nur mit vielen, vielen Milliarden überschütten, dann käme alles schon wieder ins Lot. Kommt es aber nicht, denn die Mathematik lässt sich nicht überlisten. Es führt kein Weg daran vorbei: Die Wirtschaft braucht einen Neuanfang, eine Stunde Null. Dafür sorgen die Atombomben­explosionen, genauer gesagt, die von ihnen erzeugten elektro­magnetischen Impulse. Sie löschen alle Kontendaten. Und schon ist es weg, das Defizit.
Das muss natürlich eine Überraschung sein, und manche ­Leute werden nörgeln, weil sie ihr Geld verloren haben. Ihnen sollte man sagen: Null ist ja wohl immer noch besser als minus 430 Billionen. Den protestierenden Ökologen kann man versichern: Die Kollateralschäden sind unerheblich. Bei einer nuklearen Explosion in 40 Kilometer Höhe weht nicht mal eine Zeitung weg, und ein wenig radioaktiver Fallout ist ein geringer Preis für die Rettung der Welt. Zumal der atomare Impuls für den Relaunch der Wirtschaft noch eine Reihe erfreu­licher Nebenwirkungen hat.
Da wäre zunächst der Moment der globalen Stille und Besinnung, der dem Impuls folgt. Denn auch die meisten von der Elektronik abhängigen Geräte und Fahrzeuge funktionieren nun nicht mehr. Kein schriller Klingelton stört die Ruhe, die Kinder spielen fröhlich auf den Straßen und Nachbarn reden wieder miteinander. Wenn der Lärm wieder losgeht, sind die Fabrikbesitzer glücklich, denn über Absatzprobleme werden sie in den nächsten Jahren nicht klagen müssen. Aber auch die armen Schlucker haben Grund zur Freude. Denn es werden ja auch alle Schulden gelöscht, die der Entwicklungsländer ebenso wie Ihr Dispo.
»Moment mal«, werden Sie nun vielleicht sagen. »Mein Handy ist kaputt, ebenso mein Computer, und Geld habe ich auch nicht.« Keine Sorge, sie bekommen neues Geld. Wirklich neues Geld.

Soft money
Das Problem: Der Kapitalismus ist herzlos.
Die Lösung: Das bunte Plüschgeld

Nachdem wir nun das globale Defizit besei­tigt, für mehr soziale Gerechtigkeit gesorgt und ein Konjunkturprogramm auf den Weg gebracht haben, ist es an der Zeit, den Relaunch zu gestalten. Viele Menschen hegen Zweifel am Kapitalismus, man hört sogar von Leuten, die ihn gar nicht mögen. Und warum? Weil es im Geschäftsleben so herzlos zugeht. Kalte Zahlenreihen flackern über Bildschirme, »Kaufen!« oder »Verkaufen!« brüllen grimmige Männer. Glücklich sind sie dabei nicht. Denn auch ihre gequälten Seelen dürsten nach menschlicher Wärme.
Es gab einmal eine Zeit, da lief das Geschäft ganz anders. Man bezahlte mit Kauri-Muscheln. Die schönen Muscheln mit ihren geschwungenen Formen glitten, der Haut schmeichelnd, sanft von Hand zu Hand. Jedes Geschäft war ein sinnliches Erlebnis. Dann aber kam die Münze, hart, eiskalt und metallisch. Da war es vorbei mit der Sinnlichkeit.
Zum Relaunch wird eine neue Leitwährung eingeführt. Nennen wir sie »Shawala«, das klingt weich und anheimelnd, sogar ein wenig romantisch, nicht so hart wie »Dollar« oder so öde wie »Euro«. Es sollten kleine, mit Plüsch überzogene Kugeln sein, leicht und flockig, in warmen, lebens­bejahenden Farben wie Orange, Gelb und einem zarten Rosa. Sie werden sehen, damit erledigen sich viele Probleme von selbst. Von nun an drängen ganz andere Menschen ins Geschäftsleben, liebe Menschen, die Freude daran haben, ihr Geld zu ­streicheln und mit ihm zu kuscheln. Sie werden viel freund­licher zu ihren Angestellten sein. Doch auch hart­gesottene Banker werden dem Reiz des weichen Geldes erliegen. Und Ihnen wird es viel leichter fallen, mit der hübschen Kassiererin oder dem coolen Barkeeper zu flirten, wenn Sie ihnen statt kalter Münzen flauschige Kugeln in die Hand drücken können.
Es gibt noch einen Vorteil. Das Plüschgeld ist nicht fälschungssicher. Ja, das ist ein Vorteil, denn so erledigt sich das leidige Problem der Lohndrückerei. Versuchen Sie mal, eine kleine Kugel rundum mit Plüsch zu bekleben. Das ist gar nicht so einfach. Stimmt der Lohn, werden die Leute also lieber weiter arbeiten gehen. Wird er zu nied­rig, basteln sie sich ihr Geld eben selber. Erst mal bekommt ohnehin jeder Erden­bürger einen Sack voll Shawala als Startgeld.

Mehr Doping
Das Problem: Die Krise macht depressiv.
Die Lösung: Die Legalisierung und Verteilung von Drogen

So, nun haben wir die Wirtschaft humaner gemacht und noch mehr soziale Gerechtigkeit geschaffen. Der Aufschwung kann eigentlich losgehen. Doch sind die Menschen bereit dafür? Nein, denn nicht umsonst nennt man die Wirtschaftskrise auch Depression. Wie aber kam es in den USA zur großen Depression nach 1929? Durch die Prohibition! Sie war zehn Jahre zuvor eingeführt worden. Die Leute zechten in illegalen Kaschemmen weiter, aber das Bier war trübe, der Schnaps war gepanscht, und ständig bestand die Gefahr, verhaftet zu werden oder ins Kreuzfeuer rivalisierender Gangsterbanden zu geraten. Kein Wunder, dass die Leute depressiv wurden. Überdies zahlten sie viel mehr für ihren Rausch, dieses Geld fehlte dann an der Börse. Endlich kam Franklin D. Roosevelt. Er wusste: Man kann noch so viele Straßen und Dämme bauen, es hilft alles nichts, wenn die Menschen schlecht drauf sind. Deshalb beendete er die Prohibition, und schon wankte Amerika frohgemut in den Auf­schwung.
Das können wir auch. Die meisten psychischen Probleme, unter denen die Wirtschaft leidet, lassen sich durch ein bisschen Doping beheben. Die Menschen gewinnen wieder Vertrauen zueinander (Ecstasy), sind entspannter (Marihuana), werden optimistischer (Kokain) und machen sich in Win­deseile daran, wieder Geld zu verdienen (Speed). Um Ungerechtigkeiten zu vermeiden, bekommt jeder Erdenbürger neben dem Sack voll Shawala ein handliches Set mit einer Auswahl verschiedener Drogen überreicht. Es muss sich ja nicht jeder alles nehmen, man kann auch tauschen oder seine Vorräte besonders bedürftigen Mitmenschen für ein paar Shawala verkaufen.
Auch diese Maßnahme zeitigt segensreiche Nebenwirkungen. Der Staat gewinnt eine neue Einnahmequelle durch die Besteuerung nunmehr legaler Drogen, so lässt sich die Shawala-Verteilung mühelos refinanzieren. Die Taliban hingegen müssen bankrott anmelden, weil sie nicht mehr am Drogenhandel verdienen können. Die organisierte Kriminalität verliert ihre Existenzgrundlage, und da die Menschen weniger Geld für Drogen ausgeben müssen, können sie sich andere schöne Dinge leisten. Dem Aufschwung steht nun nichts mehr im Weg.

Kaufen lassen
Das Problem: Die nächste Krise kommt ­bestimmt
Die Lösung: Der Konsumroboter

Doch machen wir uns keine Illusionen: Auch im plüschigen Kapitalismus kann es wieder zu einer Krise kommen, und trotz aller Bemühungen der Werbewirtschaft bleibt der Mensch ein unzuverlässiger Konsument. Deshalb bedarf es einer jederzeit einsatzfähigen Re­servearmee, um die Binnennachfrage zu steuern. Statt Roboter schuften zu lassen und damit die Arbeitslosigkeit zu erhöhen, die Binnennachfrage zu senken und die Krise zu verschärfen, sollte man sie etwas Nützliches tun lassen: konsumieren. Die ­Entwicklung einer künstlichen Intelligenz mag noch eine Weile auf sich warten lassen. Doch wie viel Verstand braucht man schon, um zu sagen: »Das kauf’ ich euch ab«?
Wenn der Dax wieder einmal abstürzt, die Men­schen klagen und die Analysten lärmen, bleibt der Wirtschaftsminister gelassen. Er muss nun keine Pakete mehr schnüren, er drückt einfach auf den grünen Knopf, und sofort setzen sich die Konsumroboter, in der Stahlklaue einen Eimer voll Shawala, in Bewegung. Sie nörgeln nicht, sie feilschen nicht, sie tauschen nichts um – sie kau­fen, kaufen und kaufen. Bis die Konjunktur brummt und der Wirtschaftsminister den roten Knopf drückt. Die Roboter ziehen sich nun zurück.
»Was fangen die Roboter denn mit dem ganzen Plunder an?« werden Sie jetzt vielleicht ­fragen. »Und ­woher bekommen sie das Shawala?« Diese beiden Probleme haben menschliche Konsumenten auch. Doch während ein Mensch protestiert, wenn man ihm die gekauften Waren wieder wegnimmt, ist das unseren Konsumrobotern egal. Die Waren werden eingesammelt und den Herstellern zurückgegeben. Ihr Shawala basteln die Roboter selbst, in Zeiten der Hochkonjunktur haben sie dafür genug Zeit.
Die Gefahr einer Inflation besteht nicht. Zwar erhöht sich in Zeiten schlechter Konjunktur die Geldmenge durch das von den Robotern gebastelte Shawala, doch durch das Recycling des von ihnen Gekauften erhöht sich auch die Warenmenge. So kommt alles wieder ins Gleichgewicht. Der Kapitalismus ist nun nicht nur gerechter und herzlicher geworden, er ist endlich auch krisenfest, und die Menschheit schreitet einer glück­lichen Zukunft entgegen.