173000

Offenbar darf bei der Bahn jeder Zugschaffner die Lokomotive für seinen Zug selbst bestellen. Und dabei natürlich die Hand dafür aufhalten, dass er die Lok von Bombardier und nicht von Siemens nimmt. Anders ist es nicht zu erklären, dass der Vorstandsvorsitzende Hartmut Mehdorn doch nicht nur 1 000 Mitarbeiter nebst Gattinnen, sondern insgesamt rund 173 000 seiner Angestellten von einer Detektei überprüfen ließ, ob sie nicht neben dem Fahrkartenverkauf noch andere kleine Geschäftchen betrieben.
Oder ging es nicht nur um Korruptionsbekämpfung, sondern auch um etwas ganz anderes? Zum Beispiel darum herauszubekommen, wer sich in der privatisierungskritischen Initiative »Bahn von unten« engagierte? Und welche Gruppierungen der Bahngewerkschaft Transnet die windelweiche Tarifpolitik ihrer Führung nicht mittrügen? Oder die Lecks zu finden, durch die immer wieder interne Informationen zu Journalisten gelangten, zum Beispiel darüber, dass der Bahnvorstand den Abbau von weiteren 5 000 Streckenkilometern bis 2010 plant? Auf jeden Fall hatte Mehdorn bereits im April 2005 seinen »lieben Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen« klar angesagt, der Konzern werde solchen »Verrat« in Zukunft »ebenso energisch begegnen wie der Korruption«, und zwar mit »allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln«.
Wen wundert es da, dass Mehdorn – seit er den Konzern leitet – Aufträge an private Schnüffeldienste frei Hand und nur mit mündlichen Absprachen vergeben ließ sowie die so genannte Konzernsicherheit zu einer Art von internem Geheimdienst ausbaute? Die Initiative »Bahn von unten« spricht von einem »Staat im Staate«, der sich »jeglicher Kontrolle entziehe«. Doch selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel meint nun, nachdem sie jahrelang den Kumpel ihres Amtsvorgängers Schröder mitgetragen hatte, eine »rasche und lückenlose Aufklärung« einfordern zu müssen.
Dass sein Stuhl immer wieder wackelt, ist Mehdorn gewohnt. Allerdings könnte es dieses Mal ernst werden für ihn. Denn im Augenblick wird der Kapitalismus nicht nur in Deutschland neu aufgestellt, und dabei steht Mehdorn mit seinem großen Ziel, aus der Deutschen Bahn einen weltweit agierenden Logistikkonzern zu machen, plötzlich im Weg.