Der Komiker Dieudonné bringt die französischen Rechtsextremen nicht mehr zum Lachen

Balla, M’bala!

Der antisemitische französische Komiker Dieudonné hat den Holocaustleugner Robert Faurisson als Ehrengast in seiner Show auftreten lassen. Ausgerechnet der Front National fand das nicht witzig.

Dieses Mal wurde es sogar Jean-Marie Le Pen beinahe zu viel. Er druckste herum und distanzierte sich zeitweise von seinen – alten oder neuen – Gesinnungskameraden. So sagte der 80jährige Vorsitzende des Front National (FN): »Ich schaue zu, ich urteile, ich fand es erstaunlich, vielleicht auch ein bisschen schockierend durch den Vergleich der Themen.«
Was war passiert? Der 43jährige Komiker und Theaterbesitzer Dieudonné M’bala – ein Franzose »gemischter« Herkunft, sein Vater ist Kameruner, seine Mutter Französin – hatte wie schon im Vorjahr in der Weihnachtszeit im Pariser Konzert­saal Le Zénith den Abschluss seiner Jahrestournee gefeiert. Am 26. Dezember zog er dabei über 5000 vorwiegend junge Menschen unterschiedlicher Herkunft an. Aber wie schon im Jahr zuvor saßen auch wieder Größen der französischen extremen Rechten im Publikum. Jean-Marie Le Pen war persönlich erschienen, neben einer seiner Töchter, Marie-Caroline, und mehreren Parteifunktionären.
Auch der Vordenker der intellektuellen »Neuen Rechten«, Alain de Benoist, der üblicherweise die Niederungen der Realpolitik und die – aus seiner Sicht zu »theorielosen« und »plebejischen« – Anhänger des FN tunlichst meidet, hatte sich zu der Aufführung begeben. Im Saal saß zudem Stellio Capochici alias Kémi Séba, der Anführer einer rassistischen und antisemitischen Sekte von Schwarzen namens Tribu Ka. Sie ist seit 2006 verboten und wurde vor etwa einem Jahr durch die ebenfalls von Kémi Séba geleitete »Bewegung der Verdammten des Imperialismus« (MDI) ersetzt.

Vor ihnen allen gab Dieudonné – sein Vorname ist auch sein Künstlername – ein Spektakel zum Besten, das er unter dem Namen J’ai fait le con (ungefähr: »Ich habe verrückt gespielt«) aufführte. Der Titel bezieht sich auf Vorwürfe, die in der Vergangenheit gegen Dieudonné wegen antisemitischer Äußerungen laut geworden sind. Der Mann hatte u.a. Anfang 2005 den Juden und den Überlebenden des Holocaust eine »Erinnerungspornographie« vorgeworfen.
Doch wie immer wählte Dieudonné, statt sich zu entschuldigen oder zu mäßigen, eine offensive Taktik, so auch zum diesjährigen Tourneeabschluss, dessen Höhepunkt ein Auftritt des bekanntesten Holocaustleugners in Frankreich bildete: Robert Faurisson. Der mehrfach verurteilte Faurisson, der seit 1979 immer wieder durch Veröffentlichungen für Skandale sorgte und Ende dieses Monats 80 Jahre alt wird, wur­de von Dieudonné auf die Bühne gebeten. Dort trat ihm ein Assistent des Komikers entgegen, gekleidet in einen gestreiften Pyjama, der eine gewisse Ähnlichkeit zur Kleidung von KZ-Häftlingen aufwies, von Dieudonné aber als »Lichtkleidung« bezeichnet wurde. Der Assistent, der einen gelben Stern auf der Brust trug, überreichte Faurisson einen »Preis für Unberührbarkeit und Unverschämtheit«. Den Holocaustleugner wie auch sich selbst stellte Dieudonné als Verfolgten und Verfemten, als Opfer einer vermeintlichen Medienmacht und einer angeblich herrschenden Meinungsdiktatur dar.
Die im Jahr 2003 mit dem Anspruch einer »Modernisierung« und »Entdiabolisierung« des FN angetretene Tochter des Parteivorsitzenden, Marine Le Pen, ließ ihrem Zorn über den Auftritt, der ihrer Strategie nicht sonderlich dienlich war, freien Lauf. »Diese Inszenierung ist niederschmetternd. Diese Typen sind bescheuert!!!«, schrieb sie – mitsamt der drei Ausrufezeichen – in einer SMS an ihre engeren Mitarbeiter, wie die Presse berichtete. Auch ihr Vater äußerte sich nochmals und sagte, Dieudonné habe »es vielleicht ein bisschen übertrieben«, er habe sich »von der Show eines Chansonniers entfernt«, es habe »eine Einmischung in die Politik« gegeben.

Diese neue Verschiebung der Fronten ist erstaunlich, blickt man auf die Geschichte der handelnden Personen in den vergangenen Jahren zurück. 1997 war Dieudonné noch als Parlamentskandidat in der 80 Kilometer von Paris entfernten Stadt Dreux, in der der FN einst sehr stark war, gegen dessen prominente Kandidatin Marie-France Stirbois angetreten. Damals galt Dieudonné weithin als Vertreter des Antirassismus und Antifaschismus. Seine Talente gab er zu der Zeit in einem Duo mit dem französisch-jüdischen Künstler Elie Semoun zum Besten.
Im Lauf der vergangenen fünf Jahre aber hat sich Dieudonné zunehmend in einen hasserfüllten Feldzug gegen die Erinnerung an die Shoah und gegen die Juden hineingesteigert. Eines der Motive hierfür liegt in einer vermeintlichen »Opferkonkurrenz«, von der in den USA schon länger die Rede ist. So werfen dort bestimmte Strömungen unter den Schwarzen den Juden vor, als historische Opfergruppe eine »privilegierte Stellung« einzunehmen: Deshalb, weil man zu häufig über die Shoah und die antisemitischen Verfolgungen spreche, schweige man über andere Verbrechen gegen die Menschlichkeit wie den Sklavenhandel, wird behauptet. Dieudonné und, ähnlich wie er, auch Kémi Séba haben diese Behauptungen zugespitzt und werfen in einer paranoiden Wendung den Juden vor, diese hätten selbst den Sklavenhandel organisiert.
In ihrem Buch »Die Wahrheit über Dieudonné« schreibt die französische Journalistin Anne-Sophie Mercier, Dieudonné sei überzeugt, Juden und nicht Christen seien für die Gräuel der Sklaverei verantwortlich. Und auf den Einwand, der Artikel 1 des »Code Noir«, des Gesetzbuchs, das den transatlantischen Sklavenhandel über 200 Jahre lang regelte, habe »die Beteiligung an diesem Geschäft« den Juden strikt verboten, habe Dieudonné ihr erwidert: »Das war nur deshalb notwendig, weil die Juden zu grausam waren, die Kinder von Sklaven über Bord warfen oder kastrierten. Ihre christlichen Kollegen mussten deswegen einschreiten.« Dieudonné hat soeben eine Verleumdungsklage gegen Merciers Buch zurückgezogen.

Zugleich näherte Dieudonné sich in den vergangenen Jahren den extremen Rechten an – nämlich jenen, die eine gewisse Annäherung an Franzosen migrantischer Herkunft akzeptieren, sofern diese die Forderung nach Vaterlandsverteidigung »in Zeiten der Auflösung der Nationen und der Globalisierung« akzeptieren. Es handelt sich also um die Fraktionen, die die klassische »abendländische« und den Kolonialismus in nostalgischer Erinnerung bewahrende Ideologie des FN durch einen eher antiwestlichen Nationalismus ersetzen möchten.
Traditionell bestehen beide Tendenzen in der französischen extremen Rechten, die aus geschichtlichen Gründen in vielerlei Hinsicht ein sehr heterogenes Konglomerat bildet. Als Dieudonné erstmals auf einer Parteiveranstaltung des FN im November 2006 in der Pariser Vorstadt Le Bourget in Erscheinung trat – angeblich nur als neugieriger Besucher –, war dort auch Anthony Attali. Er ist der Vorsitzende der rechtsextremen »Jüdischen Verteidigungsliga«, des französischen Ablegers der rechtsextremen Kach-Bewegung, die in Israel wegen Terrorismus verboten ist. Am Tag der Präsidentschaftswahl im April 2007 bezog Dieudonné auf einer FN-Veranstaltung beinahe Prügel von rechtsextremen Fußballfans, die ebenfalls dort weilten und für die er schlicht ein »Neger« war.