Gespräch über das Verbot der Hamas und die Debatte in der Linkspartei

Klaus Lederer: »Das ist unerträglich«

Seine Rede auf einer Solidaritäts­demon­stration für Israel bringt Klaus Lederer derzeit heftige Kritik in der Linkspartei ein. So warfen Sahra Wagenknecht, Hans Modrow und andere dem Berliner Landesvorsitzenden der Partei in einem offenen Brief »eine unerträgliche Nähe zu aktiven Unterstützern des gegenwärtigen Krieges« vor. Daneben äußerte sich Lederer in der vergangenen Woche skeptisch zu einem Vorschlag des Berliner Innensenators Ehrhart Körting (SPD), der ein Verbot der Hamas gefordert hatte.

Was veranlasst Sie zur Kritik an einem Verbot der Hamas?
Wir haben in Deutschland ein Strafrecht, das es in ausreichendem Maß erlaubt, antisemitische Delikte zu verfolgen. Man muss dieses Strafrecht konsequent ausschöpfen. Aber generell tue ich mich schwer damit, Dinge, die sich in den Köpfen abspielen, also Denkweisen und Meinungen, aus der Öffentlichkeit zu verbannen, so unerträglich sie auch sein mögen. Hier muss man sich fragen: Wie setzt man sich im gesellschaftlichen Raum mit diesen Denkweisen auseinander? Auch nach einem Verbot der Hamas könnte es in Berlin immer noch zu Überfällen auf jüdische Menschen kommen. Ein Verbot ändert ja das Denken nicht. Es gibt deshalb keine Alternative zur politischen Auseinandersetzung.
In Abwandlung einer bekannten Parole könnte man aber auch sagen: Antisemitismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen – das es zu bekämpfen gilt, wenn nötig, mit Verboten.
Man muss mit aller Entschiedenheit deutlich machen, dass alle Erscheinungen des Antisemitismus in unserer Gesellschaft keinen Platz haben. Dennoch darf man das nicht den staatlichen Instanzen überlassen. Ich finde es richtig, dass Linke angesichts der Ausweitung der präventiven Sicherheitspolitik skeptisch bleiben und betonen: Autoritären, reaktionären, antihumanistischen Denkweisen kommt man nicht bei, indem man Bürgerrechte abschafft oder relativiert. Partei- und Vereinsverbote sind immer die ultima ratio, die man im Einzelfall prüfen muss.
Ein Verbot würde das Sammeln von Spenden, die Verbreitung von Propaganda und das Ködern von Sympathisanten und Mitgliedern erschweren. Wäre es nicht wünschenswert, der Hamas diese Tätigkeiten so schwer wie möglich zu machen?
Das ist nicht völlig unplausibel. Ich lehne die Forderung nach einem Verbot ja nicht vollständig ab, sondern bin lediglich skeptisch, was die erwarteten Wirkungen angeht.
Ihre Kritiker in der Linkspartei greifen Sie an, weil Sie auf einer Solidaritätsdemonstration für Israel gesprochen haben. Wer Ihre Rede gehört hat, wird Sie kaum als Kriegsbefürworter oder überzeugten Parteigänger Israels bezeichnen können.
Meine derzeitigen Kritiker sehen das anders.
Sie haben in Ihrer Rede lediglich das Existenzrecht Israels betont. Doch selbst das sorgt für Aufruhr. Wer soll der Linkspartei da abkaufen, dass es ihr um die häufig zitierte »berechtigte Kritik« an Israel geht?
Insgesamt wird in Deutschland die Frage des Nahen Ostens immer noch in den Frontstellungen diskutiert, die im Kalten Krieg geprägt wurden. Das betrifft nicht nur die Linkspartei. Ich habe auf der Kundgebung gesprochen, weil ich es unerträglich finde, dass man die Kritik an Israel äußert, aber die nötige Distanzierung von den antisemitischen Tönen vermissen lässt mit dem Argument, dass jede Kritik an Israel ohnehin als antisemitisch bezeichnet würde. An dieser Stelle geht die Trennschärfe zwischen der notwendigen Kritik an Israel und der Abgrenzung zum Antisemitismus verloren.
Caren Lay, die Sprecherin des »Forums demokratischer Sozialismus«, dem auch Sie angehören, warnte davor, »sich mit Personen zu verbünden, die mit der Hamas sympathisieren«. War das auch eine Warnung vor eigenen Parteimitgliedern?
Für Sympathie mit der Hamas fehlt mir jedes Verständnis. Man muss schon sehr krude denken, um mit Hamas oder Hisbollah linke Befreiungshoffnungen zu verbinden. Auf jeden Fall ist eine Auseinandersetzung nötig. Eine unterlassene Aufarbeitung in der Linkspartei, im Osten wie im Westen, wäre fatal. Man muss sich zumindest über einen Grundsatz einig werden: Was auch immer im Nahen Osten passiert, darf nicht dazu führen, dass die Linkspartei die Trennschärfe zum Antisemitismus verliert.
Wer die jüngsten Gaza-Demonstrationen verfolgt hat, auf denen es ganz offensichtlich antisemitisch zuging, wird sich eher fragen, ob diese Trennschärfe bei den teilnehmenden Mitgliedern der Linkspartei überhaupt vorhanden ist.
Unser Landesvorstand hat z.B. den Aufruf zu der Demonstration am 17. Januar nicht unterstützt, weil in ihm eine einseitige Parteinahme für die Menschen in Gaza gefordert und kein Wort über die Verantwortung der Hamas verloren wurde. Wenn Menschen dennoch eine solche Demon­stra­tion besuchen, dann müssen sie deutlich klarstellen, wie sie zu den dort geäußerten Positionen stehen. Wenn ein Transparent zu sehen ist, auf dem ein Davidstern mit dem Wort »Nazis« gleichgesetzt wird, und dahinter wehen die Fahnen der Linkspartei, ist das unerträglich. Da gibt es für mich nichts zu diskutieren.
Wie gedenken Sie, in Zukunft mit diesen Teilen der Partei übereinzukommen?
Ich teile Gregor Gysis Position, die er kürzlich im Bundestag in einer Rede vertreten hat, und halte sie für mehrheitsfähig. Das ist eine Position der Vernunft, die eine einseitige Parteinahme ausschließt.
Gregor Gysi forderte in dieser Rede den Einsatz einer internationalen Friedenstruppe auch auf israelischem Territorium. Das wäre ein erheblicher Eingriff in die Souveränität Israels. Beinhaltet das so häufig beschworene Existenzrecht Israels also nicht einmal die staatliche Souveränität?
Was die Lösungsvorschläge angeht, halte ich mich gerade wegen solcher Ambivalenzen zurück. Dazu ist die Situation zu komplex. Aber die beiden Kontrahenten können den Kon­flikt nicht lösen, die bisherigen Vermittler sind immer wieder gescheitert. Deshalb müssen Per­spektiven in einem größeren, internationalen Maßstab diskutiert werden. Die dauerhafte Aufrechterhaltung einer militärischen Überlegenheit birgt keine nachhaltige Friedenslösung in sich.