Hochsaison in Lampedusa

»Die Migranten in Lampedusa sind freie Menschen, sie können ins Dorf ein Bier trinken gehen, wenn sie wollen«, kommentierte der italienische Premierminister Silvio Berlusconi den Massenausbruch aus dem Auffanglager der italienischen Insel am Wochenende.
Das sehen die Menschen, die darin leben müs­sen, anders. Im für 850 Personen gebauten Zentrum drängen sich zurzeit 1 800 Menschen. Die hygienischen Zustände, die Versorgung mit Wasser, Lebensmitteln und Medikamenten sind entsprechend katastrophal. Seit wenigen Wochen darf kein Flüchtling mehr die Insel verlassen, wer in Lampedusa ankommt, soll bis zu seiner Rückschaffung dort bleiben, kündigte Innenminister Roberto Maroni kurz vor Weihnachten an. Geplant ist nun die Einrichtung eines zweiten Lagers auf der Insel, das der Identifikation und Abschiebung der Flüchtlinge dienen soll.
Zwischen den Jahren war jedoch Hochsaison auf Lampedusa. Immer mehr Bootsflüchtlinge kamen an, am Samstag eskalierte die Situation. Rund 650 Flüchtlinge brachen das Tor des Lagers auf und marschierten ins Dorfzentrum. Nicht schlecht müssen sie gestaunt haben, als sie »Freiheit! Freiheit!« rufend am Hauptplatz ankamen und dort mehr als die Hälfte der Inselbewohner versammelt vorfanden. Merkwürdiger noch: Die Lampedusaner, die die clandestini auf ihrer Insel eigentlich nicht besonders mögen, begrüßten die Migranten mit Applaus. Denn auch die Einheimischen waren dort, um gegen die Politik der italienischen Regierung zu protestieren. Sie wollen kein zweites Lager. Und sie fordern ebenfalls »Freiheit« für die Migranten. Das kommt gut an, haben viele Lampedusaner festgestellt, vor allem um das Image einer rassistischen Insel, die sich ständig über die »Invasion« der Flüchtlinge beklagt, loszuwerden. Die clandestini sollen also frei sein, um die Insel so schnell wie möglich zu verlassen und Platz für reiche Touristen machen.   fm