Die Deutsche Bahn und die Korruption

Mehdorn ermittelt

Die Deutsche Bahn geht mit zweifelhaften Mitteln gegen die Korruption vor. Die aber ließe sich nur mit einer umfassenden Demokratisierung des Konzerns verhindern.

Wie naiv darf man eigentlich sein? Seit Jahren schreibt gerade der Stern gegen die weitverbreitete Korruption bei der Deutschen Bahn AG an. Doch nimmt Hartmut Mehdorn, der Vorstandsvorsitzende des Unternehmens, die Sache auf seine eigene Art in die Hand, ist es den unerbittlichen Mahnern auch nicht recht. Denn er ließ beim Datenschutz einmal fünfe gerade sein.
Mehdorn versucht seit seinem Amtsantritt, gegen die in dem ehemaligen Behördenbetrieb weit verbreiteten Vorteilsnahmen und Nebengeschäftchen vorzugehen. Dabei ist sein Antrieb sicher nicht, Baustellen kundenfreundlich und schnell in Ordnung zu bringen, sondern ein effizientes, internationales Logistikunternehmen aufzubauen, das sich Korruption nicht mehr erlauben soll. »Alle sollen wissen, dass wir auf der Jagd sind und mit scharfer Munition schießen«, schrieb er dem Stern zufolge in einem internen Rundbrief. Dabei geht er auf zwei Arten vor: Zum einen stellt sein Unternehmen für die kleinen Angestellten einen Ombudsmann bereit, bei dem sie Korruptionsfälle auch anonym melden können. »Das System der Ombudsleute hat sich bei uns bewährt«, zog Regina Puls, im Vorstand der Bahn für die Einhaltung interner und externer Regeln zuständig, bereits im Jahr 2006 Bilanz.
Zum anderen beauftragte Mehdorn die Detektei Network Deutschland unter Codenamen wie »Eichhörnchen« und »Babylon« mit Untersuchungen gegen nahezu die gesamte mittlere Führungsriege. Dateien mit den Namen von etwa 1 000 Mitarbeitern und ihren Ehefrauen wurden ihnen übergeben. Nach Angaben der Bahn entdeckten die privaten Ermittler in 300 Fällen »Auf­fälligkeiten«, die zu »arbeitsrechtlichen Konsequenzen und Regressforderungen führten«.
So richtig die Kritik von Alexander Dix, dem Berliner Datenschutzbeauftragten, ist, dass mehrfach gegen Datenschutzbestimmungen verstoßen wurde und nun wohl ein Bußgeld für die Bahn fällig sei, so oberflächlich ist sie. Sie verkennt, dass die Bespitzelungen bei Lidl und der Telekom sich vom Management ausgehend gegen die kleinen Be­schäftigten, gegen Journalisten und Aufsichtsratsmitglieder richteten und daher sowohl juristisch als auch politisch ganz anders zu bewerten sind. Politisch viel brisanter ist im Fall der Bahn, dass sie wie ein absolutistischer Staat geführt wird und bei Vorwürfen, Ermittlungen und Konsequenzen nach internen, aber nicht nach rechts­staatlichen Regeln vorgeht. Dagegen würde nur eine umfassende Demokratisierung des Kon­zerns helfen.
Dass sich die Deutsche Bahn seit Jahren wenig um den Datenschutz ihrer Kunden kümmert, könnte man an ganz anderen Geschichten zeigen. So wur­den – zumindest bis vor wenigen Jahren – die Daten aller Bahncard-Kunden in den USA bearbei­tet, um die deutschen Datenschutzbestimmungen zu unterlaufen. Und das Angebot, Bonus-Mei­len zu sammeln, dient nicht nur der Kundenbindung, sondern vor allem dazu, Bewegungsprofile der Bahn-Vielfahrer zu bekommen. Und selbst wenn man einen Gutschein einlösen will, den man wegen einer Zugverspätung erhalten hat, muss man ausdrücklich der Datenverarbeitung widersprechen – ansonsten landet der Fall im Bahncomputer zu »Zwecken der Kundenbetreuung«.