Die Macht der Hamas nach dem Waffenstillstand

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Nach dem Waffenstillstand in Gaza festigt die Hamas ihre Macht.

Es dürfte einige Palästinenser im Gaza-Streifen geben, die Israel insgeheim dankbar sind. Denn zu den ersten Angriffszielen der israelischen Luftwaffe gehörte Ende Dezember ein Gebäudekomplex, in dem sich auch das größte Gefängnis der Hamas befand. Einige Gefangene konnten ent­kommen, zwei von ihnen wurden allerdings später als »Kollaborateure« erschossen.
Vermutlich wurden auch sie zu Opfern der »Besatzer« erklärt. Wie viele derartige Morde es gab, ist nicht bekannt. Ehab al-Ghsain, Sprecher des »Innenministeriums« der Hamas, bestätigte Instruktionen, »die Kollaborateure aufzustöbern und hart zuzuschlagen«, bestritt jedoch gezielte Maßnahmen gegen die Fatah. Seit ihrem Putsch im Juni 2007 hat die Hamas ihre Macht im Gaza-Streifen Schritt für Schritt gefestigt. Die Vertreibung, Inhaftierung oder Ermordung politischer Gegner schüchtert die Bevölkerung ein. Die Rake­tenangriffe auf Israel provozieren nicht nur Mi­litärschläge, die genutzt werden können, um vom Versagen der islamistischen Verwaltung abzulenken. Durch jede Eskalation kommt die Hamas einer diplomatischen Anerkennung näher.
»Wir sind die amtierende Regierung in Gaza«, ver­kündete der Hamas-Sprecher Ayman Taha selbstbewusst. Bereits vor den jüngsten Kämpfen hatten sich die Islamisten geweigert, die Osloer Verträge anzuerkennen. Das Geld, das im Rahmen dieser Verträge gezahlt wird, wollten sie trotzdem kassieren. Solange Fatah und Hamas gemein­sam eine Regierung der »nationalen Einheit« bildeten, behalf sich die EU damit, ausschließlich mit den Repräsentanten der Fatah zu sprechen. Doch auch die Hamas profitierte von der europäischen Finanzhilfe, und sie wird sich wohl auch an den 32 Millionen Euro bereichern, die nun für den Gaza-Streifen zugesagt werden.
Das aber reicht den Islamisten noch nicht. Den Europäern riet der Hamas-Führer Khaled Meshal, endlich mit seiner Organisation zu verhandeln, »die durch den Kampf Legitimation gewann«. Ussama Hamdan, Repräsentant der Hamas im Libanon, stellte Bedingungen für eine Versöhnung mit der Fatah, die einem »Widerstandsprogramm« zustimmen müsse, denn »der Friedensprozess ist unwiderruflich vorbei«.
An Dreistigkeit ist das kaum zu überbieten. Unfähig und wohl auch unwillig, etwas zur Entwick­lung und Armutsbekämpfung im Gaza-Streifen beizutragen, sind die Islamisten darauf angewiesen, immer wieder militärische Konflikte zu provozieren. Das verschafft ihnen auch den Zugriff auf die danach hereinströmenden Hilfsgüter und -zahlungen. Obwohl die Hamas deutlich erklärt hat, dass sie ihren Monopolanspruch auf die Vertretung der Palästinenser auch gewaltsam durchsetzen will, wächst mit jeder Eskalation auch die Zahl derer in aller Welt, die eine Anerkennung ihres Regimes befürworten.